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Das "Jetzt" im Auge behalten

Das
Seine Zeit als aktiver Weltklasse-Springer ist schon seit einigen Jahren vorbei, doch er konnte seinem Sport nie ganz den Rücken zu kehren.

Hubert Neuper, ehemaliger Triumphator der Vierschanzentournee, engagierte sich nach seinem Karriere-Ende für die Reputation seines Sports und strebte bei der Organisation der Skiflug-Weltmeisterschaften am Kulm nach neuen Dimensionen.  

Doch nach jahrelanger Organisationstätigkeit bei den Skiflugveranstaltungen in Bad Mitterndorf, trat Neuper Ende Juli von seinem Amt überraschend zurück. Unter anderem nannte der Gründer der Stiftung World Sports Award Foundation Unstimmigkeiten mit dem österreichischen Skiverband als einen der Gründe für sein Abtreten.

Neben den unterschiedlichen Auffassungen der beiden Parteien, nagte der stressvolle Beruf auch an seinem Nervenkostüm und steuerte den Ex-Skispringer an den Rand eines Burn-Out-Syndroms.

Doch nun sind alle Querelen mit dem nationalen Skiverband ausgeräumt und Mister Kulm nimmt seine Tätigkeit als Organisator des Traditionsspringens gesundheitlich gestärkt wieder in Angriff.

Aus aktuellem Anlass seines 51. Geburtstages und der Wiederaufnahme seines neuen/alten Jobs spricht Hubert Neuper im Laola1-Interview über „sein“ Projekt,  die Auffassungsunterschiede mit dem ÖSV und der Erkrankung, die sein Denken wesentlich verändert hat.

Hubert als Triumphator der Vierschanzentournee

LAOLA1: Mittlerweile wird der Kulm auch im Sommer, durch Events wie „RedBull400“, genutzt. Nimmt man diese Initiativen, die Schanze auch im Sommer zu nutzen, positiv auf?

Hubert Neuper: Aktivitäten wie „RedBull400“ finde ich sogar sehr gut, da die Schanze belebt wird und auch im Sommer auf sich aufmerksam macht. Während wir mitten in den Vorbereitungen für den Winter stecken, ist der Kulm bereits ein Thema und das wirkt sich natürlich sehr positiv auf die Region aus.

LAOLA1: Welche Herausforderung siehst du im Projekt „Kulm“?

Neuper: Der Kulm steht für Begeisterung und Leidenschaft. Gerade in Zeiten wie diesen, wo man ständig zu jeder vollen Stunde mit negativen Informationen zugeschüttet wird, ist es ganz wichtig Oasen und Zellen für die Menschen zu schaffen. Solange ich den Kulm mache, möchte ich den Menschen Freude bereiten, wenn sie an etwas Großem und Spektakulärem teilhaben können.

LAOLA1: Klingt nach sehr viel Engagement, das hinter dieser Aufgabe steckt?

Neuper: Im Projekt Kulm steckt sehr viel Herzblut und zwar von all den Menschen, die gemeinsam mit mir organisiert und aufgebaut haben.  Es gibt viel Arbeit, doch jeder, der involviert ist, macht das mit einer großen Begeisterung. Die Anlage hat große Tradition in Österreich. Seit 1950 gibt es Skifliegen. Der Kulm ist keine Retorten-Veranstaltung, er ist über 60 Jahre gewachsen und wurde immer von Leuten getragen, die ihr Bestes gegeben haben. Es ist wichtig diese Vision und Tradition weiterzuführen.

LAOLA1: Wird es demnächst bauliche Veränderungen geben?

Neuper: Infrastrukturell wird es sicherlich Veränderungen geben. Beim Anlauf werden neue Luken gebaut, es braucht Strom und einen Kanal. Bezüglich der Vergrößerung der Schanze ist vereinbart worden, dass man sich nach der WM in Schladming zusammensetzt und ein Konzept für einen Umbau bis zur Weltmeisterschaft 2016 erstellt.

LAOLA1: Der Kulm könnte in Zukunft wieder eine große Rolle bei der Jagd nach Weltrekorden spielen. Ist dies der Hauptgedanke für die Veränderung?

