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Salzburg nach Spektakel: "Wir waren so knapp dran"

Wunder von Anfield blieb aus, aber Stolz regiert. Gefühl, das mehr drin war, bleibt.

Salzburg nach Spektakel: Foto: © GEPAgetty

Dieses Spiel wird so schnell keiner vergessen!

Was der FC Salzburg an der Anfield Road gegen den großen FC Liverpool für ein Spektakel ablieferte, hat sich allergrößtes Lob verdient.

Der Respekt von allen Seiten war den "Bullen" sicher. Liverpool-Fans würdigten die Leistung mit Standing Ovations, englische Journalisten meinten, dass sie noch nie ein Team hier so auftreten gesehen haben.

Das macht Salzburg stolz, auf der anderen Seite kann man sich um die 3:4-Niederlage (Spielbericht >>>) nichts kaufen. "Es ist für alle komisch, Gratulationen für eine Niederlage zu bekommen", musste selbst Jesse Marsch feststellen.

"Ganz ehrlich, ich denke, ich bin ein bisschen enttäuscht, bei 3:3 haben wir gedacht, wir können mit dem Gegner mitspielen und haben eine große Chance. Der kleine Fehler beim vierten Tor tut uns weh. Aber auf der einen Seite sind wir enttäuscht, auf der anderen ganz stolz auf die Leistung in der zweiten Halbzeit. Das ist wieder ein Lernmoment, den wir für uns nützen müssen."

Was Marsch und auch die Spieler fast unisono ärgerte und sie auch zum Ausdruck brachten: Wir waren so knapp dran!"

"Ein unglaublich g'schissener Beginn" in einem unglaublichen Spiel

Nach dem 0:3 nach 36 Minuten hatten viele mit einer Abfuhr gerechnet, doch die Reaktion war eindrucksvoll.

"Ein unglaublich g’schissener Beginn, wo sich jeder gedacht hat, das geht heute richtig schief. Aber dann haben wir unglaubliche Mentalität gezeigt, ein unglaubliches Spiel – mir fällt jetzt keine Partie ein, wo wer ein 0:3 an der Anfield Road aufholt und dann so eine zweite Halbzeit spielt", spielt Maximilian Wöber auf eine interessante Statistik an.

Bittere Statistik - nur Salzburg verlor mit drei Toren in Anfield

Denn Salzburg war erst das vierte Team, dass in der Champions League drei Tore auswärts an der Anfield Road erzielen konnte nach Barcelona, Chelsea und Real Madrid. Einziger Wermutstropfen: Die Bullen waren das einzige Team, dass dabei als Verlierer vom Platz ging.

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Den absoluten Fehlstart in die Partie führten die Protagonisten auf zu viel Respekt zurück. In dieser Phase wurden die sonst so tapferen Gäste von den Reds regelrecht überrollt.

"Das in der ersten Halbzeit waren nicht wir"

Trainer Marsch bringt es beinhart auf den Punkt: "Das in der ersten Halbzeit waren nicht wir. Wir brauchen unseren Fußball mit Leidenschaft und mehr Aggressivität. Wir haben viel Respekt gehabt, aber vielleicht zu viel Respekt. In der zweiten Halbzeit war von Anfang an mehr Wille, Leben und Selbstvertrauen im Spiel."

Der Faktor Anfield mit seiner einzigartigen Atmosphäre trug seinen Teil dazu bei, das wollte gar niemand abstreiten, auch der Chefcoach nicht. "Der Gegner hat so viel Qualität, der Platz ist schnell, die Zuschauer sind so laut - das ist ein ganz neues Gefühl für uns. Für mich auch. Das ist nicht so einfach, aber wir haben viel daraus gelernt und sind bereit für die nächsten Situationen wie diese. Aber klar, jeder hier kennt das Umfeld in Liverpool - das ist ganz brisant."

Auch Wöber, der mit Ajax gegen Bayern München doch noch ein bisschen aufgeregter war, weil es sein erstes Spiel gegen einen Top-5-Gegner war, erklärt die Situation als Neuland für die junge Bullenherde:

"Wir sind eine junge Truppe und für viele war es das erste Mal in so einem Stadion, noch dazu an der legendären Anfield Road. Du läufst hier ein, hörst 50.000 Leute 'You’ll never walk alone' singen, siehst die steilen Tribünen, wo tausende Menschen sitzen. Das beeinflusst einen schon ein bsischen, da gibt es keinen der das einfach so abschütteln und cool bleiben kann. Wir haben einfach zu lange gebraucht um das abzuschütteln, nämlich drei Tore, und deswegen haben wir heute verloren, sonst würden wir vielleicht mit einem anderen Ergebnis dastehen."

"Dann haben alle das Gefühl gehabt, dass das was möglich ist"

Irgendwann wurde dann aber doch der Schalter umgelegt, sonst hätte man nicht ein 0:3 in ein 3:3 verwandelt und den anfangs schier übermächtigen Gegner zittern lassen.

