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Struber: "Was soll ich 18-, 19-Jährigen vorwerfen?"

Nach dem erneuten Champions-League-Aus der Mozartstädter steht einmal mehr ihre Unerfahrenheit in der Diskussion.

Struber: Foto: © getty

Vor rund drei Jahren, als der FC Salzburg am letzten Gruppenspieltag aus der UEFA Champions League 2020/21 ausschied, stellte LAOLA1 die Frage, ob die "Bullen" womöglich in einem Lernprozess gefangen seien (hier nachlesen>>>).

Seither haben die "Bullen" einmal das Achtelfinale der "Königsklasse" erreicht und gleich mehrere internationale Reifeprüfungen abgelegt, gänzlich verneinen lässt sich diese Frage aber nach wie vor nicht.

Denn während jungen Spielern Jahr für Jahr in der Mozartstadt die Möglichkeit geboten wird, Erfahrungen, aber auch Fehler auf dem allerhöchsten internationalen Niveau des Klubfußballs zu machen, sind genau diese Spieler zu dem Zeitpunkt, zu welchen sie aus diesen Erfahrungen und Fehlern gelernt haben, zumeist nicht mehr in Österreich engagiert.

Selten war dieser (durchaus teufelskreisförmige) Salzburger Lernprozess so gut zu beobachten wie am vergangenen Mittwoch. Nicht weniger als sechs Spieler aus der "Bullen"-Startelf gegen Inter Mailand befinden sich momentan in ihrer ersten richtigen Champions-League-Saison.

"Was soll ich 18-, 19-, 20-jährigen Jungs vorwerfen?"

Entsprechend naiv traten die jungen Mozartstädter, die in dieser Saison ihren eigenen "Königsklassen"-Altersrekord nochmal unterboten, gegen das italienische Top-Team zeitweise auf, mussten bei der späten und mit dem vorzeitigen Gruppen-Aus gleichbedeutenden 0:1-Niederlage erneut viel Lehrgeld bezahlen.

"Was soll ich 18-, 19-, 20-jährigen Jungs vorwerfen?", zuckt Gerhard Struber angesichts der vielen falschen Entscheidungen, die seine Jungstürmer am Mittwoch im Offensivdrittel trafen, bei "ServusTV" mit den Achseln.

"Wir haben eine ganz junge Mannschaft mit unglaublichem Potenzial, in ein paar Jahren werden einige unserer Spieler in großen Ligen spielen. Auf diesem Weg dorthin begleiten wir sie gerade. Der ist ab und zu richtig cool und ab und zu gibt es Momente wie heute. Das ist schmerzhaft, aber das ist die Realität. Daran können wir auch nicht vorbei", sagt der Kuchler und meint mit letzterem Punkt die Vereinsphilosophie.

Um Kritik an der Vereinsführung dürfte es sich bei diesen Worten übrigens nicht handeln. Struber wusste, worauf er sich in Salzburg einlässt; der Kuchler trägt den eingeschlagenen, mittlerweile extrem jung gewordenen Weg voll mit - vielleicht sogar so sehr wie keiner seiner Vorgänger.

Umso mehr schmerzt es den 46-Jährigen, dass die "Bullen" für ihre jugendliche Naivität einmal mehr bestraft und von einem am Mittwoch im Schnitt um sechs Jahre älteren Gegner binnen zwei Wochen zwei Mal klassisch abgekocht wurden.

"Dort sind Jungs drinnen, die schon zum Weltmeister gekürt wurden"

"Du musst gegen so einen Gegner auf der Entwicklungsstufe, auf der wir mit unseren Burschen stehen, auf einem sehr, sehr hohen Level sein. Und du musst dann auch einfach akzeptieren, dass dieser Gegner weiter ist in der Entwicklung, dass dort Jungs drinnen sind, die schon zum Weltmeister gekürt wurden", hält Struber fest.