Neuper: Wenn es um Rekorde geht, ist das natürlich eine noch viel interessantere Sache. Unser Augenmerk legen wir darauf, dass der Wettbewerb an Spannung nicht zu übertreffen ist. Perfekt wäre es natürlich, wenn zehn bis 15 Leute, die Möglichkeit haben einzugreifen und diesen Weltcup gewinnen könnten. An dem werden wir uns messen. Wenn Regeln eingehalten werden, die Möglichkeiten sich ergeben und auch die Finanzierung gegeben ist, sind wir natürlich Rekorden und einem Ausbau nicht abgeneigt.

LAOLA1: Birgt ein Umbau und somit größere Weiten mehr Gefahr für die Sportler?

Neuper: Bei allem was wir machen ist Risiko dabei. Aufgrund der Tatsache, dass die Athleten perfekt vorbereitet sind und sich das Material in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat, gehen die Springer ein kalkulierbares Risiko ein, bei welchem die Distanz 280 bis 300 Meter völlig bedeutungslos ist. Es ist einfach eine Verlängerung des Fluges. Das Risiko ist so kalkulierbar, dass man nicht auf Kosten anderer, ein paar Leute in den Krieg schickt und diese sich dadurch verletzen.

Ego an die kurze Leine nehmen

LAOLA1: Du bist im Juli wegen Auffassungsunterschiede zurückgetreten, gibt es heute eine Einigung? Worin lag das Haupt-Problem, was war der Haupt-Diskussionspunkt?

Neuper: Faktum ist es gibt eine Einigung. Man muss auch keinen Hehl daraus machen, dass der österreichische Skiverband den Kulm günstiger machen wollte. Das war seit 1996 meine Absicht, doch die Tatsache, dass der Kulm infrastrukturelle Probleme hat, hätte  eine Vergünstigung des Budgets nicht erlaubt.

 In weiterer Folge hat man mir zu starke Selbstdarstellung unterstellt. Ich bin eine Person des öffentlichen Lebens, bin mehr oder weniger bekannt und tu mir wesentlich leichter Dinge in meinem Namen zu promoten und voranzutreiben. Ich habe diesen Wert für eine Sache eingesetzt, die nicht einmal mir gehört.  Diese Situation wurde falsch verstanden und die Parameter haben nicht mehr gestimmt. Deshalb bin ich auch zurückgetreten.

In späterer Folge, hat man mich dann wieder zu Gesprächen eingeladen, die sehr konstruktiv waren. Wir sind draufgekommen, dass manche Dinge von beiden Seiten  falsch verstanden und gesehen wurden.

Meine Befriedigung habe ich dadurch erlangt, dass der ÖSV klar verdeutlicht hat, dass ihnen der Kulm als seine Veranstaltung gleich wichtig ist wie Kitzbühel. Das war für mich die zentrale Aussage. Der Kulm ist eine Flaggschiff-Veranstaltung des österreichischen Skiverbandes, bei welcher der ÖSV Tausende von Menschen vor Ort und Millionen Menschen über die  Fernsehschirme begeistern kann.

LAOLA1: Zwischen dir und dem ÖSV gibt es bereits ein mündliches Abkommen, gilt dieses bis zur Ski-WM 2016?

Neuper: Sofern diese Bedingungen, die daran geknüpft sind umgesetzt werden können, ist es meine Absicht bis zur Schiflug WM 2016 weiterzumachen.

LAOLA1: Gehst du, nach allem was du erlebt hast, anders mit Kritik, negativen Einflüssen und Besserwissern, um?

Neuper: 2003 bin ich total ausgebrannt. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich sehr viel mit dem Leben beschäftigen müssen. Ein wesentlicher Teil, den ich gelernt habe, ist, dass wir danach trachten sollten, unser Ego an eine kurze Leine zu nehmen. Jeder hat das Recht über dich zu reden was er will. Wenn das Gesagte schlecht ist, ist es mein gutes Recht nachzufragen warum. Das versuche ich auch in meinem Leben jetzt umzusetzen.

