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Gogo Djuricin: "Das habe ich unterschätzt"

Goran Djuricin, Teil 2: Rapids Transfer-Zwickmühle, Probleme und seine Pläne.

Gogo Djuricin: Foto: © GEPA

55 Tage ist es her, dass der zum Albtraum gewordene anfängliche Traum von Goran Djuricin beim SK Rapid ein Ende fand.

Beim Besuch in seinem Heimat-Grätzel Kaisermühlen wirkt er erholt, lebensfroh und voller Tatendrang. Fast acht Wochen danach hat er das Kapitel auch für sich persönlich abgeschlossen, nach langer Reflexion, Leere und Enttäuschung.

Bevor "Gogo" am Sonntag beim 2. Liga-Spiel FC Juniors OÖ gegen SV Ried (ab 10:30 Uhr im LIVE-Stream) seine Premiere als LAOLA1-Experte feiert, sprach er im exklusiven, zweiteiligen Interview (hier geht's zu Teil 1) offen und ehrlich über die brennendsten Themen während seiner Rapid-Zeit, die Anfeindungen, das Fan-Problem, die Folgen und seine Zukunft.

Im 2. Teil des großen LAOLA1-Interviews verrät Djuricin, was er von Nachfolger Didi Kühbauer hält, welche Bedeutung Fredy Bickel für ihn hatte, in welcher Transfer-Zwickmühle sich Rapid befindet, was er als Hauptproblem in seiner Zeit sah und welche Pläne er für die Zukunft hat.

HIER geht's zu Teil 1:

LAOLA1: Zurück zu dir! Wie wichtig war Fredy Bickel für dich, inwieweit war er derjenige, an dem du dich festhalten konntest und der dir auch immer Rückendeckung gab?

Djuricin: Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Bei einem österreichischen Sportdirektor wäre ich wahrscheinlich nicht Trainer geblieben, weil sie anders denken. Er ist da sehr gelassen, schaut, was wirklich los ist und hört nicht auf Medien und Fans – das ist sehr wichtig bei Rapid. Er hat gesehen, dass ich im Training gute Arbeit geleistet habe, einen super Umgang mit den Jungs hatte. Er hat auch die Mannschaft gefragt – da war viel in Ordnung. Einige Teilerfolge lasse ich mir einfach nicht nehmen und hässlich reden. Ich hatte auch die eine oder andere Entscheidung, etwa beim wichtigen Spiel gegen FCSB, wo ich Mert Müldür, der als 19-Jähriger noch nie Europacup gespielt hat, auf einer anderen Position von Anfang an spielen ließ. Obwohl es um alles gegangen ist – da war ich sehr mutig, auch wenn Selbstlob stinkt - , war Fredy einer der wenigen, der das voll unterstützt hat und gesagt hat: Hör auf dich, schau, was du fühlst und ich bin bei dir, egal, wie es ausgeht. Es bringt mir nichts, wenn der Sportdirektor sagt „Ja mach“, sich dann umdreht und sagt „Das ist ein Trottel“. Das gibt’s, aber so ein Typ ist Fredy nicht. Das Gefühl, dass er ehrlich und loyal ist, hatte ich sofort. Das ist Gold wert, wenn du das Vertrauen spürst. Ein wunderbarer Mensch, dem ich sehr dankbar bin.

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LAOLA1: Was für eine Mannschaft hast du aus deiner Sicht übergeben?

Djuricin: Eine verunsicherte Mannschaft, die diese Doppelbelastung hat – das ist Fluch und Segen. Austria war vor zwei Jahren das beste Beispiel, wo sie Achter waren und in der Europa League recht erfolgreich. Meine Mannschaft hat international sehr gute Leistungen geboten. Sie zweifeln aber immer wieder an sich, sind von sich und den Fans enttäuscht. Mir hat ein Spieler nach meinem letzten Spiel gesagt: „Trainer, ich habe leider nicht mehr frei aufspielen können. Es tut mir sehr leid für dich.“ Sie wollen, aber sie können nicht. Und wenn sich dann nicht der eine oder andere hinterfragt, ist sowieso Hopfen und Malz verloren.

LAOLA1: Ist es wahr, dass die Spieler dann schon mit zittrigen Händen auf den Platz gegangen sind?

