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Muster: "Eigentlich habe ich den Rasenplatz geliebt!"

Muster:

Thomas Muster ist ein viel beschäftigter Mann. Obwohl er das Racket an den Nagel gehängt hat und nur noch das eine oder andere Show-Match spielt.

Aber auch als Jung-Papa und Turnier-Botschafter der Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle gibt es viel zu tun.

Und natürlich macht sich die ehemalige Nummer 1 der Welt auch Gedanken über den Status Quo des heimischen Tennis - nämlich im LAOLA1-Interview.

Ein Gespräch über Jürgen Melzer und dessen Probleme beim Kratzen der Kurve, Wimbledon und Roger Federer und Paris und Rafael Nadal.

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LAOLA1:
Herr Muster, wie groß ist der Gusto auf Erdbeeren mit Schlag dieser Tage?

Thomas Muster (lacht): Wimbledon war nie so mein Ding, obwohl ich den Rasenplatz eigentlich liebe. Aber beim Grand Slam hat es für mich leider nie gepasst. Zu meiner Zeit wurden ein anderer Belag, andere Bälle und vor allem ein anderes Tennis gespielt. Das hat mir nicht ins Konzept gepasst, aber das wird Wimbledon wurscht sein.

LAOLA1: Paris, Wimbledon, dann kehren die Asse bei Olympia wieder auf den "heiligen Rasen" zurück. Tennis-Herz, was willst du mehr?

Muster: Es geht jetzt wirklich Schlag auf Schlag. Erst die beiden Grand-Slam-Turniere, dann die Olympischen Spiele. Und dazwischen noch die Fußball-EURO. 2012 ist wirklich ein unglaubliches Sport-Jahr, was für mich persönlich auch sehr toll ist. Vor allem auf die Olympischen Spiele freue ich mich schon, denn ich werde selbst vor Ort sein und mir einige Events anschauen.

LAOLA1: Und als Botschafter für die Erste Bank Open auch Gespräche mit dem einen oder anderen Star führen, um ihn nach Wien zu locken?

Muster: Um die Spieler kümmern sich Veranstalter Herwig Straka und die Sponsoren. Denn es ist immer eine budgetäre Frage, welche Spieler man sich leisten kann, damit es sich auch wirtschaftlich noch rechnet.

LAOLA1: Viele Tennisfans meinen, dass Wien wieder einmal einen großen Namen, also einen Nadal, Djokovic oder Federer braucht?

Muster: Klar, Tennis muss Unterhaltung sein. Und wir alle würden uns wünschen die Besten der Besten unter das Dach der Stadthalle zu bringen. Aber das würde ein utopisches Budget brauchen, dazu sind wir nicht in der Lage. Aus meiner Sicht war das Feld vom letzten Jahr sehr gut. Das Finale Del Potro gegen Tsonga könnte heute genauso gut ein Halbfinale bei den French Open sein.

LAOLA1: Roger Federer spielt zur gleichen Zeit in Basel. Davor hat er in Wimbledon die Chance, noch einmal ein Grand-Slam-Turnier oder Olympia-Gold zu gewinnen. Was trauen Sie ihm zu?

Muster: Ich habe immer gesagt, dass er zumindest noch ein Grand Slam in den Beinen hat. Sandplatz ist nicht seines, aber er hat sich in Paris sehr, sehr stark präsentiert. Das lässt für Wimbledon und auch für Olympia hoffen, da hat er sicher die größten Chancen. Aber ich weiß nicht, ob er noch das Zeug hat, um an Rafael Nadal und Novak Djokovic vorbeizuziehen. Die haben doch eine unerreichte Klasse. Auf der anderen Seite ist einem Roger Federer immer alles zuzutrauen.

LAOLA1: Sie waren in Paris und haben dort auch den Rekord-Sieg von Rafael Nadal miterlebt. Was sagt der ehemalige French-Open-Sieger über seinen Nachfolger?

