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Der neue Weg des SK Sturm Graz

"Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben!"

Der neue Weg des SK Sturm Graz Foto: © GEPA

Der Stachel sitzt tief. Die katastrophalen letzten Wochen der abgelaufenen Saison haben den Verantwortlichen des SK Sturm sichtlich zugesetzt.

"Es war eine mehr als enttäuschende Saison, es hat sehr geschmerzt. Der, den es am meisten geschmerzt hat, bin ich. Wir haben unsere Ziele nicht erreicht", gibt Klub-Boss Christian Jauk zerknirscht zu Protokoll.

Dabei waren die Erwartungen vor einem Jahr groß. Mit Nestor El Maestro übernahm ein neuer Coach das Ruder, das er inzwischen wieder loslassen musste, einige neue Kicker wurden verpflichtet.

Im Rückblick ist man dann freilich immer schlauer. Jauk: "Es gab zwar einen Plan, das war ein durchaus kurzfristiger Plan. Wir haben viel Geld investiert, in meiner Amtszeit haben wir noch nie mehr Geld investiert. Am Ende ist der schlechteste Platz herausgekommen. Das ist eine Lektion, dass es im Fußball auch mehr braucht. Wir sind unseren Ansprüchen nicht gerecht geworden."

Die Analyse von Neo-Sportchef Andreas Schicker fällt ebenfalls ernüchtert aus: "Wir sind mit sehr hohen Erwartungshaltungen in die Saison gestartet, Platz 3 war das erklärte Ziel. Wir hatten sehr viel Einzelqualität im Kader. Wir haben es aber in der ganzen Saison nicht geschafft, dass wir eine Mannschaft werden. Gerade in der Offensive war das viel Stückwerk, wir haben es nicht geschafft, in ein Kombinationsspiel reinzukommen. Das Spiel hat oft mutlos ausgesehen. Wir sind am Schluss ziemlich auseinandergebrochen, da müssen wir den Hebel ansetzen."

Alles wird anders

Es gäbe da gar nichts Schönzureden, stellt das Duo Jauk/Schicker fest. Also wurde bei einer Perspektivenklausur am Montag, die der Vorstand und die Geschäftsführung gemeinsam durchgeführt haben, Veränderung beschlossen.

"Vielleicht ist es manchen zu ruhig und zu angenehm. Das werden wir ändern! Ich habe lange genug den Mund gehalten. Ich will, dass jeder Stein umgedreht wird! Jetzt ist der Beginn des Veränderungsprozesses! Ab heute für übermorgen!"

Christian Jauk

Jauk wird einigermaßen emotional, wenn er ankündigt: "Ich will das so nicht mehr hinnehmen und nicht mehr sehen. Das ist nicht Sturm Graz, wie wir uns in den letzten Wochen präsentiert haben. Vielleicht ist es manchen zu ruhig und zu angenehm. Das werden wir ändern! Ich habe lange genug den Mund gehalten. Ich will, dass jeder Stein umgedreht wird! Jetzt ist der Beginn des Veränderungsprozesses! Ab heute für übermorgen! In Österreich schreit jeder gerne nach Veränderung, wenn sie aber tatsächlich kommt, gibt es viele Widerstandskräfte. Den Kampf nehmen wir auf. Es gibt nichts, das wir nicht hinterfragen."

Nachsatz: "Es geht momentan gar nicht anders, als neu zu denken. Einen neuen Weg zu gehen, ist eine Chance für den gesamten Verein. Ich freue mich auf diesen Weg. Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben."

Der Dreijahres-Plan

Es gibt einen Dreijahres-Plan. Allzu konkret werden die Verantwortlichen noch nicht, aber Schicker umreißt es mal so: "Entwicklung ist das Schlüsselwort. Entwicklung braucht immer Zeit. Dieser Prozess wird länger dauern, da werden wir Rückschläge erleben. Wir dürfen uns im nächsten Jahr auf keinen Fall von der Tabelle blenden lassen, das wäre ein Kardinalfehler."

"Ich bin kein Freund von einem breiten Kader mit gestandenen Spielern. Wir werden das definitiv reduzieren, werden eine verjüngte Mannschaft sehen. Wenn wir investieren, werden wir in der Spitze investieren. Wenn du einen 26-Jährigen holst, blockiert der ja nur den Weg für einen jungen Spieler", so Schicker weiter.

Isaac Donkor, Florian Ferk, Thomas Schrammel, Juan Dominguez und Kiril Despodov werden im kommenden Jahr definitiv nicht im Trikot der Grazer zu sehen sein. Die Zukunft von Christoph Leitgeb, Thorsten Röcher und Anastasios Avlonitis ist noch offen, hier werden noch Gespräche geführt. Für Otar Kiteishvili gibt es lose Anfragen, aber nichts Konkretes. Schicker: "Es wird einen großen Umbruch geben, wir werden jünger werden. Es darf aber niemand erwarten, dass wir nächstes Jahr eine Amateur-Mannschaft haben werden. Es gibt laufende Verträge. Es wird nicht so sein, dass wir Mitte September eine ganz neue, ganz junge Mannschaft sehen werden. Es braucht Geduld."

Auf dem Transfermarkt soll es keine Schnellschüsse geben: "Ein falscher Transfer ist schlimmer als kein Transfer. Das haben wir in der Vergangenheit gelernt."

Perspektivisch will der SK Sturm jedenfalls wieder vermehrt auf die eigene Jugend setzen. Um den Talenten, die zu gut für die Amateure in der Regionalliga Mitte, aber noch nicht bereit für die Profis in der Bundesliga sind, Spielpraxis auf einem vernünftigen Niveau zu bieten, wurde eine Kooperation mit der Kapfenberger SV beschlossen. Alle Details dazu >>>

Schicker kündigt zudem an: "Es wird eine einheitliche Spielidee geben. Von der Akademie an. Die ist auch schon ausgearbeitet." Gleichzeitig sagt der Sportchef aber auch: "Wir werden in Graz den Fußball nicht neu erfinden. Das Umschaltspiel ist eine wesentliche Phase, wir brauchen im Offensivfußball mehr mutige Lösungen. Da geht es sehr viel um mögliche Räume, die zu bespielen sind. Der neue Trainer wird das Konzept um die letzten Details verfeinern."

Wer das sein wird, ist nach wie vor offen. Schicker gibt an, sich "in guten Gesprächen mit Kandidaten" zu befinden. Er werde sich aber "bei dieser Entscheidung Zeit lassen". Da ist er einer Meinung mit seinem Präsidenten: "Das sportliche Konzept muss ja noch um einen der wichtigsten Bausteine erweitert werden – den Cheftrainer. Der Rahmen ist mit dem Trainerteam in Einklang zu bringen. Deswegen ist die Trainerfrage tendenziell wichtiger als in den letzten Jahren."

Wie die Zukunft von Günter Kreissl, der Anfang Oktober von seiner Auszeit in der neuen Rolle des Technischen Direktors zurückkehren soll, aussieht, bleibt vorerst unbeantwortet. "Er hat seine wohlverdiente Auszeit. Wir werden das Gespräch zu einem gegebenen Zeitpunkt auch führen", gibt sich Jauk bedeckt.

Mit neuen Ansätzen soll der SK Sturm mittelfristig also wieder zurück in die Spur finden, auch wenn kurzfristig tabellarisch dadurch eher keine Sprünge nach oben zu erwarten sind. Die Perspektive zählt. Oder wie es Jauk ausdrückt: "Schwarze sind keine Schwarzseher!"

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