Djuricin: So schlimm ist es nicht, aber die Spieler haben zugegeben, dass es nicht leicht ist, unter diesem Druck und dieser Erwartungshaltung rauszugehen. Dazu kommt die Doppelbelastung. Vielleicht hatten wir auch Spieler, die nicht so ihren Schweinehund überwinden konnten, dann kriegst du Probleme, hast zusätzlich noch Verletzte. Es ist ganz menschlich, aber die Erwartungshaltung ist bei Sturm oder Austria genauso, sonst würden die auch in der Tabelle nicht dort sein, wo sie sind. Das ist schon eine große Kopfsache. Die Spieler haben sich nie beschwert, aber ab und zu sind diese Dinge rausgekommen.

LAOLA1: Die Doppelbelastung wird vor allem in Österreich aber sehr oft als Grund hergenommen. Wieso kriegt man diesen Rhythmus nicht besser in den Griff?

Djuricin: Das ist überall das Thema. Die einzige Mannschaft, die das in Österreich schafft, ist Salzburg. Das ist keine Ausrede. Man ist stolz, wenn man sich qualifiziert, aber wenn man drin ist, ist es irrsinnig schwierig, wenn man nicht mehr Spieler oder richtig viel Qualität holt. Mit Salzburg braucht man sich nicht vergleichen, das ist eine ganz andere Welt. Du kannst nicht mehr als trainieren – da geht’s um Belastung und Regeneration. Wenn du nur belastest, ist es noch schlimmer. Vielleicht trainieren wir sogar alle zu viel. Es gibt nichts Falsches und nichts Richtiges in der Trainingssteuerung, es gibt nur verschiedene Ansätze. Aber du musst den Mut für neue Sachen und den Mut zur Pause haben.

LAOLA1: Wenn man nicht falsch liegen kann: Wie war das dann mit der Trainingssteuerung, die bei Rapid nicht nach Plan gelaufen ist? Athletiktrainer Toni Beretzki wurde nun durch Alex Steinbichler ersetzt, hätte das schon früher passieren müssen?

Djuricin: Nein. Ich habe meine Philosophie mit dem Zugang von Thomas Hickersberger adaptiert, das wollte ich so. Ich habe mehr Wert auf Positionsspiel gelegt, die physische Komponente rückt dann ein bisschen in den Hintergrund. Das hat mir der Athletiktrainer auch gesagt, die Intensität im Training hat dann gefehlt – was nicht sein sollte, aber das ist so, wenn man gewisse Sachen einübt. Aber ein Athletiktrainer will immer mehr machen, die kommen aus einem anderen Bereich, wollen es anders gewichten als ein Fußballtrainer. Aber es gab nie ein Problem, ich habe das letzte Wort gehabt und so haben wir es gemacht. Die Herausforderung für mich war, wie ich das Ganze koppeln kann. Ich glaube schon, dass wir das dann im Griff gehabt haben.

LAOLA1: Wo siehst du dann das Hauptproblem, dass Rapid nicht aus der Krise findet? Doppelbelastung, Nervosität, Druck hast du schon angesprochen.

Djuricin: Viel mehr gibt es nicht, das ist eh genug. Der vielleicht wichtigste Punkt ist: Wir haben zu viel Qualität verloren! Galvao, Schaub und Joelinton zeigen in Deutschland, was in ihnen steckt. Kvilitaia hat sich leider verletzt, wird sich aber auch durchsetzen. Wir haben vielleicht unterschätzt, wie gut die wirklich waren.

LAOLA1: Bickel hat den Fehler zugegeben, zu viel Wert auf die Neuzugänge gelegt zu haben und dass diese sofort funktionieren hätten müssen. Waren das zu viele Neue?

Djuricin: Ja, das habe ich auch unterschätzt, da bin ich Fredys Meinung und habe auch meine Fehler gemacht. Ich hätte den einen oder anderen gestandeneren Spieler holen sollen, der sofort funktioniert und Spielpraxis hat. Nur: Hätte Pavlovic davor gespielt, wäre er doppelt so teuer gewesen. Das kann man sich dann nicht leisten. Deshalb lässt es sich von außen immer leicht reden. Aber ein Andrei Ivan, der Riesen-Potenzial hat und von dem ich glaube, dass der in ein, zwei Jahren explodieren kann, bringt jetzt zwar nichts bei Rapid, nur du kannst nicht wissen, wann einer explodiert. Hätte er bei Krasnodar gespielt, hätte man ihn sich eh nicht leisten können, weil er das Fünffache gekostet hätte. Wir sind ein kleines Land und müssen uns holen, was wir können. Mehr war finanziell nicht drin.