Muster: Nadal war fantastisch. Es ist unglaublich, ja phänomenal, was er mit seinen 26 Jahren schon gewonnen hat. Auf Sand ist er in seiner ganz eigenen Liga. Aber ich habe in der zweiten Woche einige tolle Matches gesehen, da waren wirklich unglaubliche Kämpfe dabei. Da fühlt man sich als ehemaliger Spieler immer noch hinein.

LAOLA1: Können Sie sich auch in Jürgen Melzer hineinversetzen, der nach seinem „Burn-Out“ einen Neuanfang mit neuem Betreuerteam macht. Kriegt er noch einmal die Kurve?

Muster: Jürgen hat in dem einen Jahr, in dem er in den Top-Ten war, sehr viel erreicht. Aber es ist die Frage, ob das jedes Jahr für ihn wiederholbar ist. Ich habe immer gesagt, dass er das Potenzial für die Top-Ten hat, aber grundsätzlich würde ich ihn irgendwo im Bereich zwischen Rang 10 und 25 ansiedeln.

LAOLA1: Aktuell steht Melzer in der Weltrangliste auf Rang 35. Was ist da schief gelaufen?

Muster: Er hat viele Möglichkeiten, aber auch seine Schwächen. Und mit 30 ist er in einem Alter, in dem es nicht mehr so leicht von der Hand läuft. Dazu kommt, dass er erst sehr spät zur Höchstform und zu seinem besten Tennis gefunden und einige Möglichkeiten früh in seiner Karriere liegen gelassen hat. Jetzt, wo er wüsste, wie es geht, läuft ihm irgendwie die Zeit davon.

LAOLA1: Wo kann die Reise für ihn noch hingehen?

Muster: Zwei, drei gute Jahre hat er sicher noch, in denen er sich vor allem auch im Doppel an der Spitze halten kann. Der Titel in Memphis hat ihm viel Druck weggenommen, sonst wäre er in der Weltrangliste nicht so weit vorne. Jetzt muss er nicht viele Punkte verteidigen, mit ein, zwei guten Turnieren könnte er wieder in die Top-20 zurückkehren. Wenn er wieder Selbstvertrauen kriegt, kann es auch wieder relativ schnell nach oben gehen. Aber das muss er sich erarbeiten.

LAOLA1: Sie sprechen den Doppel-Spieler Jürgen Melzer an. Ist Österreich heute eine Doppel-Nation?

Muster: Früher hatten wir nie Doppel-Spieler, jetzt haben wir gleich mehrere starke Doppel und Varianten. Für das Daviscup-Team ist das sehr wichtig, aber wir brauchen natürlich auch starke Einzelspieler. Und da ist es sehr, sehr schwierig zur Zeit. Wir haben Haider-Maurer und ein paar Spieler auf Challenger-Ebene.

LAOLA1: Danach kommt relativ wenig, oder?

Muster: Es war erschreckend für mich, dass wir im Junioren-Bewerb der French Open in der zweiten Woche kein österreichisches Gesicht mehr dabei hatten. Da muss man im ÖTV ansetzen. Breitensport, Jugendarbeit, Trainerausbildung, nur über diese Schiene wird  man es schaffen, um ein Konzept über Jahre zu tragen. Auch wenn sich der Erfolg sicher nicht gleich einstellt.

LAOLA1: Schaut man sich die Breitensport-Zahlen an, so mischt Tennis nach wie vor ganz vorne mit. Trotz neuer Sportarten, veränderter Bedürfnisse und obwohl der sportliche Erfolg an der Spitze ausbleibt. Oder braucht es den gar nicht?

Muster: Der Breitensport ist als Basis sehr wichtig. Die Klubs müssen funktionieren, nur wenn das Gefüge funktioniert, werden auch wieder Kinder mit dem Tennis beginnen. Ich mache mir um den Sport keine Sorgen, der wird nie sterben. Tennis gibt es schon so lange und wird es auch noch lange geben. Es ist ein Weltsport, der überall akzeptiert wird. Die große Frage ist, wie wir es schaffen wieder vorne dabei zu sein.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Stephan Schwabl

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