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"Azarenka kann schnell ein Superstar werden"

Während sich bei den Herren bei jeden Grand-Slam-Turnier die drei üblichen Verdächtigen um den Titel streiten, konnten sich auf der WTA-Tour in den letzten Jahren keine Spielerinnen konstant an der Spitze halten.

"Das ist schon erstaunlich", gibt Judith Wiesner-Floimair, eine der besten österreichischen Tennis-Damen aller Zeiten, im LAOLA1-Interview zu.

Die 46-jährige Salzburgerin ist sich dabei auch der schlechteren Vermarktungsmöglichkeiten bewusst. "Die WTA hätte das sicher lieber anders. Früher konnte man die Stars mit ihrem Vornamen verkaufen."

Außerdem spricht die ehemalige Nummer zwölf der Welt und aktuelle Turnier-Botschafterin des "Nürnberger Gastein Ladies" über die aktuelle Situation von Paszek & Co., Probleme in der Nachwuchsförderung und die Pläne von Neo-Präsident Ronnie Leitgeb.

LAOLA1: Der Regen zehrte in Bad Gastein zu Turnier-Start sowohl den Fans, den Spielern als auch den Organisatoren an den Nerven. Wie geht man damit um?

Judith Wiesner-Floimair: Es regnet schon seit Samstag und wir konnten leider nur ganz wenige Partien durchspielen. Ich finde es erstaunlich, dass die Plätze diese Bedingungen so gut verkraften. Freiluftsport ist halt immer ein Risiko.

LAOLA1: Am Wetter kann man nichts ändern. Tennis ist allerdings auch durch das Regelwerk oft nur schwer planbar. Bedürfen einige Regeln einer Modernisierung so wie es schon im Doppelbewerb vorgenommen wurde? Stichworte wären hier „No-Ad“ und das „Champions Tiebreak“.

Wiesner-Floimair: Über so etwas haben wir schon gesprochen, als ich noch im WTA-Board gesessen bin. Grundsätzlich bin ich solchen Änderungen nicht abgeneigt. Man muss aber darauf achten, dass man nicht die Grundlagen des Sports verfälscht. Tradition ist schon wichtig. Man sieht in Wimbledon, dass es auch nach 150 Jahren noch einen Wert hat, wenn man nichts ändert. Wenn man zu viel ändert, sind wir plötzlich im Bereich des Fun-Sports. An den klassischen Sportarten sollte man aber nicht zu viel verändern. Die „No-Ad“-Regelung finde ich zum Beispiel nicht so gut.

LAOLA1: Im Damen-Tennis wird seit einigen Jahren über die fehlenden Stars gejammert. Hilft der Sieg von Maria Sharapova bei den French Open?

Wiesner-Floimair: Sie hat es sich auf alle Fälle verdient. Derzeit ist sie die besten Spielerin. In der Öffentlichkeit hat eine Sharapova sicherlich eine größere Aufmerksamkeit. Auch eine Azarenka kann aber schnell ein Superstar werden, wenn sie einmal vier Grand-Slam-Turniere gewonnen hat. Das ergibt sich dann von selbst und kann sich jede selbst erarbeiten.

LAOLA1: Aktuell ist es allerdings so, dass es bei fast jedem Grand-Slam-Turnier ein neues Siegergesicht gibt.

Wiesner-Floimair: Das ist schon erstaunlich. Auch die Nummer eins hat in den letzten Jahren sehr oft gewechselt. Das früher alles sehr stabil und einbetoniert auf einzelne Leute. Insgesamt ist das Niveau ausgeglichener. Heutzutage sind die Damen von der ersten Runde weg gefordert. Früher musste sich die Stars erst ab dem Viertelfinale richtig anstrengen. Dadurch gibt es mehr Überraschungen. Das muss aber kein Nachteil sein. Das spricht für das höhere Niveau im Damen-Tennis.

LAOLA1: Für die WTA ist es nun aber schwieriger, einzelne Stars zu verkaufen.