"Das habe ich auch unterschätzt und habe auch meine Fehler gemacht. Ich hätte den einen oder anderen gestandeneren Spieler holen sollen, der sofort funktioniert und Spielpraxis hat. Nur: Hätte Pavlovic davor gespielt, wäre er doppelt, Andrei Ivan fünfmal so teuer gewesen. Das kann man sich dann nicht leisten. Deshalb lässt es sich von außen immer leicht reden."

Djuricin über Rapids Transfer-Zwickmühle

LAOLA1: Ein kleines Land, plus die Übermacht RB Salzburg – das macht die Spielersuche noch viel komplizierter.

Djuricin: Du sagst es. Die besten Österreicher sind im Ausland oder bei Salzburg. Die zweitbesten sind in der 2. Liga in Deutschland und kommen auch nicht, wie Nikola Dovedan. Wen willst du dann holen? Trotzdem, wenn alle fit sind in dem Kader und die Doppelbelastung wegfällt, schießen die ein paar Mannschaften weg. Davon bin ich überzeugt. Wenn dann ein, zwei Siege kommen, ist die Mannschaft qualitativ so gut, dass sie Zweiter, Minimum Dritter werden kann. Zweiter ist schwierig, weil LASK eine Riesen-Form hat, aber sie können heuer noch locker Dritter werden, wenn sie einen Lauf haben, Philipp Schobesberger und Konsorten zurückkommen. Es haben sich dann alle eingefügt, man hat eine ganze Vorbereitung – da kann es nur bergauf gehen.

LAOLA1: Wie würdest du den Charakter der Mannschaft beschreiben? Fredy Bickel hat sich sicher keinen Gefallen getan, das Team als „intelligent und sensibel“ zu beschreiben.

Djuricin: Er hat ja leider recht. Was heißt das, wenn man intelligent ist? Das wird falsch verstanden. Wenn ein Mensch sein ganzes Leben nur lernt und studiert, wird er das erste Mal wenn er fortgeht, Probleme haben und als Professor abgestempelt werden. Intelligenz ist nicht immer vorteilhaft. Sie sind sehr hinterfragend und brauchen eine richtig gute Mischung von Zuckerbrot und Peitsche, weil sie doch sehr schnell zufrieden sind, dann brauchen sie eine in den Hintern. Du musst sie immer wieder pushen.

LAOLA1: Glaubst du deshalb, dass Didi Kühbauer derzeit der richtige Trainer für Rapid ist?

Djuricin: Ja! Da kommt viel über die emotionale Schiene und die Jungs haben sicher großen Respekt vor ihm, weil er auch in St. Pölten erfolgreich war und einfach eine Legende ist. Da hast du anscheinend einen kleinen Vorteil bei großen Vereinen. Die Gesellschaft ist sehr oberflächlich. In gewissen Situationen hilft das, aber langfristig kann es nicht sein, dass ich einen Trainer hole, nur weil der andere keinen Namen hat. In dem Fall wird es aber helfen.

LAOLA1: Wie war dein Abschied von den Spielern, wie viel Kontakt hast du noch?

Djuricin: Mit dem einen oder anderen habe ich noch Kontakt. Jetzt habe ich zufällig Veton Berisha am Flughafen getroffen. Wir haben eine halbe Stunde gequatscht. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis, möchte dann aber auch Abstand gewinnen, die Spieler müssen sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Viele Spieler werden sich freuen, wenn sie mich wiedersehen, vielleicht andere nicht – das gehört auch dazu. Mir war es wichtig, mich so zu verabschieden, weil ich sehr emotional bin und sehr menschlich handle. Ich wollte jedem eine letzte Umarmung geben und ihm alles Gute wünschen.

LAOLA1: Kommen wir zu deiner Zukunft! Wie geht es mit dir weiter?

Djuricin: Ich freue mich, dass ich jetzt nicht viel tue, Ruhe habe und mich auf mich konzentrieren kann. Andererseits würde ich gerne ab Jänner schon wieder was machen, denn ganz langsam juckt es mich wieder. Ich bin aber auch derzeit ziemlich verplant, habe jeden Tag zwei, drei Termine und muss eigentlich zurückschalten, dass ich nicht zu viel mache. Chillen und nichts tun fällt mir schwer.

