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Sportdirektoren im Stress: "Ich hasse WhatsApp!"

Die Sportchefs der Bundesliga könnten sieben Tage die Woche 24 Stunden arbeiten, vor allem in der Transferzeit. Bei LAOLA1 geben sie Einblick in ihr Wirken:

Sportdirektoren im Stress:

Christoph Schösswendter ist mit einem seltenen "Erfolgserlebnis" ins neue Jahr gestartet.

"In unserer ersten Trainingswoche habe ich es geschafft, bei sämtlichen Mails und WhatsApps auf null zu kommen. Eigentlich ist es traurig, wenn man mit so etwas schon zufrieden ist", schmunzelt der Sportdirektor des FC Blau-Weiß Linz.

Aber: "Die Fülle an Nachrichten ist eigentlich nicht mehr zu bewältigen. Man muss für sich einen Weg finden, das richtig einzuordnen, welche Kontakte man wirklich pflegen will. LinkedIn habe ich schon aufgegeben, das ist teilweise absurd."

Der 35-Jährige beendete erst im vergangenen Sommer seine Spielerkarriere und tauschte beim Aufsteiger die Arbeit am Rasen umgehend mit dem Bürojob als Sportchef, bei dem einem ganz bestimmt nie langweilig wird.

Noch größeres Arbeitspensum als erwartet

"Mir war das Arbeitspensum vor dem Antritt dieses Jobs bewusst, es ist dann aber doch noch ein bisschen mehr gewesen als erwartet", gesteht Schösswendter.

Es ist zu einem guten Teil eine neue Manager-Generation, die in der österreichischen Bundesliga am Werk ist. Gedanken wie diese in Sachen Arbeitsbelastung sind ihnen allen nicht fremd, gleichzeitig dominiert der Spaß an der Aufgabe.

LAOLA1 hat sich bei Andreas Schicker, Markus Katzer, Manuel Ortlechner, Bernhard Seonbuchner und Co. umgehört und sich über ihre in der Transferzeit natürlich noch einmal gestiegene Workload unterhalten.

Schicker etwa war vergangene Woche in Wien beim Media Day der Bundesliga samt folgender Sportdirektoren-Konferenz. Das hieß drei bis vier Stunden ohne Gelegenheit für Telefonate.

Nachrichten auf allen Kanälen

"Dann reicht eine Rückfahrt von Wien nach Graz definitiv nicht für die Rückrufe - außer es ist ein langer Stau auf der Tangente", lacht der Geschäftsführer Sport des SK Sturm Graz.

Der 37-Jährige hat Ende Dezember geheiratet, danach war ihm immerhin ein "Flittertag" vergönnt. Dass sein Handy im Dauereinsatz ist, weiß jeder, der schon mal mehr als ein paar Minuten mit ihm verbracht hat.

"Telefonate, E-Mails, WhatsApp, SMS - die Nachrichten gehen auf mehreren Kanälen ein. Ich versuche sehr verlässlich zu sein, was die Rückrufe und Beantwortung von Telefonaten angeht. In der Hauptphase kann man schon mit 50 bis 75 Anrufen rechnen", erzählt Schicker.

Wobei das mit der Beantwortung von WhatsApps auch Grenzen hat, aber dazu später mehr.

Irgendwann müssen auch "High-Performer" schlafen

Klar ist: Wenn man nicht die Neigung zum "High-Performer" hat, ist es in einer digitalen Fußball-Welt kaum mehr möglich, als Sportchef zu reüssieren.

"Es gibt keine fixen Arbeitszeiten, das Handy wird sowieso nie abgedreht. Irgendwann muss ich aber auch schlafen. Auch wenn es oft für Unverständnis sorgt, aber ich kann nicht alle Anrufe annehmen."

Manuel Ortlechner

"Es gibt keine fixen Arbeitszeiten, das Handy wird sowieso nie abgedreht. Irgendwann muss ich aber auch schlafen. Auch wenn es oft für Unverständnis sorgt, aber ich kann nicht alle Anrufe annehmen, das ist nicht möglich", meint Manuel Ortlechner.

Der Sportdirektor der Wiener Austria ist nicht nur bei den Profis der "Veilchen" involviert, sondern auch bei Kooperationsverein Stripfing, den Young Violets und der Akademie: "Viele Mannschaften bedeuten viele interne Meetings. Es ist immer intensiv, aber ich mache es trotzdem gerne."

Den Spaß-Faktor streicht auch Markus Katzer vom Lokalrivalen Rapid hervor: "Ich habe schon als Spieler mein Hobby zum Beruf gemacht und es nie als Arbeit empfunden. So ist das jetzt auch."

Den ganzen Tag Betrieb, sieben Tage die Woche

Irgendwann, so Katzer, bekomme man ein Gefühl, was wichtig ist und was nicht, wann man bei Anrufen abhebt und wann nicht. Hier müsse man eine Balance finden:

"Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der mehrere Jahre sieben Tage die Woche und 24 Stunden arbeiten kann."

