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Austria-Probleme: "Zu viele suchen derzeit Halt"

Manuel Ortlechner versucht die Lage der Veilchen einzuschätzen.

Austria-Probleme: Foto: © GEPA

218 Pflichtspiele absolvierte Manuel Ortlechner von 2009 bis 2015 für die Wiener Austria.

Der Oberösterreicher war Kapitän der letzten violetten Meisterelf in der Saison 2012/13, nach zuletzt zwei Saisonen bei den Amateuren in der Regionalliga beendete der 37-Jährige im vergangenen Sommer seine aktive Karriere.

Seit 2015 ist der neunfache Ex-Internationale auch schon bei Austrias Bildungsprojekt VIOLAFIT involviert, zudem dient er als Berater für PLAYERHUNTER, einem weltweiten, sozialen Netzwerk für Sport.

Selbstverständlich sind ihm die jüngsten sportlichen Negativerlebnisse der Veilchen nicht verborgen geblieben.

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"Die Austria befindet sich in Gefilden, wo keiner den Klub sehen will", erklärt der ehemalige Innenverteidiger.

Im LAOLA1-Interview spricht Ortlechner über die aktuelle Situation der Violetten, die geäußerte Kritik von Trainer Thorsten Fink und die junge Fußballer-Generation.

LAOLA1: Manuel, was sagst du zur aktuellen Lage der Wiener Austria?

Manuel Ortlechner: Die Erwartungshaltung ist eine komplett andere, aber die Realität hat den Verein eingeholt. Sie befinden sich in Gefilden, wo keiner den Klub sehen will. Selbst jemand, der nicht so viel mit der Austria am Hut hat, wird sich denken, wir hätten eine starke Austria auf internationaler Ebene brauchen können, damit Punkte in der Fünfjahres-Wertung gesammelt werden. Es gibt aktuell viele Verletzte. In naher Zukunft werden wohl auch nur Alex Grünwald und Flo Klein zurückkehren. Bei Robert Almer ist ein ganz großes Fragezeichen dabei, ob er jemals wieder zurückkommt. Ich denke aber, dass sich das Offensivspiel durch die Rückkehrer nicht großartig verändern wird.

LAOLA1: War die Kritik von Trainer Thorsten Fink an der Kaderpolitik falsch?

Ortlechner: Jein, ich denke, die drei Namen, die in der Öffentlichkeit genannt wurden (Larsen, Filipovic, Kayode, Anm. d. Red.), wurden meiner Meinung nach alle relativ gleichwertig ersetzt. Das kann ich völlig neutral sagen. Klein hebt Larsen definitiv auf. Ich kenne beide, habe mit ihnen zusammengespielt. Für Filipovic ist mit Westermann ein Wunschspieler des Trainers gekommen. Und Kayode hat zwar viele Tore gemacht, aber intern war er teilweise nicht unumstritten. Und die Jungs, die da sind, sind ja auch keine schlechten. Alleine die Offensive ist mit Pires und Venuto richtig quirlig und schnell, dazu Prokop und Monschein. Da wäre also genug da.

LAOLA1: Die Austria hat in den letzten neun Runden – also einem Meisterschafts-Viertel – nur fünf Punkte geholt. Du als langjähriger Profi wirst wissen, dass sich ab einem gewissen Zeitpunkt wohl vieles nur mehr im Kopf abspielt, schließlich hat das Team heuer auch schon einige Spiele mit einer Rumpftruppe gewonnen.

