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Schweiz-Torwarttrainer Foletti: „Köhn gehört die Zukunft“

Salzburgs Philipp Köhn hat in den vergangenen Monaten einen rasanten Aufstieg hingelegt. LAOLA1 hat mit zwei Wegbegleitern über seine Entwicklung gesprochen.

Schweiz-Torwarttrainer Foletti: „Köhn gehört die Zukunft“ Foto: © GEPA

Rund 100 Zuseher sahen im Mai 2021 das 2:2 zwischen Neuchâtel Xamax und dem FC Wil in der zweitklassigen Schweizer Challenge League. Bei den Gästen im Tor: Philipp François Köhn.

Rund vier Monate nach dem Remis in der Romandie hütete der Sohn eines Deutschen und einer Schweizerin auf der großen Fußballbühne das Tor. Bei Salzburgs 1:1 in Sevilla gab Köhn sein Debüt in der Gruppenphase der UEFA Champions League.

Seitdem ist der 25-Jährige als Nummer eins des österreichischen Serienmeisters gesetzt. Doch war das nach seiner Leihe in die zweite Schweizer Liga vorhersehbar? LAOLA1 hat sich umgehört und mit zwei Wegbegleitern über Köhn und über das Schweizer Torhüterwesen im Allgemeinen gesprochen.

Foletti: "Am Anfang wollte ich den Job gar nicht machen"

Ein Name ist praktisch untrennbar mit den Keepern der Schweiz verbunden: Patrick Foletti. Der "Fox", wie sein Spitzname lautet, verbrachte den Großteil seiner Karriere in der Heimat. Im Jahr 2002 zog es ihn für ein halbjähriges Intermezzo auf die Insel, wo er in zwei Premier-League-Spielen für Derby County zwischen den Pfosten stand.

Vor rund zwei Jahrzehnten kam dem Torhütertraining noch eine marginale Bedeutung zu, wie sich Foletti in einer Diskussionsrunde bei "Bluewin" erinnert. Eigene Torhütertrainer waren nicht gerade Usus, weshalb sich der heute 48-Jährige bereits während seiner aktiven Zeit überlegte, was er als künftiger "Goalietrainer" anders machen würde.

Rund um die Jahre 2010 und 2011 hat der Schweizerische Fußballverband (SFV) schließlich erkannt, dass sich im Bereich der Torwarttrainer-Ausbildung etwas ändern, der nächste Schritt gesetzt werden müsse. Das sei laut Foletti die Voraussetzung für eine anschließend gelungene Torhüter-Ausbildung.

Der damalige Technische Direktor Peter Knäbel wollte Foletti, der nach dem Karriereende als Torwarttrainer beim FC Luzern und dem Grasshopper Club Zürich tätig war, ins Boot holen. Der "Fox" zögerte zunächst aber.

"Am Anfang wollte ich den Job gar nicht machen. Aus zwei Gründen: Ich war relativ jung und ich dachte, ich bin nicht so weit. Und auf der anderen Seite hatte ich Angst, in einem Verbandskonstrukt gefangen zu sein." Knäbel sicherte Foletti jedoch einige Freiheiten zu, um seine Ideen umsetzen zu können.

Patrick Foletti im Training vor dem Schweiz-Gastspiel in Österreich im Jahr 2015
Foto: © GEPA

"Aufpassen, dass das Torwarttraining keine Zirkuseinheit wird"

Und das mit Erfolg. Namen wie Yann Sommer (FC Bayern München), Gregor Kobel (Borussia Dortmund) oder Jonas Omlin (Borussia Mönchengladbach) bestätigen die herausragende Arbeit von Foletti und seinem Team. Der ehemalige Luzern-Keeper David Zibung sprach bei "Bluewin" gar davon, dass Foletti die Torhüter-Ausbildung in der Schweiz nicht aufs nächste Level, sondern ins nächste Universum gebracht habe.

An welchen Stellschrauben konkret gedreht werden musste? "In erster Linie ging es darum, eine einheitliche Philosophie auf die Beine zu stellen. Die Schweiz ist klein, wir haben aber drei Kulturen, drei Sprachen und so hatten wir drei Arten, das Torwarttraining zu sehen", hält Foletti fest.

Dabei seien ihm mitunter auch Skepsis und Widerstand begegnet. Foletti ist für innovative Methoden bekannt. Es kommt vor, dass seine Schützlinge plötzlich mit Sonnenbrillen oder Schildern auf dem Trainingsplatz stehen. Das Wichtigste jedoch: "Die Struktur des Trainings selber", so der Schweizer, der im italienischsprachigen Tessin geboren ist.

"Und wenn man Tools findet, die diese Struktur unterstützen, ist das sehr gut. Man muss aber voll aufpassen, dass man mit diesen Tools nicht zu weit wegkommt vom Ziel. Vor allem muss man aufpassen, dass das Torwarttraining keine Zirkuseinheit wird." Im Vordergrund stünden praxisnahe Situationen. "Der Torhüter trainiert immer die Spielsituationen, die am Wochenende vorkommen", verrät Foletti.