LAOLA1: Um welche Termine handelt es sich, in welchen Bereichen schnupperst du hinein?

Djuricin: Ich möchte Leuten meine Erfahrungen weitergeben, was ich erlebt habe und wie realistisch die Bundesliga ist. Da halte ich Vorträge für die Plattform „austrocoach.at“. Ich habe diese Möglichkeit als Amateur-Trainer nicht gehabt. Ich glaube, dass ich helfen und ein Aha-Erlebnis geben kann. Ich will mich aber auch selbst weiterbilden, gehe auf Hospitationen bei ein, zwei österreichischen Klubs, wo ich die Namen nicht sagen will, und auf jeden Fall im Ausland. Ich will einfach meinen Horizont erweitern. Ich weiß, dass ich ein kleiner Fisch im Fußball bin und noch viel lernen muss. Diese Spielphilosophie ist ein Prozess, den ich immer wieder adaptieren muss. Ich möchte das Beste aus allem herausholen und schauen, was die anderen Trainer machen.

LAOLA1: Gab es schon Angebote oder Kontakt zu anderen Klubs? Bahnt sich etwas an?

Djuricin: Es gab den einen oder anderen Kontakt, aber noch keine Angebote. Ich möchte seriös bleiben und etwas machen, was sich sportlich auszahlt, wo ich eine Herausforderung habe. Das ist mir sehr wichtig.

LAOLA1: Du warst immerhin schon bei Rapid. Was würde sich danach sportlich auszahlen? Muss zumindest die Bundesliga winken, Ausland oder was stellst du dir vor?

Djuricin: Ich kann mir mehrere Aufgaben vorstellen, alles hat seinen Reiz - wenn du einen Klub übernimmst, der nicht absteigen will oder ein Zweitligist, der unbedingt austeigen will. Ich bin für alles offen, aber es muss Sinn machen, Larifari möchte ich nicht. Ich will unbedingt eine Herausforderung. Ich kann mir mich auch als Feuerwehrmann vorstellen.

LAOLA1: Du wirst aber wahrscheinlich diesmal auch das Umfeld und die Fans in deine Entscheidung einfließen lassen, ob du dir das wirklich antust.

Djuricin: Das schaue ich mir natürlich ganz genau an, mit wem ich es zu tun habe und wie das Umfeld ist. Aber ich bin infach gestrickt und habe selten Probleme mit meinem Umfeld.

LAOLA1: In Ried wäre aktuell ein Platz zu vergeben. Der Verein will aufsteigen, gilt aber nach den letzten Jahren als Chaos-Klub und Schlangengrube. Wäre das trotzdem ein Thema?

Djuricin: Es ist sicher nicht leicht dort, die Erwartungshaltung ist auch sehr groß. Aber es ist ein Traditionsverein. Es wäre schon eine geile Aufgabe, mit Ried aufsteigen zu wollen. Blau-Weiß Linz will ja nicht und mit Wattens hast du einen sehr ambitionierten Verein, der unbedingt rauf will. Das wäre schon eine Aufgabe, sich da durchzusetzen und dieses Problemfeld wieder zu einem ruhigen zu machen, so dass alle in einem Boot sitzen und Gas geben. Ich glaube, die Fans könnten dich dort richtig pushen.

LAOLA1: Bei dieser Lobeshymne muss die Frage kommen: Gab es somit Kontakt zur SV Ried?

Djuricin (lächelt, aber antwortet ernst): Nein!

LAOLA1: Abschließend: Wie wichtig war es, diese Erfahrung bei Rapid schon so früh zu machen? Oder kam sie zu früh?

Djuricin: Nein! Das war sehr wichtig. Ich weiß jetzt, dass ich die eine oder andere Sache anders machen werde. Aber ich weiß auch, dass einige Sachen gut waren und ich auf meinem Weg bleiben muss, den ich das eine oder andere Mal verlassen habe, durch meine Demut, den großen Namen und die Tradition. Zusammenfassend: Wenn ich Rapid überstanden habe, schaffe ich vieles anderes auch.

HIER geht's zu Teil 1:

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