Auch wenn dies die Aufgabe vermutlich hergeben würde. Der Thematik ungefragter Angebote via WhatsApp widmen wir uns gleich noch intensiver, aber alleine diese kommen laut Katzer "Nonstop!"

"Man muss sich das so vorstellen, dass den ganzen Tag Betrieb ist, sieben Tage die Woche. Ich glaube, dass es zwischen 7 und 17 Uhr ähnlich ist wie bei vielen anderen Jobs. Aber es geht natürlich darüber hinaus. Es geht in der Früh schon los bis spät in die Nacht, und das natürlich sieben Tage die Woche."

Das Fußball-Geschäft wacht eher später auf

So etwas wie einen Dienstplan gibt es ohnehin nicht. "Das Fußball-Geschäft wacht eher später auf. Darum würde ich es als Nachmittags- oder Nachtschicht sehen. In der Früh ist weniger los, da versuche ich das Alltägliche zu erledigen", berichtet Schicker.

Natürlich ist es ein Ziel dieser Geschichte, das Arbeitspensum der Bundesliga-Sportdirektoren zu illustrieren. Gleichzeitig hat das Thema Work-Life-Balance in unserer Leistungsgesellschaft Gott sei Dank an Bedeutung gewonnen. Auch Sportchefs brauchen den notwendigen Ausgleich vom Job.

Die Rekord-Verkäufe der 12 Bundesliga-Klubs


"Ich gehe die ganze Geschichte entspannt an. Am Ende des Tages ist es die schönste Nebensache der Welt, und da sollte man mit entsprechender Freude und Energie bei der Sache sein. Vom Zeitaufwand her könnte man schon Hauptsache sagen, aber nichtsdestotrotz steht die Familie an erster Stelle", unterstreicht Bernhard Seonbuchner.

Wobei auch der Salzburg-Sportdirektor berichtet: "Es kann schon mal passieren, dass ich mehr als einen Akku pro Tag vertelefoniere."

Schnell mal die Ski auspacken

"Das Handy hängt immer an der Steckdose", bestätigt Altach-Sportdirektor Roland Kirchler und dies logischerweise nicht nur wegen externer Kommunikation.

Auch intern gibt es genügend zu besprechen, sei es mit Christoph Längle, Philipp Netzer oder Chefscout/Kaderplaner Marc-Andre Kriegl.

"Wir müssen in Altach mit Schnäppchen arbeiten und auch Märkte beobachten, die nicht unbedingt die Topmärkte sind, in denen Salzburg oder Sturm Graz fischen. Wir müssen ein gutes Auge beweisen, dürfen keine Fehler machen und scouten nach noch relativ unbekannten Spielern, die sich bei uns entsprechend entwickeln sollen."

Viel Freizeit bleibt da speziell im Jänner nicht, lediglich der Sonntag sei ab und zu frei. Wobei sich Tiroler in der Regel selbst treu bleiben: "Wenn ich freihabe, schaue ich schon, dass ich meine Ski auspacke und schnell zwei Stunden auf den Berg fahre. Am nächsten Morgen um 5 Uhr geht es dann wieder retour."

Ein Wahnsinn, was jeden Tag reinkommt

Schösswendter stellt klar: "Ich habe für mich im ersten halben Jahr gelernt, mich in gewissen Phasen auch rauszunehmen, wenn es die Zeit zulässt. Meine Frau unterstützt mich unglaublich, schaut auf die zwei Kinder. Anders wäre der Job für mich nicht möglich."

"Man kann sich das so vorstellen, dass man in Wahrheit jeden Tag eine Mannschaft kaufen könnte, so viele Angebote werden aus der ganzen Welt durchgeschickt."

Erich Korherr

Besonderen Herausforderungen in Sachen Zeitmanagement stellt sich Erich Korherr. Der Hartberger Obmann führt nebenher noch seine private Firma. Die Arbeit für den Bundesliga-Verein findet ehrenamtlich statt. Die Agenden als Sportdirektor hat inzwischen Trainer Markus Schopp übernommen, aber Korherr weiß aus eigener Erfahrung, dass gerade in der Transferzeit WhatsApp verrückt spielt:

"Es ist ein Wahnsinn, was da jeden Tag reinkommt. Man kann sich das so vorstellen, dass man in Wahrheit jeden Tag eine Mannschaft kaufen könnte, so viele Angebote werden aus der ganzen Welt durchgeschickt."

Zwar habe man in Hartberg schon mal bei proaktiv von Beratern angebotenen Spielern zugeschlagen, aber in der Regel ginge es darum, selbst gute Kontakte zu knüpfen: "Wir schauen zuerst in der Steiermark, dann in Österreich und erst wenn es sein muss im Ausland."