Wiesner-Floimair: Die Tour hätte es sicher lieber anders. Früher konnte man die Stars mit ihrem Vornamen verkaufen. Steffi, Gabi, Arantxa – da hat jeder gewusst, um wen es sich handelt.

LAOLA1: Die österreichische Situation ist derzeit leider auch nicht rosig. Tamira Paszek hat als unsere aktuell beste Spielerin in dieser Saison nur zwei Partien gewonnen. Was läuft da falsch?

Wiesner-Floimair: Sie hat derzeit wirklich eine sehr schwache Phase. In Wimbledon hat sie zudem sehr viel zu verteidigen. Warum es so schlecht läuft, kann ich aber leider auch nicht sagen. Ich verfolge ihre Ergebnisse auch nur aus der Distanz. Patricia Mayr-Achleitner spielt derzeit dafür sehr gut und bissig. Gegen Jankovic hätte es in Paris beinahe zur Überraschung gereicht. Wenn da einmal der Knopf aufgeht, kann sie schnell einen Sprung nach vorne machen. Sie ist ein Kämpfertyp. Bei Sybille Bammer haben auch nicht viele Leute an einen Sprung in die Top 20 geglaubt.

LAOLA1: Warum gibt es im österreichischen Damen-Tennis so wenig Nachwuchsspielerinnen?

Wiesner-Floimair: Österreich ist nun mal ein kleines Land. Da kann jahrelang nichts passieren und plötzlich gibt es einen Schub. Nach meiner Generation waren relativ viele Spielerinnen, danach gab es eine Lücke. So etwas kannst du vielleicht in China planen aber nicht in Österreich.

LAOLA1: Ist in so einer Situation nicht auch der Verband gefordert?

Wiesner-Floimair: Verbessern kann man natürlich immer etwas. In Deutschland wird jetzt viel darüber gesprochen, dass der Landesverband Schleswig-Holstein so toll arbeitet, weil jetzt zufällig drei von dort nachgekommen sind. Jede Spielerin ist aber eine eigene Geschichte. Selbst wenn du viel Geld zur Verfügung hast wie in England, ist es noch keine Garantie, dass eine Spitzenspielerin nackommt.

LAOLA1: Kann der neue ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb trotzdem etwas in dieser Richtung bewegen?

Wiesner-Floimair: Er ist zumindest sehr engagiert und haut sich voll rein. Man kann es nur begrüßen, dass ein Mann mit seiner Expertise diesen Job macht und wirklich etwas ändern will. Es ist schon schön zu sehen, wenn er mit den Leuten redet und auch zu den Grand-Slam-Turnieren fährt. Das hat vorher ja noch nie ein Präsident gemacht. Diese Basic-Sachen hat er einfach intus. Er opfert seine Freizeit, obwohl er es sich auf einfach gut gehen lassen könnte Wahrscheinlich können wir aber erst in ein paar Jahren beurteilen, ob es etwas bringt.

LAOLA1: Was sagst du zu seiner Idee mit der Trainer-Lizenzierung?

Wiesner-Floimair: Es ist schon wichtig, dass der erste Trainer eines Kindes genau weiß, wie man richtig Tennis spielt. Man muss sich sicherlich auch an internationalen Standards orientieren, damit man auf dem Laufenden bleibt. Zu meiner Zeit wurde den Jugendlichen noch der Vorhand-Einheitsgriff gelehrt, obwohl die ganze Welt schon mit Spin gespielt hat. Die Ausbildung der Trainer ist also schon wichtig.

LAOLA1: Leitgeb will auch frühere Stars in den Verband einbinden. Bist du da auch involviert?

Wiesner-Floimair: Ich habe mit Ronnie in Paris ein bisschen drüber gesprochen. Wirklich konkret sind wir aber nicht geworden. Grundsätzlich kann ich es nur begrüßen, wenn er alle einbeziehen will, denn sonst steht er irgendwann alleine da.

Das Gespräch führte Christian Frühwald