Diese Prinzipien werden nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern auch im Schweizer Vereinsfußball praktiziert, wie Sion-Torhüter Heinz Lindner während der vergangenen Länderspielpause festhielt.

Die Torhüter bekommen dennoch die Möglichkeit, ihre Individualität und ihre eigenen Stärken zu entfalten. "Wenn ich einen Torhüter habe, der einen technischen Ablauf vielleicht nicht nach 'Bildfolge' umsetzt, aber dennoch effizient ist, wäre es eine Schande für mich als Torwarttrainer, das zu verändern", stellt Foletti klar. "Wenn die Effizienz vorhanden ist, darf jeder Torhüter sein, wie er ist. Als Torwarttrainer versuchen wir aber nach den gleichen Prinzipien zu arbeiten."

Philipp Köhn in der Champions League an der Stamford Bridge gegen den FC Chelsea
Foto: © GEPA

Köhns ausschlaggebender Wechsel

Die Schweizer Torhüter – von der U15 bis in die A-Nationalmannschaft – verfolge Foletti sehr intensiv. Auch wenn das vor ein paar Jahren noch einfacher gewesen sei, als alle in der Schweiz gespielt haben. Wichtig dabei: die Beziehung zu den jeweiligen Vereinen. Die Torwarttrainer vor Ort arbeiten immerhin tagtäglich mit den Spielern zusammen, so komme man an wertvolle Informationen.

Natürlich hat Foletti auch Salzburg-Torhüter Philipp Köhn, im Moment der Jüngste im Kreise der A-Nationalmannschaft, am Schirm. "Ich verfolge Philipp seit fast zehn Jahren und die Entwicklung, die er gemacht hat, ist erfreulich." Es mache Freude, so einem jungen Torhüter zuzuschauen und zu sehen, wie er wächst und auf höchster Ebene gute Leistungen abrufen kann. "Ich finde, Philipp gehört die Zukunft. Er hat, weil er der Jüngste ist, noch Zeit, um seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Er ist auf jeden Fall auf einem guten Weg."

"Damals haben wir als Verband versucht, Philipp zu überzeugen, dass dieser Schritt nach Wil eine gute Sache für seine Entwicklung sein kann, was es schlussendlich gewesen ist"

Patrick Foletti

Manche haben Köhns Leihwechsel in die zweitklassige Schweizer Challenge League zum FC Wil im Sommer 2020 vielleicht als Rückschritt bewertet. Ob Foletti dem zustimmen würde? "Definitiv nicht. Das war ausschlaggebend und entscheidend. Und die, die so eine Behauptung aufstellen, verstehen nicht viel von dem, was ein junger Torhüter braucht, um sich zu entwickeln. Die zweite Liga in der Schweiz ist für solche Profile perfekt", stellt Foletti klar.

So seien Yann Sommer (FC Vaduz, 2007/08), David von Ballmoos (FC Winterthur, 2015/16 und 2016/17) oder Roman Bürki (FC Thun und FC Schaffhausen, 2009/10) ebenfalls diesen Weg gegangen.

Deshalb habe man Köhn auch zu dem Wechsel geraten. "Damals haben wir als Verband versucht, Philipp zu überzeugen, dass dieser Schritt nach Wil eine gute Sache für seine Entwicklung sein kann, was es schlussendlich gewesen ist", so Foletti, der "seinen Torhütern" immer wieder für Ratschläge zur Seite stehe.

Im vergangenen Jahr wurde Köhn schließlich für seine guten Leistungen belohnt und durfte mit der "Nati" zur Weltmeisterschaft nach Katar reisen. "Die Konstellation damals im November mit den verschiedenen Verletzungen, die wir hatten, hat dazu geführt, dass wir mit vier Torhütern nach Katar geflogen sind." Auch für die ersten beiden Länderspiele in der EM-Qualifikation wäre Köhn im Aufgebot gestanden, aufgrund einer Verletzung konnte er die Reise allerdings nicht antreten.

Bowald über Köhn: "Im ersten Moment hatte ich Zweifel"

Einer, der ebenfalls bestens mit der Schweizer Torhüterausbildung und mit den Qualitäten Köhns vertraut ist, ist Philipp Bowald. Der Torwarttrainer des FC Wil hat sich mit 24 Jahren entschieden, seine fußballerische Laufbahn zu beenden, um einem "Spitzensport-Master" nachzugehen. Danach war der 34-Jährige in der Jugend des FC Luzern und dem Grasshopper Club Zürich als Torwarttrainer tätig. Des Weiteren coachte er die Torwarttalente der Schweizer U19, ehe er im Sommer 2020, fast zeitgleich mit Köhn, zum FC Wil kam.

"Er war in diesem 'coolen Red-Bull-Bezirk'. Alles wird einem vor die Füße gelegt, außer auf dem Platz, außer im Konkurrenzkampf."