WhatsApps, die 1.000 andere Klubs auch kriegen

Die Bundesliga-Sportdirektoren und WhatsApp-Angebote - ein eigenes Kapitel.

"Wenn vom gleichen Absender tagtäglich zig WhatsApps kommen, schaut man sich das manchmal schon gar nicht mehr an, weil man weiß, dass 1.000 andere Klubs das auch bekommen", meint WAC-Vizepräsident Christian Puff und konkretisiert:

"Wenn mir ein Berater einen Spieler aus Kolumbien oder Brasilien schickt, schaut das am Papier nicht schlecht aus. Nur gehört halt mehr dazu. Manchmal weißt du ja nicht einmal, ob der Spieler unsere Liga und unseren Verein kennt. Es ist sicher besser, wenn man eine Vertrauensperson oder einen persönlichen Kontakt zu einem Berater hat."

So wie es der WAC etwa mit Dudu Dahan hat, der in Israel gut vernetzt ist und etwa den neuen Rekordtransfer Mohamed Bamba nach Wolfsberg gebracht hat.

"Ich hasse WhatsApp inzwischen"

Ortlechner berichtet, dass er immer an rund 100 ungelesenen WhatsApp-Nachrichten kratzt. "Ich hasse WhatsApp inzwischen", beteuert der 43-Jährige, "LinkedIn habe ich schon seit Monaten nicht mehr aufgemacht, da habe ich über 3500 offene Nachrichten. Das ist komplett bescheuert."

Für Spielerberater sei es noch nie so einfach gewesen, mit Vereinen in Kontakt zu treten: "Und es gibt inzwischen unglaublich viele Berater, ich habe sicher Hunderte in meinen Kontakten. Jeden Tag kommen Neue rein, weil jeder den besten Spieler hat, der jetzt gerade am besten helfen würde. Da musst du cool bleiben und wissen, was du willst."

"Ich habe einen dabei, bei dem habe ich es nachgezählt - der hat mir sicher über 100 Nachrichten geschrieben. Ich habe nicht ein Mal geantwortet, aber er hat trotzdem nicht aufgegeben. Er ist zumindest hartnäckig."

Andreas Schicker

Auch Kirchler spricht von Spielern, die "sinnlos" angeboten werden. Man wisse ohnehin, wer die seriösen Agenten seien, bei denen die Qualität der angebotenen Spieler auch stimmt.

"Also wird aussortiert. Die Spannenden kommen in das gute Töpfchen, die anderen ins schlechte. Und dann kann man alles noch mal durchgehen und die ganzen Spieler analysieren. Das ist viel Arbeit, die aber nicht nur bei mir liegt", so der Tiroler.

Schicker und der besonders hartnäckige Berater

Die meisten Bundesligisten setzen inzwischen ohnehin längst auf proaktives Scouting. Trotzdem bleibt das Checken angebotener Spieler mitunter nicht aus.

Es könne ja auch bei einem gewachsenen Netzwerk sein, dass man eine Hintergrund-Info nicht hat, verdeutlicht Schicker: "Darum überprüft man Spieler, wenn ich sehe, dass es in eine einigermaßen seriöse Richtung geht."

Generell scoutet Sturm aber bekanntlich lieber selbst, was diverse Berater jedoch nicht davon abhält, den Grazer Sportchef mit WhatsApps zu fluten.

"Oft kennt man nicht mal die Nummer, tagtäglich sind es fünf Neue. Ich habe einen dabei, bei dem habe ich es nachgezählt - der hat mir sicher über 100 Nachrichten geschrieben. Ich habe nicht ein Mal geantwortet, aber er hat trotzdem nicht aufgegeben. Er ist zumindest hartnäckig", lacht Schicker.

Wenn es nicht läuft, wird es richtig anstrengend

Solange man darüber lachen kann, kann es auch nicht ganz verkehrt sein. Das Wichtigste sei sowieso, dass es Spaß macht, unterstreicht Schicker:

"Das ist bei mir definitiv so. Ich analysiere diese Phasen dann auch im Rückblick und bin teilweise stolz, was gelungen ist, hinterfrage aber auch stark, was wir besser machen können."

Ist man erfolgreich, ist der Spaß-Faktor naturgemäß höher. Alexander Schneider lernt nach einer zuvor guten Phase mit Austria Lustenau gerade die Schattenseiten des Misserfolgs kennen. Selbige bescheren gleich noch mehr Arbeit:

"Meine Stunden habe ich noch nie aufgeschrieben, aber grundsätzlich ist das Pensum deutlich geringer, wenn es läuft. Da versuchst du, alle Bälle in der Luft zu halten. Wenn es nicht läuft, ploppen rechts und links viel mehr Themen auf. Da musst du dich viel mehr rechtfertigen, viel mehr interne Überzeugungsarbeit leisten, viel mehr diskutieren."

Als ob man als Sportdirektor sonst nichts zu tun hätte...


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