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Sturm Graz: Wie konserviert man den Erfolg?

Warum man weiter keine abenteuerlichen Risikos eingeht, manche Spieler in die große Fußball-Welt ziehen und sich trotzdem kein Sturm-Fan Sorgen machen muss.

Sturm Graz: Wie konserviert man den Erfolg? Foto: © GEPA

Treuebekenntnisse sind eher schwierig im Fußball, da man gerade in Erfolgszeiten nie weiß, wer Gefallen an der eigenen Arbeit gefunden hat.

Also vermied auch Christian Ilzer ein solches, wenngleich man ihm abnehmen kann, dass schon ein sehr spezielles Angebot hereinflattern müsste, um Abschied von seiner aktuellen Aufgabe zu nehmen.

"Um Sturm Graz freiwillig zu verlassen, muss sich eine besondere Möglichkeit für mich auftun. Sollte das passieren, werde ich natürlich darüber nachdenken, aber meine Gedanken und meine vollste Energie sind bei meinem Team, bei den nächsten Schritten, bei meinen Aufgaben, die ich für diesen Klub zu erledigen habe", bekräftigt der 45-Jährige.

Nachsatz: "Ich sehe es als Riesen-Privileg, bei solch einem Traditionsverein ein Stück der Geschichte aktiv mitzugestalten."

Weiter nicht an Salzburg orientieren

So erfolgreich wie Ilzer mit seinem Staff Sturms Geschichte beeinflusst, wäre es nicht verwunderlich, wenn nach dieser Saison ein zumindest nachdenkenswertes Angebot eintrudelt.

Dass es dem Coach jedoch nicht ganz leicht fallen würde, mit seinem derzeitigen Job abzuschließen, deutet der Umstand an, dass er schon knapp eine Stunde nach dem Verpassen des Meistertitels durch das 1:2 in Salzburg nicht nur notgedrungen sein Passwort änderte, sondern bereits wieder munter darüber philosophierte, was jetzt geschehen muss, um die nächsten Schritte zu gehen.

Und besagte Schritte nach vorne hält der Trainer von Sturm Graz auch nach einer Saison, in der man Cupsieger wurde und Abomeister FC Red Bull Salzburg bis weit in den Mai hinein forderte, durchaus für möglich.

"Wir haben viele Spieler, die jetzt die zweite Saison auf diesem Level gespielt haben und noch sehr jung sind, bei denen ich im Individuellen absolut noch Entwicklungsstufen sehe", so Ilzer, der die Grazer Arbeit allerdings auch weiterhin am richtigen Maßstab messen möchte: "Wir brauchen uns nicht an Salzburg zu orientieren, sondern ausschließlich an uns selbst. Solch eine Saison noch mal zu toppen, ist natürlich auch kein Selbstläufer. Das darf man nie für selbstverständlich nehmen."

Sturm geht weiter kein abenteuerliches Risiko ein

Österreichs Meister hängt sehr mit Red Bull Salzburg zusammen, wie Ilzer selbst betont hat. So lange die vor allem finanziellen Kräfteverhältnisse so sind, wie sie eben seit vielen Jahren sind, wird es sich weiterhin schwer mit einem klaren Meister-Anspruch in eine Saison gehen lassen.

Schicker und Ilzer arbeiten seit Sommer 2020 zusammen
Foto: © GEPA

Woran die Sturm-Masterminds jedoch keinen Zweifel aufkommen lassen, ist, dass man weiter an jenen Parametern arbeiten wird, die man selbst in der Hand hat.

Und das vor allem, ohne zu überdrehen. Geschäftsführer Sport Andreas Schicker betont: "Wir werden unseren Weg, den wir seit drei Jahren gehen, konsequent weitergehen und sicher kein abenteuerliches Risiko eingehen. Wir werden keine Spieler verpflichten, die für uns nicht möglich sind."

