Endstand
1:2
1:0, 0:0, 0:2
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Sturm Graz: Der Hunger nach dem Frust

Was gegen abgezocktes Team wie Dynamo Kiew fehlte. Was dafür "extraordinaire" war.

Sturm Graz: Der Hunger nach dem Frust Foto: © GEPA

Das Wissen, dass mehr drinnen gewesen wäre, ist keines, das man im Sport unbedingt anstrebt. Lob tut nach bitteren Niederlagen umso mehr weh.

Entsprechend hilft es dem SK Sturm Graz nach dem bitteren Aus in der Qualifikation zur Champions League mit 1:2 nach Verlängerung gegen Dynamo Kiew wenig, dass der gegnerische Coach Mircea Lucescu nach Schusspfiff lieber über die Steirer philosophierte als über sein eigenes Team.

In einem wilden Sprachen-Mix aus Englisch, Rumänisch und, weil er gerade Lust drauf hatte, Französisch lobte der schlaue Trainer-Fuchs die jungen Grazer, ihr Pressing, ihre physische Stärke, und vermutete, dass sie in dieser Saison auf Augenhöhe mit dem FC Red Bull Salzburg sein würden.

Die Stimmung im Stadion sei sowieso "extraordinaire" gewesen.

Lediglich die Erfahrung habe den Ausschlag für die Ukrainer gegeben: "Nach dem Ausgleich wusste ich, dass nichts mehr schief gehen kann."

Enormen Hunger entwickeln

Zeitgleich tröstete Ilzer in der Kabine seine Mannschaft und weckte die Lust auf mehr.

"Flutlicht, 20:30 Uhr - ich will solche internationalen Abende in Graz erleben. Ich habe zu den Spielern gesagt: 'Was gibt es Schöneres? Gewinnen ist schöner!' Das haben wir heute nicht erreicht. Wir müssen den enormen Hunger entwickeln, dass wir an solchen Abenden als Sieger vom Platz gehen."

Die Spieler im Moment des Frusts Fantasie für das Gefühl des Sieges in einem solchen Ambiente entwickeln zu lassen, könnte beim Lernprozess helfen.

Denn Ilzer hat absolut recht, wenn er bedauert: "Wir gehen in Führung, es war angerichtet."

Sollte man Hunger als Motivation interpretieren, mangelte es daran nicht. Was fehlte, waren laut Sturm-Coach "viele Details, um so einen starken Gegner in die Knie zu zwingen".

Was gegen abgezockten Gegner fehlte

Der 44-Jährige denkt hier an die mangelnde Effizienz, das vermeidbare Gegentor zum 1:1 oder die Ausfälle von Unterschiedspielern wie Jakob Jantscher und Otar Kiteishvili, die gerade gegen solch einen abgezockten Gegner wertvoll gewesen wären.

Dass im Spielverlauf die Verletzung von Rasmus Höjlund für die Offensivbemühungen äußerst kontraproduktiv war, liegt auf der Hand.

"Das war ein bitterer Ausfall, wenn man bedenkt, dass wir den einen oder anderen Klassespieler vorgeben mussten. Wir konnten dann nicht mehr so nachsetzen, wie man es für so ein Spiel gebraucht hätte", so Ilzer, der bezüglich Höjlund noch keine Entwarnung geben kann.

"Jeder, der von Beginn an am Platz gestanden ist, hat das richtig gut gemacht und ein Topspiel abgeliefert."

Christian Ilzer

Toreschießen ist im Fußball nicht wirklich ein Detail, aber Hin- und Rückspiel zusammengerechnet, agierte Sturm schlichtweg nicht kaltschnäuzig genug.

"Wir haben vielleicht nicht die Hochkaräter gehabt, aber schon Möglichkeiten oder Situationen, die man vielleicht schneller überzuckern hätten können. Ein paar tolle Weitschüsse waren dabei. Also das 2:0 wäre schon möglich gewesen!", weiß Ilzer.

Nachrüsten mit #LigaZwa-Hoffnungsträgern

Das Fehlen von Jantscher und Kiteishvili soll keine Ausrede sein.

"Jeder, der von Beginn an am Platz gestanden ist, hat das richtig gut gemacht und ein Topspiel abgeliefert. Aber natürlich wären wir mit den beiden dichter in der Qualität und könnten besser von der Bank nachliefern", unterstreicht Ilzer.

Letztlich mussten die "Blackies" in der Schlussoffensive jedoch mit Akteuren wie Muhammed Fuseini oder Christoph Lang nachrüsten, die ihre Sache engagiert gemacht haben.

Der Sprung von Spielpraxis in der 2. Liga zu Hoffnungsträgern auf den Einzug in die Champions League ist aber ein recht großer.

Dem Zeitplan gewaltig voraus

"Wir haben sie an den Rand des Ausscheidens gebracht, aber es hat nicht gereicht", bedauert Ilzer, erinnert jedoch daran, dass Sturm dem eigenen Zeitplan in seiner Ära mit Geschäftsführer Sport Andreas Schicker weit voraus sei:

"Der Plan war so ausgerichtet, dass wir uns nach dem dritten Jahr erstmals für einen internationalen Bewerb qualifizieren wollten. Da sind wir unserer Zeit gewaltig voraus."

Die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League im Herbst ist im dritten Jahr bereits die zweite.

"Aber trotzdem: Wir waren nah dran, hier am nächsten Dienstag gegen Benfica Lissabon die Champions-League-Hymne zu hören. Viel hat nicht gefehlt."

Da ist es wieder: Das Bewusstsein, dass mehr drinnen war. Dies gilt es nun in besagten Hunger zu verwandeln.

Die Fans haben ALLES gegeben

Ilzer strebt in der Europa League jedenfalls mehr internationale Punkte als im Vorjahr an: "Nach 90 Minuten hatten wir ja gewonnen, so gesehen wäre es unser erster Sieg gewesen. Der Auftritt war ein Schritt nach vorne."

Dies sahen wohl auch die meisten Anhänger so. Das Publikum hätte für die extraordinaire Performance in Liebenau fraglos ein sportliches Happy End verdient gehabt.

"Die Fans haben wirklich ALLES gegeben", bewundert Ilzer die Stimmung:

"Als wir mit dem Bus eineinhalb Stunden vorher zum Stadion gekommen sind, war die Kurve schon nahezu voll. Als die Mannschaft zum Aufwärmen rausging, habe ich in der Trainerkabine die unglaubliche Lautstärke von den Rängen gehört. Die Fans haben uns wirklich gepusht und nach vorne getrieben. Wirklich schade - es hat nicht viel gefehlt."

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