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"EM-Titel ist nur ein Punkt auf einem langen Weg"

Europameister!

Für viele Sportler ist dies das erfolgreiche Ende eines langen, entbehrungsvollen Wegs. Ein Karriere-Highlight, das nur mehr schwer zu toppen ist.

Im Tennis sieht das anders aus. Und damit auch für Lucas Miedler.

Der 16-jährige Niederösterreicher kürte sich Ende Juli in Moskau zum U16-Europameister.

Seitdem ist auch einer breiteren Öffentlichkeit bewusst, warum Miedler nach Dominic Thiem als derzeit heißestes Eisen im rot-weiß-roten Tennis-Nachwuchs gilt.

LAOLA1 besuchte die rot-weiß-rote Tennis-Hoffnung in seiner Heimatgemeinde in Muckendorf.

In dem 1300-Seelen-Gemeinde in der Nähe von Tulln hat er im Leistungszentrum der Tennis-Schule "Norbert Richter" auch seine Trainingszelte aufgeschlagen hat.

Dort hat er quasi Heimvorteil: Schließlich wird die Tennisanlage "Big Point" vom Cousin seines Vaters Walter betrieben.

„Ein Wegpunkt auf einem langen Weg“

„Der EM-Titel ist nur ein Punkt auf einem langen Weg. Er zeigt uns, dass wir bislang vieles richtig gemacht haben“, erklärt Coach Norbert Richter die Bedeutung des bislang größten gemeinsamen Erfolges.

„Ein Vorteil an diesem Titel ist, dass wir uns damit einen Namen gemacht haben und nun leichter zu Sparring-Partnern kommen.“

Von Kindesbeinen an hat er Miedler bereits unter seinen Fittichen. Schon damals zeichnete sich sein großes Talent ab.

Tennis ist „eine Art Hass-Liebe“

Eine Garantie auf eine erfolgreiche Profi-Karriere sei dies aber noch lange nicht. „Es gibt viele talentierte Kinder, aber du weißt nie, wann jemand wirklich ernst macht. Luci hätte sich auch für Fußball entscheiden können. Dann wären wir heute nicht hier.“

"Tennis ist für mich eine Art Hass-Liebe"

Warum die Entscheidung für das Tennis gefallen ist? „Tennis hat mir einfach immer schon Spaß gemacht“, erklärt Miedler. „Es ist so eine Art Hass-Liebe. Es ist zwar viel Arbeit, aber es gibt dann auch diese geilen Momente, für die du spielst.“

Die Familie hilft mit

Die Familie unterstützt Lucas auf seinem Weg. Angesichts der hohen Kosten, die bei der Finanzierung eines Nachwuchs-Spielers anfallen, ist das keine Selbstverständlichkeit. Pro Jahr wird eine Summe im mittleren fünfstelligen Euro-Bereich fällig.

„Ich schaue halt, dass es im Rahmen bleibt“, so Richter. „Wenn du aber wie im Jänner nach Australien reist, musst du für zwei Flüge schon mit zwei-, dreitausend Euro rechnen.“

Vater Miedler: "Der Aufwand ist beträchtlich"

„Der Aufwand ist beträchtlich“, gibt Vater Walter zu. „Wenn wir das vorher gewusst hätten, hätten wir ihn zum Fußball geschickt."

"Wenn du in Österreich zu den besten 200 Fußballern gehörst, kannst du gut davon leben. Wenn du im Tennis nicht in den Top 200 der Welt stehst, kämpfst du ums Überleben.“

Vorbild: Die Vorhand von Fernando Gonzalez

Seine Stärken sieht er vor allem in Vorhand und Aufschlag. Auch seine guten Ausdauer-Werte hätten öfters schon mal den Ausschlag gegeben. Grundsätzlich fehle es ihm aber vor allem noch an der Konstanz.

Das Vorbild kommt aus Chile

Das hätte auch seine Stadthallen-Premiere gezeigt. Dank des EM-Titels bekam er dort eine Wild Card für die Qualifikation, war aber in Runde eins gegen den deutschen Doppel-Spezialisten Christopher Kas chancenlos.

„Bei der Geschwindigkeit war gar nicht so viel Unterschied. Die Spieler sind auf diesem Level aber viel konstanter. Daran muss ich arbeiten. Auch beim Return und bei der Rückhand gibt es noch viel zu verbessern“, so Miedler, der sich selbst als „Offensiv-Spieler“ bezeichnet.

