news

"Gewinnen war normal, verlieren war scheiße"

Sieben Gesamtweltcupsiege, 19 Disziplinen-Weltcups, zahlreiche WM- und Olympia-Medaillen.

Die Zeit von Andreas Evers ist gepflastert von Erfolg. Der Salzburger war lange Jahre Teil des erfolgreichsten Teams, das der ÖSV je hatte.

War, denn seit 1. April ist er Ex-Mitarbeiter des Österreichischen Ski-Verbands. Zunächst dachten wohl viele – auch wir bei LAOLA1 - an einen April-Scherz. Dem ist aber nicht so. Vielmehr sucht Evers nach insgesamt 17 Jahren im ÖSV eine neue Herausforderung.

Warum, erklärt er im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Der Abschied kommt doch überraschend. Zunächst haben viele an einen Aprilscherz vom Verband gedacht. Warum erfolgt dieser Schritt?

Andreas Evers: Die Entscheidung ist mir sehr, sehr schwer gefallen. Mein Herz hängt an meinen Athleten, die ich betreut habe. Es war aber immer ein Ziel von mir, einmal im Ausland - speziell im englischsprachigen - zu arbeiten. Bevor ich vor 17 Jahren beim ÖSV angefangen habe, habe ich schon Visum und Vertrag gehabt - und habe es dann nicht gemacht. Jetzt hat es sich ergeben. Nach langem Überlegen habe ich mich entschieden und gesagt: Wenn ich es jetzt nicht mache, dann mache ich es nie mehr.

LAOLA1: Sind auch die Ziele beim ÖSV nach den vielen Erfolgen ausgegangen?

Evers: Natürlich spielt das auch mit. Es waren viele Kugeln und Medaillen, wo ich dabei sein durfte. Wenn du in dem Geschäft bist, dann willst du aber immer gewinnen. Ganz egal, was du schon alles gewonnen hast. Sonst brauchst du das gar nicht machen. Für mich ist eine neue Herausforderung wichtig, auch für meine Persönlichkeits-Entwicklung. Nach 17 Jahren ist man in einem gewissen Trott drinnen.

LAOLA1: Ein Schritt raus aus der Komfortzone?

Evers: Ja, doch. Aber es war immer großer Druck da. Ich konnte ja nur verlieren. Gewinnen war normal, verlieren war scheiße.

LAOLA1: Du warst in einer Zeit tätig, wo Dreifach-Siege normal und alles darunter schon Niederlagen waren. Denkt man sich manchmal, dass die Relation verloren gegangen ist und die Wertschätzung fehlt?

Evers: Auf jeden Fall. Es waren außergewöhnliche Zeiten. Danach ist man lange an diesen Erfolgen gemessen worden. Mittlerweile hat sich das wieder eingespielt. Man ist draufgekommen, dass es ein Weltcup und keine österreichische Meisterschaft ist. Als Trainer oder Athlet weißt du aber, was da alles dranhängt. Da schmerzt es schon, wenn man weiß, was man investiert. Man kann es dann oft nicht nachvollziehen, was da öffentlich gesagt wird. Es war ja auch eine Geringschätzung der Konkurrenz, die auch hart arbeitet.

LAOLA1: Bei einem Rückblick auf 17 Jahre im ÖSV: Was war die größte Herausforderung?

Evers: Da kann man nicht etwas speziell herauspicken. Die Anfangszeit mit Hermann war ein riesengroße Herausforderung. Auch spannend, weil ich selber frisch dabei war. Danach die Gruppe mit Benni (Raich) und Mario (Matt), den ich ja drei Jahre gehabt habe, auch als er in Are Slalom-Weltmeister wurde. Es sind viele verschiedene Persönlichkeiten und Herausforderungen. Auch mit Michi Walchhofer, den ich schon aus Europacup-Zeiten gekannt und die längste Zeit trainiert habe. Die Kristallkugel mit dem Klaus (Kröll) war nochmal etwas Besonderes, weil uns das eigentlich keiner zugetraut hat.

LAOLA1: Im Jahr 1 nach Walchhofer gleich die Kugel zu holen…

Evers: Eigentlich hat jeder gesagt, dass wir auf Jahre hin verschwinden werden. Im Endeffekt hatten wir am Ende der Saison die stärkste Mannschaft und die Kugel. Wir haben junge Leute herangeführt, die großes Potenzial nach vorne haben. Daher gehe ich auch mit einem guten Gefühl weg und kann sagen: Ich hinterlasse wirklich etwas.

LAOLA1: Maier, Raich, Walchhofer, Matt, Kröll – die Liste der „Kaliber“, die du betreut hast, ist lang. Jetzt wartet Bode Miller. Sicherlich eine Herausforderung?

Evers: Ja, das wird sicher eine Herausforderung sein. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie wir die Trainingsgruppen und Strukturen genau zusammensetzen. In erster Linie habe ich die Abfahrtsgruppe, wo das Ziel ist, dass wir die wieder an die Spitze heranführen. Außer Miller ist da keiner in den Top 30 drin. Das Ziel ist, da wieder eine Mannschaft zu bekommen, die vorne mitfährt. Aber natürlich ist Miller zu betreuen, der im Moment der einzige ist, der um Siege mitfährt.

LAOLA1: Wie ist das Projekt ausgelegt? Gibt es so etwas wie einen Zeitrahmen?

Evers: Da ist noch nichts definiert. Sinn macht sicherlich, das mal auf zwei, drei Jahre auszulegen. Mit Olympia und der WM in Beaver Creek. Über diesen Zeitraum etwas aufzubauen, ist ein Ziel von mir. Damit wir uns dann mit meinen "alten Jungs" matchen können. Natürlich wird auch bei denen mein Herz dabei sein und ich werde ein Auge drauf haben.

LAOLA1: Hat bei der Entscheidungsfindung die Tatsache mitgespielt, dass der US-Verband einen Trainings-Stützpunkt in Sölden hat?

Evers: Das war mir eigentlich egal. Ich werde die eine oder andere Woche mehr in Amerika sein. Aber ansonsten spielt sich mehr oder weniger alles in Europa ab. Einen Stützpunkt wie in Sölden zu haben, ist aber gut. Man weiß, dass man gern gesehen ist und Trainingsbedingungen vorfindet.

LAOLA1: Bei der Suche nach einem Nachfolger für Toni Giger wurdest du auch gehandelt, bevor Mathias Berthold neuer Cheftrainer wurde. Ist das für die Zukunft eine Option für dich?

Evers: Sag niemals nie. Man muss schauen, wie erfolgreich ich da drüben arbeiten werde. Dann kann es durchaus sein, dass sich die Wege irgendwann wieder kreuzen. Es ist nicht auszuschließen und durchaus auch ein Ziel von mir. Aber jetzt liegt der Fokus ganz klar auf der neuen Aufgabe. Das ist eine große Herausforderung für mich.

LAOLA1: Wo liegt denn der große Unterschied zwischen Cheftrainer und Gruppentrainer?

Evers: Der Cheftrainer ist ein Manager, ein Organisator. Der Gruppentrainer arbeitet direkt mit den Athleten und versucht die zu entwickeln. Der Cheftrainer ist nicht mehr ein echter Trainer, eher wie ein Manager im Fußball. So wie etwa früher der Hoeneß bei Bayern.  Natürlich macht er sich ein Bild über die Gruppen und wie er die zusammenstellt. Aber die Arbeit am Mann machen die Trainer in der Gruppe. Der Cheftrainer koordiniert von oben bis unten.

Das Gespräch führte Philipp Bachtik