Ortlechner: Das ist der springende Punkt. Die Austria hat in dieser Saison trotz zahlreicher Ausfälle Siege gefeiert. Da hat niemand gesagt: Die haben so viele Verletzte. Diese Aussagen kommen immer nur dann, wenn die Erfolge ausbleiben. Doch meiner Meinung nach tut man damit den Verletzten keinen Gefallen und auch nicht den Spielern, die aktuell spielen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass Woche für Woche elf Spieler auflaufen MÜSSEN. Und wie trete ich denen gegenüber auf, wenn ich immer wieder sage, dass man nur noch darauf wartet, dass die Verletzten endlich wieder fit werden? Man sieht, dass das Vertrauen in die aktuelle Mannschaft nicht immer gegeben ist. Das finde ich teilweise nicht fair, denn diese Spieler werfen sich ins Zeug und geben Woche für Woche alles. Als Außenstehender sind Einschätzungen aber immer schwierig. Ich tausche mich zwar hier und da noch mit dem einen oder anderen Spieler aus, aber in die ganzen Abläufe bin ich nicht wirklich involviert.

"Man darf nicht außer Acht lassen, dass Woche für Woche elf Spieler auflaufen MÜSSEN. Und wie trete ich denen gegenüber auf, wenn ich immer wieder sage, dass man nur noch darauf wartet, dass die Verletzten endlich wieder fit werden? Man sieht, dass das Vertrauen in die aktuelle Mannschaft nicht immer gegeben ist. Das finde ich teilweise nicht fair, denn diese Spieler werfen sich ins Zeug und geben Woche für Woche alles."

Ortlechner über Austria-Negativspirale

LAOLA1: Man muss aber auch sagen, dass es der aktuellen Mannschaft eindeutig an Erfahrung fehlt. Es spielen ja fast ausschließlich junge Leute. In keinem Mannschaftsteil ist derzeit ein Führungsspieler zu finden.

Ortlechner: Natürlich brauchen die jungen Leute am Platz Mitspieler, an denen sie sich anlehnen können und ihnen Halt geben. Und das ist derzeit schwierig, weil es kaum jemanden gibt, an dem sich die Jungen orientieren können. Gerade solche Typen helfen dir gegen schwierige Gegner mit ihren Kommandos, Ausstrahlung und Erfahrung.

LAOLA1: Dazu Kapitän Raphael Holzhauser, der mit seinem Abschied liebäugelt.

Ortlechner: Richtig. Auch das ist schwierig, wenn sich jemand zukünftig nicht mehr zu 100 Prozent bei dem Klub sieht. Dann wird es ganz, ganz schwer. Ich verstehe dann auch den Unmut der Fans, die sich lieber mit Spielern identifizieren wollen, die selbst eine hohe Bindung zum Klub haben.

LAOLA1: Austria-Legende Felix Gasselich (Hier geht's zum Interview) hat gemeint, dass ein Talent wie Dominik Prokop viel zu spät eingesetzt wurde. Bei Ajax stehen die Jungen meistens schon mit 17 Jahren in der Startelf. Kommen die Jungen in Österreich zu spät zum Einsatz?

Ortlechner: Das kann man pauschal nicht beantworten. Ich kann nicht hergehen und sagen: so, du bist 17 Jahre und jetzt spielst du. Nein, du musst 17 UND gut sein. Das ist die Grundvoraussetzung. Und dann kommt es auf die Vereinskultur, eine Unternehmensphilosophie an. Dann kann ich hergehen und sagen: Ich versuche, einen 17-Jährigen, der gleichgut wie ein Legionär auf dieser Position ist, zu forcieren. Beweisen muss er es sowieso selbst. Im Grunde kann er aber nur gewinnen. Die Fans tolerieren doch tausend Mal mehr eine durchwachsene Leistung von einem Jungen, als von einem arrivierten gut bezahlten Legionär. Wenn der Junge, der aus dem eigenen Nachwuchs kommt, der den Klub versteht und bei dem die Vereinsfarben aus seinen Adern fließen, Fehler macht, ist man viel nachsichtiger. Wenn er dann aber reüssiert, steigt die Bindung. Und zwar auf Fan- und auf Spieler-Seite.

LAOLA1: Für Trainer Thorsten Fink wird es langsam eng, oder?