Sein spielerisches Vorbild kommt etwas überraschend aus Südamerika: „Ein Federer ist natürlich von jedem ein bisschen ein Vorbild. Als Spieler hat mir früher aber vor allem Fernando Gonzalez gefallen, der heuer leider aufgehört hat.“

„Der hat schon recht ordentlich gespielt mit seiner Vorhand“, würde Miedler gerne über eine ähnliche Waffe wie der ehemalige Australian-Open-Finalist aus Chile verfügen.

Arbeit im mentalen Bereich

Bis dahin steht dem Talent freilich noch ein steiniger Weg bevor. Auch im mentalen Bereich, an dem ebenfalls schon fleißig gearbeitet wird.

„Da bin ich nicht so schlecht, aber es gibt sicher noch einiges zu tun. Das muss Hand in Hand mit der Arbeit am Platz gehen. Grundsätzlich kann ich mit Druck aber recht gut umgehen. Nur im EM-Finale war ich wirklich nervös“, so Miedler.

Diese Bewährungsprobe meisterte er mit Bravour. In der nächsten Woche steht das nächste Highlight auf dem Programm.

Nächste Woche bei der Orange Bowl

Miedler tritt in Plantation, Florida, bei der Orange Bowl an.

An das größte Jugendturnier der Welt hat er gute Erinnerungen: Bei seiner Premiere vor zwei Jahren erreichte er im U16-Bewerb sensationell das Viertelfinale, 2011 war im Achtelfinale Endstation.

Heuer versucht sich der Youngster im U18-Bewerb, den im Vorjahr mit Dominic Thiem (Finalsieg über Patrick Ofner) erstmals ein Österreicher für sich entscheiden konnte.

Ein idealer Standort also, um einen "dieser geilen Momente" zu erleben,  für die Miedler tagein, tagaus am Trainingsplatz schwitzt.

Und von diesen gibt es hoffentlich auch in Zukunft noch genug.

Christian Frühwald

Dem Tennissport hat die Familie Miedler mittlerweile alles untergeordnet. „Anders geht es nicht“, sagt der Vater, der früher selbst stundenlang mit seinem Sprössling am Platz übte.

Auch die Schule hat im enggesteckten Terminkalender keinen Platz mehr. „Nach der fünften Klasse Gymnasium habe ich abgebrochen“, meint Miedler mit einem verschmitzten Lächeln. „Es ist sich zeitmäßig nicht mehr anders ausgegangen. Es gibt im Profi-Tennis nicht viele, die die Matura gemacht haben.“

30 Stunden Training in der Woche

Schließlich ist ein Nachwuchsspieler „je nach Turnierplan 20 bis 25 Wochen im Jahr“ auf Reisen. Und auch die meist in Muckendorf abgewickelten Trainings-Einheiten kosten viel Zeit und Kraft.

„Wenn wir volles Programm fahren – ohne Regenerationszeit – kommen wir auf circa 20 Stunden Tennis in der Woche. Dann kommen noch Physio und Laufen dazu. Insgesamt sind das an die 30 Stunden in der Woche“, gibt der Trainer Einblick in das tägliche Brot seines Schützlings.

Dieser Aufwand soll auch einmal Früchte tragen. Das Team Miedler hat einen langfristigen Plan im Kopf. In den nächsten beiden Jahren steht einmal die Junioren-Tour im Mittelpunkt. Beginnend mit den Australian Open soll Miedler ab Jänner jedes Grand-Slam-Turnier bestreiten.

Zwei Jahre Junioren-Tour

Neben den Jugend-Turnieren will Richter aber auch immer mehr Future-Starts einstreuen. „Das kommt auf seine Entwicklung an. Nach zwei Jahren muss sowieso der Wechsel zu den Erwachsenen erfolgen. Die Future-Ebene sollte dann so schnell wie möglich übersprungen werden – das ist das Schwierigste.“

Wie eng es bei den Futures zugeht, zeigt das Beispiel von Dominic Thiem. Selbst der als Ausnahme-Talent gehandelte Lichtenwörther steht nach einem Jahr „erst“ in den Top 400. Aus dieser Position heraus versucht er sich nun auf der Challenger-Ebene zu etablieren, ehe es weiter Richtung Top 100 und ATP-Tour geht.

„In den frühen 20ern sollen die Top 100 fallen. Man kann zwar nichts erzwingen, aber das ist einmal der Plan“, so Richter.

„Man muss seinen eigenen Weg gehen“

Hilft es da, wenn – wie es derzeit der Fall ist - ein Spieler wie Thiem vorzeigt, wie man es nach oben schaffen kann?

„Sicher schaut man sich an, wie er spielt und was er gut oder nicht gut macht. In erster Linie schaue ich aber auf mich selber. Ich bin ja doch ein anderer Spieler-Typ als er. Man muss seinen eigenen Weg gehen“, gibt sich Miedler zuversichtlich.