Philipp Bowald

Bowald hat einen guten Draht zu Foletti, der "maßgeblich entscheidend für diese Torhüter- und Torhütertrainer-Entwicklung in der Schweiz" sei. Als Köhn noch im U21-Nationalteam und in Wil spielte, hatte Bowald vor allem regen Austausch mit Swen König, dem Torwarttrainer der Schweizer U21. "Er ist sozusagen der verlängerte Arm von Patrick Foletti", so Bowald, "ich lieferte ihm jedes Mal einen Matchreport mit meinen Einschätzungen plus Videos."

Dabei war Bowald anfangs nicht hundertprozentig von Köhns Qualitäten überzeugt. "Im ersten Moment hatte ich auch ein bisschen Zweifel, aufgrund der Spielpraxis, aufgrund des Weges von Philipp. Ich habe ihn einmal gesehen in einem Torhütertrainingslager vom Schweizer Verband, in dem er mir in diesem Moment nicht imponiert hatte."

Aufgrund von vielen Gesprächen mit Philipp und externen Einschätzungen sei man dann allerdings zur Überzeugung gekommen, dass ein Wechsel nach Wil die richtige Lösung sein wird – was sich am Ende auch bewahrheitete. Beim Zweitligisten war Köhn von Anfang an als Stammkeeper eingeplant, "sonst wäre er auch nie gekommen", verrät Bowald.

Genauso wie Foletti ist auch Bowald der Meinung, dass der Schritt in die zweite Liga der Schweiz genau der richtige war, um die Karriere neu zu lancieren. "Denn er war sozusagen in diesem 'coolen Red-Bull-Bezirk'. Alles wird einem vor die Füße gelegt, außer auf dem Platz, außer im Konkurrenzkampf. Und ich glaube, für die Persönlichkeitsentwicklung war das sehr entscheidend, dass er hier einen 'Step outside' machen konnte, sich darauf aber voll einlassen musste und das hat er sicherlich gemacht." Das sei die Basis gewesen, um an seinem Torhüterspiel zu arbeiten.

Philipp Köhn jubelt im Europa-League-Heimspiel gegen die AS Roma
Foto: © GEPA

Das "Einserleiberl"-Duell mit Nico Mantl

Bereits bei seiner Ankunft in der Schweiz seien die Spielintelligenz sowie das gute Spielverständnis Köhns zu sehen gewesen. Das habe man später auch in Salzburg beobachten können. "Bei ihm war es sicherlich so, dass die Konstanz zu Beginn gefehlt hat. Er war immer wieder auch ein bisschen schwankend. Da war die Praxis extrem wichtig plus die Arbeit im Detail persönlich mit ihm." Schließlich werde bei einer Nummer eins automatisch mehr in die Detailarbeit investiert als bei der Nummer zwei.

Als Köhn im Sommer 2021 nach Salzburg zurückkehrte, duellierte er sich mit Nico Mantl ums "Einserleiberl". Das habe er sich vor allem mit seinen konstanten Leistungen im zweiten Saisonabschnitt in Wil erarbeitet, denn "Philipp war eigentlich nicht mehr unbedingt auf dem Radar von Red Bull Salzburg", so Bowald. "Es wäre falsch, wenn ich gesagt hätte, er wird in den ersten Spielen im Tor stehen als Nummer eins." Immerhin haben die Roten Bullen für Nico Mantl einen Millionenbetrag auf den Tisch gelegt.

"Ich hätte nicht prognostiziert, dass er direkt die Nummer eins wird, aber dass er sich längerfristig durchsetzen kann, das definitiv", zeigt sich Bowald überzeugt. "Und es ist für mich hervorzuheben, dass er sich schlussendlich sportlich durchsetzen konnte. Das finde ich mega cool und mag ihm das gönnen. Das zeigt, dass er bereit war." So stehen Köhn und Bowald auch heute noch in Kontakt.

Für die Zukunft, auch in Hinblick auf den Konkurrenzkampf im Nationalteam, würde sich Bowald für Köhn einen Wechsel in eine Top-5-Liga wünschen. Er sei zuversichtlich, dass er im Sommer den nächsten Schritt machen könnte. "Vielleicht sogar zu einem Verein mit Europa-Ambitionen. Ich erhoffe mir das und bin überzeugt, dass er das packen kann. Und dann ist sicherlich entscheidend, dass er auf diesem Niveau konstant seine Leistungen bringt und somit seine Leistungskurve, seine Entwicklung weiter nach oben zeigt. Sonst wird es schwierig im Nationalteam."

Mit Sommer, Kobel und Omlin ist die Konkurrenz namhaft. Sollte Köhn jedoch in einer noch größeren und ausgeglicheneren Liga, in der er jedes Wochenende gefordert ist, unterkommen, "stehen ihm natürliche alle Wege offen", ist sich Bowald sicher.


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