Ortlechner: Wieder jein. Es wird viel verlangt, wenn du bei der Austria tätig bist. Es kommt nicht von ungefähr, warum etliche Spieler, die bei kleineren Klubs funktioniert haben, in Wien nicht funktionieren. Das gilt für Spieler und für Trainer. Du musst schon was auf dem Kasten haben. Da rede ich nicht nur von fußballerischen Fähigkeiten. Du musst eine gewisse Resilienz mitbringen, damit du mit gewissen Situationen umgehen kannst. Das ist der Punkt. Ich muss in dieser Richtung meinen Kader zusammenstellen, damit der Mix funktioniert. Die Austria hat sehr viele tolle Talente, die jetzt auch spielen. Aber sie brauchen jemanden, an dem sie sich anhalten können, damit sie selber einmal in eine Position kommen, wo sie Halt geben. Derzeit stehen zu viele am Platz, die Halt suchen. Der Klub wäre aber sicher gut beraten, ruhig zu bleiben und die Situation gemeinsam mit dem Trainer zu analysieren. Und das so nüchtern und sachlich wie möglich.

LAOLA1: Was meinst du genau mit: Man muss eine gewisse Resilienz mitbringen?

Ortlechner: Nicht jeder Spieler ist für Topvereine wie die Austria geschaffen. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin von kleineren Vereinen gekommen. Man muss widerstandsfähiger sein. Wenn die Zuschauer pfeifen, dann pfeifen sie eben. Wenn der Trainer oder der Sportdirektor Kritik übt, dann muss ich das aushalten können. Detto wenn die Medien Druck auf einen ausüben!

LAOLA1: Apropos Pfiffe. Wurde die nicht gerade spektakuläre anzusehende Spielweise der Austria vor ein paar Monaten noch aufgrund der Erfolge toleriert, herrscht mittlerweile großer Unmut.

Ortlechner: Klar würden sich die Fans einen Fußball wünschen, für den es sich lohnt, ins Stadion zu gehen. Jeder ist verwöhnt von dem, was Woche für Woche im TV oder im Livestream auf internationaler Ebene geboten wird. Das ist heutzutage Fluch und Segen zugleich. Vor 30 Jahren war das anders, denn da konnte man nicht so einfach in andere Länder schielen. Ich, als Verein, muss danach trachten, einen bestmöglich attraktiven Fußball zu bieten, um so viele Zielgruppen wie möglich anzusprechen, um sie ins Stadion zu locken. Da muss man hin. Im kommenden Sommer ist das neue Stadion fertig. Das ist gut und notwendig. Die Infrastruktur wird also passen, nur muss auch das Produkt dazu passen. Wir leben in einer Event-Gesellschaft, jeder will unterhalten werden. Da muss man schauen, dass das Produkt mithält. Diese große Challenge liegt nun vor der Austria. Im Frühjahr muss man auf Fan-Fang gehen – mit einem hoffentlich attraktiven und erfolgreichen Fußball.

LAOLA1: Gibt es grundsätzlich zu viele Mimosen im Fußball?

Ortlechner: Das weiß ich nicht. Das ist auch eine Generationen-Frage. Ich habe das die letzten zwei Jahre sehr intensiv bei den Amateuren miterlebt und auch bewußt beobachtet. Da war ich mit den 17- bis 20-Jährigen zusammen. Diese Generation ist anders und verlangt natürlich auch nach neuen Antworten. Die Trainerlandschaft muss sich in diese Richtung ändern und tut das auch schon. Gewisse Trainertypen werden nicht mehr funktionieren und sind vielleicht auch deswegen schon jahrelang arbeitslos. Sie sind vom Typus her nicht mehr gefragt, weil sie die heutige Generation an Fußballern nicht mehr anspricht. Deswegen ist auch Peter Stöger so erfolgreich. Er holt die Spieler einfach richtig ab. Er versteht den Menschen und hat die Spieler gerne...

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