Der Sportchef ist überzeugt, dass der Erfolg Sturm treu bleiben wird, wenn man den eigenen Weg weiterhin konsequent verfolgt: "Ich bin aber kein Freund davon, dass ich es am Ende immer nur an einer Tabelle festmache. Es ist auch wichtig, dass man das große Ganze sieht."

Besser auf den Erfolg vorbereitet als nach dem Cupsieg 2018

Das große Ganze betreffend erscheint der steirische Traditionsverein derzeit fraglos besser aufgestellt, den Erfolg zu konservieren, als man es etwa nach dem Cupsieg samt Vizemeistertitel 2018 war.

Damals erlebte man einen bitteren Transfersommer, den es diesmal so nicht geben kann, weil man bei so gut wie jedem Leistungsträger selbst in der Hand hat, ob der gemeinsame Weg weitergeht oder nicht.

Es ist kein Geheimnis, dass Sturm Transfer-Einnahmen gerne mitnimmt und so oder so auch in Erfolgszeiten immer wieder bewusste Kader-Veränderung anstrebt. Gleichzeitig will man natürlich nicht zu viele Stützen verlieren. Diese Balance wird entscheidend.

"Als Trainer von Sturm Graz gehst du ein Commitment ein - auf der einen Seite musst du maximalen Erfolg haben, auf der anderen Seite ist es wirtschaftlich wichtig, Spieler so zu entwickeln, dass sie bereit sind für den nächsten Schritt. Das sind für Sturm Graz fundamental wichtige Einnahmen. Mein persönlicher Wunsch ist natürlich immer, dass vieles gleich bleibt und man mit ähnlichem Personal in die neue Saison geht. Aber uns ist auch bewusst: Um erfolgreich zu bleiben und eine gewisse Dynamik in der Mannschaft zu halten, braucht es Veränderung. Wir werden auch gewisse Dinge verändern", so Ilzer.

Schicker: "Kein Sturm-Fan braucht sich Sorgen machen"

Dies sei natürlich ein Balance-Akt, und der Trainer versichert auch: "Wir sprechen uns da sehr gut ab, sind dann immer einen Schritt voraus, um auf eventuelle Abgänge sehr gut vorbereitet zu sein."

"Die Philosophie des Vereins ist, junge Spieler zu holen, sie vom Trainer-Team hervorragend entwickeln zu lassen, aber am Ende muss man auch die Tür in die große Fußball-Welt, sprich in die großen Ligen, aufmachen."

Andreas Schicker

Auch Schicker unterstreicht: "Die Philosophie des Vereins ist, junge Spieler zu holen, sie vom Trainer-Team hervorragend entwickeln zu lassen, aber am Ende muss man auch die Tür in die große Fußball-Welt, sprich in die großen Ligen, aufmachen."

Der Sportchef beruhigt jedoch im selben Atemzug: "Da braucht sich kein Sturm-Fan Sorgen machen, das hat es jetzt schon öfter gegeben und wir haben immer ganz gute Antworten am Transfermarkt gefunden."

Das Klassiker-Beispiel ist und bleibt Rasmus Höjlund. Schicker: "Nachdem er im August gegangen ist, haben wir einen ähnlichen Punkteschnitt gespielt. Emanuel Emegha ist in seine Rolle gerutscht, obwohl ihn am Anfang halb Graz verteufelt hat. Das zeigt einfach, dass wir am Markt Spieler finden, die noch nicht fertig entwickelt sind. Das werden wir auch weiterhin machen."

Ein Trainer, der den Spielern oft auf die Nerven geht

Eine entscheidende Rolle wird dabei weiterhin das Gerüst um Gregory Wüthrich, Jon Gorenc Stankovic oder Stefan Hierländer spielen, das sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

"Auch unsere Führungsspieler haben sich in einem gewissen Alter noch top entwickelt. Bei diesen Spielern sehe ich den Hunger nach Erfolg, das ist ein Schlüssel", verdeutlicht Schicker.

Letztlich hat sich ein Arbeits-Klima entwickelt, wie man es sich gerade als Trainer nur wünschen kann.

