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"Sport und Erfolg haben einen anderen Stellenwert"

Mario Stecher wollte ja eigentlich gar nicht wirklich. Er musste fast dazu gezwungen werden.

Aber wer schlägt schon das Angebot aus, just in Innsbruck, bei der prestigeträchtigen Vierschanzen-Tournee, sein Weltcup-Debüt feiern zu dürfen.

Stecher? Ist das nicht der Kombinierer? Österreichs zweiterfolgreichster nach Felix Gottwald?

Ja, ist er. Mittlerweile. Aber eben erst seit seinem Auftritt in Innsbruck.

Tournee als Aha-Erlebnis

Der endete nämlich damals, am 4. Jänner 1993, für den 15-jährigen Stecher so enttäuschend, dass seine Entscheidung danach feststand.

Er wollte kein Spezialspringer werden. Er wollte zu den Kombinierern. Platz 41 am Bergisel war nur die Bestätigung dafür, was er ohnehin schon immer fühlte.

„Bis heute gefällt mir die Herausforderung, diese beiden Sportarten möglichst perfekt auf einen Nenner zu bringen“, beschreibt Stecher seine Liebe zur Kombi.

Premieren-Sieg mit 16

Und sein Wechsel sollte sich schon wenig später bezahlt machen.

Nur ein Jahr nach seinem Skisprung-Debüt feierte er am Holmenkollen seinen ersten Kombinations-Sieg. Mit gerade einmal 16 Jahren!

„Damals bist du einfach nur dabei gewesen, hattest nichts zu verlieren, warst unbekümmert. Da war es schon lässig, mit den Großen mitzumachen.“

Mittlerweile ist der Eisenerzer selbst ein Großer. Und eine absolute Größe.

„Sport und Erfolg haben einen anderen Stellenwert“

Zwölf Weltcup-Siege, drei Olympia-, fünf WM-Medaillen, dazu unzählige Top-Platzierungen pflastern seine außergewöhnliche Karriere.

Aber die nackten Fakten sind Stecher nicht mehr das Wichtigste. Mit der Geburt seiner zwei Söhne David und Luis haben sich beim 34-Jährigen die Prioritäten verschoben.

„Der Sport und auch der Erfolg haben einen anderen Stellenwert. Primär ist mir wichtig, dass es der Familie gut geht. Es ist enorm wertvoll, dass ich in ein tolles Umfeld zurückkehren kann. Zuhause ist es egal, ob ich am Wochenende Erster oder Letzter geworden bin – meine Familie empfängt mich immer gleich.“

Comeback nach Knie-OP

Seine Familie war es auch, die dem ÖSV-Routinier immer wieder den Rücken stärkte. Gerade dann, wenn es mal nicht so lief.

So wie zuletzt, als ihn eine Knie-Operation fast die gesamte Sommer-Vorbereitung kostete. Mit eisernem Willen kämpfte sich Stecher jedoch wieder zurück. Motivationsprobleme sind ihm fremd.

„Es wäre vermessen, zu behaupten, dass die Jahre nicht an einem zehren. Aber es macht immer noch gleich viel, wenn nicht sogar noch mehr Spaß wie früher. Du fieberst im Alter noch mehr der Saison entgegen, weil du weißt, um was es geht.“

Und für Stecher geht es um einiges.

Kombi wieder aufgewertet

Der Gesamtweltcup hat es ihm nämlich angetan. Eine Trophäe, die nach der Aufstockung des Weltcup-Kalenders wieder an Wert gewonnen hat.

13 verschiedene Weltcup-Orte tragen 24 Einzelbewerbe aus und lassen die wenig glorreiche Vorsaison (nur sieben Stationen und 13 Bewerbe) fast vergessen.

„Mit Lasse Ottesen (neuer Kombi-Koordinator, Anm.) hat sich schon einiges getan. Es ist wichtig, dass wir auf Jahre gesehen einen interessanten Kalender haben. Wenn es viele Bewerbe gibt, profitieren alle davon: Wir, die Fans, die Medien und die Sponsoren. Gemeinsam muss man sich wieder raufhanteln“, hofft Stecher auf weitere Impulse.

Kein Nachwuchsproblem, kein Karriere-Ende

Impulse erhofft und erwartet sich der zweifache Familienvater auch vom ÖSV-Nachwuchs.

Denn Aushängeschilder wie er, Bieler oder Kreiner haben die 30er-Marke schon überschritten, werden also nicht mehr allzu lang die Kastanien aus dem Feuer holen.

„Wenn ich auf unsere jungen Athleten schaue, glaube ich nicht, dass wir ein Nachwuchsproblem haben. Wir hatten vielleicht dazwischen nicht so viele, aber jetzt kommt schon einiges nach. Mario Seidl wurde ja beispielsweise österreichischer Meister – das sagt schon etwas aus. Ich hoffe, dass sie in zwei, drei Jahren in der Weltspitze mitmischen können.“

So lange wird man womöglich auch Stecher noch am Bakken und auf der Loipe sehen.

„Ich lasse alles auf mich zukommen und kann nicht sagen, ob das meine letzte Saison sein wird. Ich möchte meinen Sport so lange ausüben, wie ich Spaß habe und erfolgreich sein kann.“

Kurt Vierthaler