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Salzburg im Lernprozess gefangen?

"Kann nicht mehr verlangen!" Hat Salzburg bereits seine Grenzen erreicht?

Salzburg im Lernprozess gefangen? Foto: © GEPA

Die Parallelen sind fast unheimlich: Wie im Vorjahr verkaufte sich der FC Salzburg in der Champions League auch heuer gegen Gegner auf absolutem Weltklasse-Niveau teuer, doch erneut müssen sich die "Bullen" mit einer 0:2-Niederlage im Finale um den Aufstieg nur mit Rang drei in ihrer Gruppe begnügen.

War es im Vorjahr noch der FC Liverpool, der Österreichs Serienmeister im Endspiel in der Red Bull Arena bezwang, unterlagen die Mozartstädter diesmal Atletico Madrid (Spielbericht>>>).

Wie gegen die "Reds" im Dezember 2019 spulte Salzburg auch gegen die Madrilenen eine richtig gute Leistung ab, konnte sich aber erneut nicht belohnen.

"Wir müssen positiv bleiben. Es tut uns weh, sicher. So nah, aber auch so weit weg. Aber wir nützen die Erfahrung immer für Verbesserung und für die nächsten Schritte, besonders für die jungen Spieler", spricht Coach Jesse Marsch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel den steten Lernprozess der Salzburger an. Doch sind die "Bullen" gar in diesem gefangen?

Salzburg im Schnitt fast drei Jahre jünger

Fakt ist, dass Salzburg erneut mit einem extrem jungen Team in die "Königsklasse" gegangen ist. Im Schnitt war die Startelf der "Bullen" gut 2,8 Jahre jünger als jene des Gegners. Viele Akteure wie Mergim Berisha, Mohamed Camara, Karim Adeyemi, Luka Sucic, Noah Okafor und eigentlich auch Sekou Koita, der in der Vorsaison nicht über einen einminütigen Kurzeinsatz hinauskam, gaben ihr Debüt in der Champions League, alle mussten sofort liefern.

Durch den Stoß ins kalte Wasser lernten die jungen Salzburger auch im eiskalten "Königsklassen"-Wasser schnell schwimmen, durch Erfolgserlebnisse, aber auch Rückschläge sammelten sie allesamt wichtige Erfahrungen. Salzburgs Problem könnte allerdings sein, dass einige Akteure die Erkenntnisse daraus bei der nächsten Champions-League-Teilnahme der "Bullen" gar nicht mehr für Salzburg auf den Platz bringen werden, sondern für einen anderen Verein.

Vereins-Philosophie Fluch und Segen zugleich

Spieler wie Koita, Berisha oder Camara haben sich in dieser Saison bereits für höhere Aufgaben empfohlen. Etabliertere Kräfte wie Max Wöber, Patson Daka oder Enock Mwepu könnten ebenfalls in naher Zukunft den nächsten Schritt wagen. Der Abgang von Dominik Szoboszlai, der den Schritt vom letztjährigen Mitläufer zu einer nicht immer überzeugenden Schlüsselfigur machte, steht ohnehin bereits so gut wie fest.

Salzburg wird beim nächsten Start in der "Köngisklasse" erneut unerfahrenen Talenten das Vertrauen schenken und ihnen Fehler gegen Weltklasse-Gegner zugestehen müssen, wie es in dieser Saison nach den Abgängen von Erling Haaland, Takumi Minamino und Hee-chan Hwang gemacht wurde. Dieser ewige Lernprozess ist in der DNA des Vereins mittlerweile fest verankert und macht einen großen Anteil am Erfolg des Klubs in den letzten Jahren aus. Nur durch diesen Weg ist es möglich, zukünftige Weltklasse-Kicker wie Sadio Mane oder Erling Haaland nach Österreich zu lotsen. Die Mozartstädter mussten für diese Philosophie in ihren ersten beiden Champions-League-Saisons aber auch viel Lehrgeld bezahlen.

Salzburg gegen "beste Tormänner der Welt"

So auch Jesse Marsch, der als Trainer ebenfalls noch sehr unerfahren ist und seine Champions-League-Jungfräulichkeit gemeinsam mit Salzburg im Vorjahr verlor. Für den US-Amerikaner ist der Grund, warum es für Salzburg erneut nur für Rang drei in der Gruppe reichte, schnell gefunden: Die Gegner auf Weltklasse-Niveau.

"Wir haben das nicht schlecht gemacht gegen Gegner mit solchen Qualitäten. Ich glaube, wir hatten außerdem zwei der besten Tormänner der ganzen Welt in unserer Gruppe", sagt Marsch und meint damit Jan Oblak und Manuel Neuer. War die Herausforderung für die Mozartstädter bereits in der Vorsaison mit dem damals amtierenden Champions-League-Sieger Liverpool, Napoli und Genk groß, bekamen sie heuer mit Titelverteidiger Bayern, Atletico und Lok Moskau noch eine Schippe draufgelegt.

Marsch: "Kann nicht mehr verlangen"

Trotz der fast schon erdrückenden Aura, die Namen wie Bayern München oder Atletico Madrid mit sich bringen, spielten die jungen Salzburger gegen die beiden Top-Mannschaften frech auf, waren in keinem der vier Duelle die klar schlechtere Mannschaft - nahmen allerdings auch keinen einzigen Punkt mit. Marsch stellt sich diesbezüglich schützend vor sein Team und erklärt:

"Ich möchte nicht zu negativ oder zu hart mit unserer Truppe sein. Wir haben überragend in dieser Gruppe gespielt. Überragend. Aber wir haben nicht genug Punkte gemacht und nicht die richtigen Momente in jedem Spiel gefunden. Aber ich kann nicht mehr von dieser Truppe verlangen."

Titel in der Europa League möglich?

Für Salzburg geht es nun immerhin im Sechzehntelfinale der Europa League weiter. 2018 erreichten die "Bullen" in diesem Bewerb das Halbfinale, im Vorjahr wurde bereits der Titel im zweithöchsten europäischen Klubbewerb als Ziel ausgegeben - allerdings war im Frühjahr schon in der Zwischenrunde gegen Eintracht Frankfurt Schluss. Nun ist Marsch diesbezüglich vorsichtiger, wiederholen will er seine Kampfansage zum Titelgewinn nicht:

"Ich sage das jetzt nicht. Nicht, dass ich nicht daran glaube, aber es ist nicht nötig, das zu sagen. Wir müssen Gegner für Gegner spielen. Wir sind ungesetzt, also bekommen wir in der ersten Runde einen guten Gegner. Es wird nicht einfach für uns", warnt der US-Amerikaner.

Tatsächlich könnte Salzburg schon im Sechzehntelfinale ein ganz unangenehmer Gegner blühen. Da die "Bullen" mit vier Zählern zu den schlechtesten vier Dritten der Champions League gehören, könnten ihnen folgende mögliche Gegner bei der Auslosung am Montag zugelost werden: Die vier besten Gruppen-Dritten der "Köngisklasse" Club Brügge, Ajax Amsterdam, Manchester United und Shakhtar Donetsk sowie die bereits als Gruppenersten der Europa League feststehenden Teams namens AS Roma, FC Arsenal, FC Villarreal, Dinamo Zagreb und TSG Hoffenheim.

Salzburgs Lernprozess geht also in der Europa League weiter. Hoffentlich trägt er dort auch endlich wieder Früchte.

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