"Natürlich bin ich ein Trainer, der den Spielern sehr oft auf die Nerven geht. Ich würde sie gerne viel öfter loben, weil sie es sich verdient haben", sagt Ilzer und nennt als Beispiel, dass es sich seine Mannschaft "sehr, sehr lange" anhören habe müssen, dass sie in der Vorsaison die beiden letzten Spiele verloren hat, nachdem man selbst den Vizemeistertitel gesichert hatte. Diesmal ist die Situation eine ähnliche und Ilzer baut auf einen "Lerneffekt".

Die Eigenregie der Sturm-Mannschaft

Was Ilzer aber eigentlich sagen will: "Für uns Trainer ist es mit dieser Mannschaft sehr leicht, weil sie intern so top organisiert ist und viele Dinge schon in Eigenregie regelt. Es ist eine Freude, dieser Mannschaft dabei zuzuschauen."

Wenn man eine Mannschaft neu übernimmt, sei man zu Beginn mittendrinnen, um die Spieler zu überzeugen und ihnen eine Identität zu verpassen, bis der Weg verstanden und verinnerlicht ist.

"Inzwischen kann ich schon eine Zeit lang außerhalb stehen und einfach beobachten. Hin und wieder muss ich natürlich noch in diesen Kreis rein, aber zu sehen, wie sie agieren, wie sie auch mal Widrigkeiten und Schwierigkeiten bewältigen, macht unglaublichen Spaß."

Christian Ilzer

"Inzwischen kann ich schon eine Zeit lang außerhalb stehen und einfach beobachten. Hin und wieder muss ich natürlich noch in diesen Kreis rein, aber zu sehen, wie sie agieren, wie sie auch mal Widrigkeiten und Schwierigkeiten bewältigen, macht unglaublichen Spaß. Es gibt viele Mannschaften, die sich hohe Ziele setzen, sie aber nicht erreichen. Das ist ein Team, das sich hohe Ziele setzt und auch ganz konkret weiß, was es dafür zu tun gilt, enorm viel investiert und Aufopferungsbereitschaft zeigt. Deshalb lobe ich sie jetzt über den grünen Klee. Es ist absolut angebracht."

Auch wenn das Ziel aller Ziele mit der Niederlage in Salzburg verfehlt wurde, sei man auch in diesem Match "nicht Lichtjahre davon entfernt" gewesen, als Sieger vom Platz zu gehen.

Das Gefühl, das es mitzunehmen gilt

"Es war zum Greifen nahe, daher sind wir auch enttäuscht. Aber jeder von uns muss einerseits die Größe haben, Salzburg zum verdienten Meistertitel zu gratulieren, und andererseits auch reflektieren, was mit uns geschehen ist in dieser Saison, auf welchem Level wir leistungsmäßig gespielt haben."

Genau dieses Feeling soll laut Ilzer stehen bleiben: "Jeder darf sagen: 'Unsere Saison war richtig gut, ich war Teil einer großartigen Mannschaft und habe meinen maximalen Beitrag dazu geleistet.' Dieses Gefühl trage ich in mir und soll jeder einzelne Spieler zurecht in sich tragen."

Und natürlich in die neue Saison transportieren, wenn eine - in welchem Ausmaß auch immer - veränderte Sturm-Mannschaft versuchen wird, diesen Verein weitere Schritte voranzubringen. Denn letztlich ist es genau das, worum es den Verantwortlichen geht.

Ilzer: "Die Planungen von Andi und mir beginnen ja nicht erst im April. Wir sind in der laufenden Meisterschaft ständig am Planen, am Weiterentwickeln, am Drehen der verschiedensten Stellschrauben, um bereit zu sein, unser Level zu stabilisieren, zu bestätigen und möglicherweise die nächsten Schritte nach vorne zu machen. Das ist ein laufender Prozess, und mir gefällt extrem gut, mit welcher Geschlossenheit und Einigkeit wir das bei Sturm Graz machen."


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