Kapitän Andreas Ulmer meint dazu: "Gerade, wo wir 0:3 hinten waren, ist in der Mannschaft am Platz das Gefühl gekommen, dass wir mehr Risiko, mehr nach vorne attackieren, höher die Bälle gewinnen müssen. Das haben wir als Team gemacht und dann auch den Anschlusstreffer geschafft. So haben wir uns das dann vorgenommen für die zweite Halbzeit."

Einer der Knackpunkte war die Reaktion von der Trainerbank in der 30. Minute, aus taktischen Gründen auf eine Raute im Mittelfeld umzustellen, wodurch man mehr Kompaktheit erlangte und plötzlich viel besser in die Partie fand.

Zum anderen war der 1:3-Anschlusstreffer für Wöber der Knackpunkt: "Ganz klar das 3:1 - da haben dann alle das Gefühl gehabt, dass da was möglich ist. Wir haben die Qualität, Tore gegen diese Gegner zu erzielen, haben dann diese Anfangsnervosität abgelegt, haben uns in der Kabine zusammengesetzt und gesagt, dass wir die erste Halbzeit verschlafen aber eine zweite Halbzeit spielen wollen, auf die wir stolz sein können und Salzburg so präsentieren, wie wir es normalerweise in der Liga tun mit unserem aggressiven und sehr schönen Fußball. Wir haben uns dann einen super Schlagabtausch mit Liverpool geliefert."

Mit Mentalitätsmonstern von 0:3 auf 3:3: "Einfach geil"

Schlagabtausch trifft es nicht ganz, denn zumindest die ersten zwanzig Minuten der zweiten Halbzeit gehörten ganz klar dem Außenseiter aus der Mozartstadt - eigentlich unfassbar an einem Ort wie Anfield.

"Das war einfach geil und richtig gut. Ein gutes Gefühl! Aber trotzdem kann es noch besser werden", kommentierte Dominik Szoboszlai die Treffer von Hwang vor der Pause und jene von Minamino und Joker Haaland nach dem Seitenwechsel zum 3:3.

Da wurde es selbst an der Anfield Road zwischenzeitlich ruhig, so ganz wollte man nicht glauben, welches Kunststück Salzburg gelungen war. Der Jubeltraube auf dem Feld gehörte auch Marsch an, der sich von den Gefühlen leiten ließ.

Ein denkwürdiger Moment - von 0:3 auf 3:3 gegen Liverpool, die Mentalitätsmonster hatten wieder einmal zugeschlagen. Torhüter Cican Stankovic meint dazu: "Vor allem zweite Halbzeit haben wir gespielt, was wir können, mit viel mehr Selbstvertrauen. Man sieht, was drin ist, wenn wir so spielen. Erste Halbzeit haben wir uns zu sehr versteckt."

Liverpool-Fans würdigten Salzburgs Leistung

Liverpool gab sich jedoch nicht aus, erhöhte dann noch mal die Schlagzahl und hatte einen Mo Salah, der schlussendlich das für die Reds erlösende 4:3 erzielte und Salzburg mitten ins Herz traf.

Die Respekt-Bekundungen nach dem Spiel ließen alle geduldig über sich ergehen - immer aber mit dem Hintergedanken, dass an diesem Abend noch viel mehr möglich gewesen wäre.

"Ja, es macht schon stolz", sagt Szoboszlai darauf angesprochen, dass die Leistung von Salzburg als unglaublich angesehen wurde und sich keiner an eine Mannschaft erinnern konnte, die am heiligen Rasen in Liverpool so unbeeindruckt zurückgeschlagen hat. "Aber wenn du das Gefühl hast, dass es noch besser sein könnte, dass wir mindestens einen Punkt holen hätten können - das wäre schon geil gewesen."

Geil war es aber auch so, auch wenn Andi Ulmer meinte, dass es zwar schön war, man dafür aber auch keine Punkte bekommt.

"Ganz Österreich kann stolz auf uns sein"

Nur wenn sich gegnerische Fans quasi für ein sensationelles Fußballspiel bedanken und eine Leistung würdigen, die man hier selten sieht, kann man schon leicht rot werden.

"Das macht natürlich sehr stolz, wenn sogar die Fans von der gegnerischen Mannschaft unsere Leistung so anerkennen. Das gibt einem ein richtig gutes Gefühl. Schon beim Heimspiel gegen Genk haben uns die Auswärtsfans applaudiert, was sehr unüblich ist. Ich glaube, wir können sehr stolz sein, was wir zweite Halbzeit abgeliefert haben", kann es Wöber gar nicht fassen.

Die Reaktion der Liverpool-Stars und Jürgen Klopp, der die Gegner ebenfalls in den Arm nahm und beglückwünschte, sprach Bände - der Erleichterung.

"Wie die Liverpool-Spieler nach dem Abpfiff reagiert, mit jedem von uns abgeklatscht und gesagt haben 'unglaublich, ein unglaublicher Fight, super' – das ist ein tolles Zeichen für uns", so der Abwehrchef weiter.

Momente, die die Salzburger wohl nie vergessen werden. Und auch Fußball-Österreich wird noch lange an dieses denkwürdige 3:4 zurückdenken. Szoboszlai abschließend: "Ganz Österreich kann stolz auf uns sein. Wir haben alle gezeigt, dass wir überall in Europa mithalten können."

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