LAOLA1: Immer öfter kommt es vor, dass Sportler an Burn-Out leiden. Trauen sich mehr Sportler darüber zu reden oder wird ihnen durch prominente Fälle die Gefahr mehr bewusst?

Neuper: Ich kann mir nicht vorstellen, wenn ich ein klar definiertes Ziel habe, ein Burn-Out zu kriegen. Meines Erachtens, ist Burn-Out eine völlig falsche Geisteshaltung. Das Problem, das Sportler oder wir Menschen generell haben, wir jagen Werten nach, die generell keinerlei Bedeutung in unserem Leben haben. Es wird uns so suggeriert und unser Ego redet uns immer wieder ein, dass diese Dinge Bedeutung haben. Das bringt uns ständig unter geistigen Druck und zwingt uns voraus zu denken. Dieses Denken nimmt uns die fantastische Zeit im Jetzt. Damit gehen wir völlig am Leben vorbei. Ein Problem ist auch, dass wir nicht mit der Niederlage umgehen können. Die Niederlage ist mit dem gleichen Respekt zu ertragen wie der Sieg. Wenn man das gelernt hat, dann kommt man viel mehr in seine seelische Mitte.

LAOLA1: Du bist sehr vielseitig und engagierst dich in vielen Projekten. Wie suchst du dir die Projekte aus, für die du dich einsetzt?

Neuper: Es gibt zwei Ansätze. Zum einen gibt es eine Kür, dazu zählt der Kulm. Dann gibt es Dinge, die man tun muss, um zu überleben. Unser Leben ist auf materielle Dinge ausgerichtet. Es gibt oft Dinge, die man sich nicht aussuchen kann, sondern rational bewerten muss. Ich bin privilegiert, denn das, was ich im Winter machen muss, interessiert mich und ist meine Leidenschaft. Wenn ich von Vornherein spüre, es ist falsch und mir mein Bauch und meine Seele „nein“sagt, werde ich es für kein Geld der Welt machen.

LAOLA1: Wie viel traust du dir persönlich zu und wofür engagierst du dich am liebsten?

Neuper: Ich muss das, was ich mache, leben können. Ich brauche Inspiration, es muss sich etwas bewegen. Es wäre unmöglich für mich in einem Konzern mit Regeln zu arbeiten. Es ist sicherlich nicht leicht mit mir, weil ich mich nicht verstellen will. Ich habe mich früher verbogen, das hat so derartig zu einem massiven Desaster in meinem Leben geführt, dass ich bevor ich mich wieder verstelle, lieber gehen würde. Es gibt nur einen richtigen Weg und das ist dein eigener, von dem sollte man sich nicht abbringen lassen.

Ich möchte intuitiv, positiv durchs Leben gehen

LAOLA1: Du feierst deinen 51. Geburtstag, woher nimmst du deine Energie, deinen Intuitionen zu folgen?

Neuper: Meine Energie schöpfe ich daraus, dass ich einen positiven Zugang zum Leben habe. Ich lasse mich nicht von negativen äußeren Einflüssen abschrecken und nehme das Leben in meine Hand. Ich lese keine Zeitung mehr, um der negativen Berichterstattung aus dem Weg zu gehen und bekomme somit alles gefiltert mit.

Man sollte immer „Das Jetzt“ im Auge behalten. Du beeinflusst jetzt, mit dem, was du tust deine Zukunft gut oder schlecht. Meine Inspiration ist es, das Leben so zu nehmen wie es ist. Es gibt Höhen und Tiefen, aber man sollte sich beidem mit der gleichen Courage stellen. Oft, wenn wir Niederlagen einstecken müssen, hängen wir uns daran auf und schmelzen in Selbstmittleid dahin.

LAOLA1: Was sind deine Wünsche für die Zukunft?

Neuper: Ich möchte intuitiv, positiv durchs Leben gehen. Damit verbunden ist, dass ich mich mit Dingen auseinandersetze, die diesen Positivismus mit sich bringen.

Das Gespräch führte Patricia Kaiser