Inter sei schlicht eine Mannschaft, "die von der Reife und von der Erfahrung auf einer anderen Plattform ist als unsere Jungs". Und gegen eine solche Mannschaft müsse alles zusammenpassen, um was mitnehmen zu können: "Das war über die gesamte Spielzeit nicht der Fall."

Warum Struber gegen Inter mit dem Schiedsrichter haderte und diesen scharf kritisierte>>>

Mut gibt Struber, dass die "Nerazzurri" trotz der unverhältnismäßig ausgeprägteren Erfahrung im Team weder in Mailand noch in Wals-Siezenheim über seine Mannschaft hinwegfegte, sondern jeweils ein Elfmetertor benötigte, um den (in beiden Spielen verdienten) Sieg einzufahren.

Jugend darf keine Ausrede sein, das Lospech schon

"Wir nehmen mit, dass der Hund tatsächlich einmal mehr im Detail begraben ist. Dass wir in unserem Prozess auf einem sehr guten Weg sind. Dass wir tatsächlich mit solchen Wahnsinnsmannschaften mithalten können. Am Ende sieht man trotzdem, und das muss man akzeptieren, dass Inter in der Entwicklung schon einen Schritt weiter ist", zählt Struber seine "Learnings", wie der zu Anglizismen neigende Kuchler es nennt, auf.

Zudem hat er eine Bitte an die Medienvertreter in der Red Bull Arena: "Wir sind sehr jung und das sieht man auch ab und zu. Aber bitte legt mir das nicht als Ausrede aus. Das ist die Entwicklung, die wir gehen."

Durchaus als Ausrede für das früheste Champions-League-Aus der Klubgeschichte darf der Umstand gelten, dass die Mozartstädter diesmal tatsächlich eine absolute Hammergruppe erwischten. Speziell die Topf-4-Mannschaft, die die Mozartstädter in ihren bisherigen vier Champions-League-Auftritten stets hinter sich lassen konnten, hätte mit Real Sociedad nicht unangenehmer ausfallen können.

"Es fehlt ein Stück weit die Erfahrung, die die anderen mitbringen. Inter war nicht umsonst im Champions-League-Finale, Real Sociedad spielt eine wahnsinnige Saison", merkt Amar Dedic an.

Und Alexander Schlager fügt an: "Wir wissen das Ganze realistisch einzuschätzen. Wir haben gewusst, dass wir in einer sehr, sehr guten Gruppe unterwegs sind. Ich glaube dennoch, dass am Ende mehr drinnen gewesen wäre."

Europäisches Überwintern war und bleibt das Ziel

Dabei darf man nicht vergessen: Das internationale Saisonziel, in egal welchem Bewerb zu überwintern, ist noch immer drinnen - sogar mehr als das.

Denn eine Mannschaft tut sich in der Gruppe D noch schwerer als der FC Salzburg: Das noch punktelose Benfica Lissabon.

Alles deutet momentan auf einen Showdown um den Umstieg in die Europa League zwischen Österreichs Meister und dem portugiesischem Top-Team am letzten Spieltag in Wals-Siezenheim an - und für diesen Showdown hat Salzburg mit einem 2:0-Sieg im Hinspiel und dem deutlich besseren Torverhältnis nach heutigem Stand sehr gute Karten in der Hand.

"Es ist ein enttäuschendes, schmerzhaftes Gefühl, weil wir uns ausgerechnet haben, mit einer guten Performance ein gutes Resultat zu schaffen. Aber als nächstes geht es nach San Sebastian, dann haben wir Benfica zuhause. Dann wollen wir punkten und alles für uns in eine Richtung drehen, europäisch zu überwintern. Das war unser Ziel, daran halten wir fest", hat Struber den Blick schon wieder nach vorne gerichtet.

Und wer weiß: Vielleicht zeigt das gegen Inter schmerzhaft bezahlte Lehrgeld in den abschließenden beiden Gruppenspielen schon entscheidende Wirkung.

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