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Europaspiele: Was davon bleibt?

Europaspiele: Was davon bleibt?

Am Sonntag gingen in Baku die ersten Europaspiele zu Ende.

Das nach Westen strebende Aserbaidschan hat sich in den vergangenen knapp zwei Wochen als nahezu perfekter Ausrichter präsentiert, zumindest nach außen hin. Doch was bleibt von diesen Spielen?

Aus sportlicher Sicht sind es 13 österreichische Medaillen. Wie viel diese mit Blick Richtung Rio genau wert sind, ist schwer zu deuten. Schließlich wurden die einzigen beiden Goldenen von den Schwimmern Caroline Pilhatsch und Sebastian Steffan im Rahmen der in Baku ausgetragenen Junioren-EM erzielt. Sportarten, in denen die gesamte kontinentale (Erwachsenen-)Spitze gegeneinander antrat, waren in Baku rar gesät.

Fest steht nur, dass Österreich in den drei Jahren seit der Schmach von London nicht zur großen Sommersport-Nation aufgestiegen ist. Nona.

Die Botschaften Aserbaidschans

„Aserbaidschan, das Land des Feuers.“ Die Kaukasus-Republik oder besser gesagt deren Machthaber Ilham Aliyev versuchten die ihnen gebotene Bühne bestmöglich zu nutzen, um sich zu präsentieren. Dafür wurden hochmoderne Wettkampf-Arenen gebaut, hässliche Slums hinter hohen Mauern versteckt und Oppositionelle vorsorglich schon vor den Spielen hinter Gitter gebracht. Die Fassade sollte schließlich frei von Makel sein.

Sport wurde wieder zum Vehikel von Image-Transfer – und freilich auch Propaganda. Dass Regenten Veranstaltungen dieser Art für Eigenwerbung nutzen und sich nebenbei im Schein der erfolgreichen Sportler sonnen, ist wahrlich nicht neu. Neu waren vielmehr der Einbau und vor allem die sentimentale Inszenierung des kriegerischen Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Bergkarabach.

Freiwillig oder unfreiwillig – die Hauptrolle in diesem Stück spielte jedenfalls Ilham Zakiyev, ein aserbaidschanischer Spitzen-Judoka, der im Krieg gegen Armenien von einer Kugel am Kopf getroffen wurde. Sie brachte ihn nicht um, traf jedoch den Sehnerv, weshalb der 35-Jährige seither blind ist.

Zakiyev wurde der breiten Öffentlichkeit samt seiner Geschichte bei der Eröffnungsfeier vorgestellt, als es ausgerechnet er war, der das Olympische Feuer entzünden durfte. Und wohl eigens für ihn wurde Judo für Seh-Behinderte in das Programm der Spiele aufgenommen. Es war der einzige Behindertensport-Wettbewerb in Baku. Bei Männern und Damen wurde jeweils nur eine einzige Gewichtsklasse ausgekämpft. Mit plus 90 kg war es natürlich jene Zakiyevs.

Präsident Aliyevs einziger Besuch beim Judo, das in Aserbaidschan sehr populär ist, war naheliegenderweise beim Final-Kampf des Kriegs-Versehrten. Unter dem tosenden Jubel der Fans hängte er ihm anschließend die Goldene um. Der Finalkampf selbst wirkte ebenfalls inszeniert. Der körperlich deutlich überlegene Zakiyev agierte gegen seinen Kontrahenten aus der Ukraine lange nämlich vollkommen passiv. Ganz so, als ob er noch etwas Spannung aufbauen wolle, bevor er seine Übermacht letztlich doch ausspielte.

Unterm Strich schien es wie eine Botschaft Aserbaidschans an die eigenen Bürger sowie die Welt, dass der Krieg gegen Armenien, deren Athleten in Baku hingebungsvoll ausgebuht wurden, gerechtfertigt wäre.

Mennel spricht von „erfolgreicher Taufe“

In Abwesenheit von ÖOC-Präsident Karl Stoss stuft Generalsekretär Peter Mennel die Premiere der Europaspiele als „erfolgreiche Taufe“ ein. Wenngleich es Dinge gebe, die auch kritisch hinterfragt werden müssen. Das bezieht der Vorarlberger, der zugleich Vorsitzender der Marketing- und Kommunikations-Kommission im EOC ist, unter anderem auf die Auswahl mancher Sportarten.

Über die Zukunft muss man sich laut Mennel auch nach dem Rückzug der Niederlande, die die nächste Auflage in vier Jahren hätten ausrichten sollen, nicht sorgen. „Es stehen neue Bewerber in der Pipeline. Der Bewerbungsprozess wird wiederholt werden“, meint der 60-Jährige. Als mögliche Kandidaten gelten unter anderem die Türkei oder Weißrussland.

Insbesondere ein Zuschlag an das von Aljaksandr Lukaschenka regierte Weißrussland, welcher gerne als „letzter Diktator Europas“ bezeichnet wird, würde der Kritik an der heuchlerischen Haltung der Olympischen Bewegung neue Nahrung geben. Obwohl in der Olympischen Charta jegliche Form von Diskriminierung verurteilt wird, werden Veranstaltungen an Länder vergeben, in denen andersdenkende Menschen eingesperrt werden.

EOC-Präsident Patrick Hickey sprach sich zuletzt jedoch für eine Veranstaltung in Westeuropa aus. Aus Gründen der „geografischen Streuung“, wie er anmerkte.

Suche nach Alternativen

Auch nach den ersten Europaspielen scheint es unwahrscheinlich, dass einige Träger-Sportarten der großen Olympischen Sommerspiele, wie etwa Schwimmen, Leichtathletik oder Basketball, ihre Europameisterschaft in den Multi-Sport-Event integrieren. Schließlich ist eine eigenständige Austragung für deren Europa-Verbände noch immer lukrativer.

Mennel dazu: „Es muss auch nicht unbedingt die EM bei den Europaspielen ausgetragen werden. Moderne Formate wie etwa 3x3-Basketball sind eine gute Alternative.“

Im Basketball macht das freilich Sinn. Wie sinnvolle Alternativen anderswo aussehen könnten, ist bislang jedoch unklar. Die in Baku über die Bühne gegangene Junioren-EM im Schwimmen bzw. der Team-Europacup der vierten Leistungsstufe in der Leichtathletik wirkten sich auf die Bedeutung der Europaspiele jedenfalls eher irritierend als fördernd aus.

Die Latte (unnötig) hoch gelegt

Dass bei einer Premiere nicht alles perfekt ist, liegt in der Natur der Sache. Baku machte jedenfalls deutlich, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist, ehe Europaspiele einen ähnlichen Status erlangen, den sie auf den anderen Kontinenten genießen. Obgleich sie dort freilich bereits auf eine gewachsene Tradition zurückblicken können.

In organisatorischer Sicht hatte Baku die Latte gleich zum Auftakt sehr hoch gelegt, womöglich sogar zu hoch. Erfahrene Olympioniken verglichen die Rahmenbedingungen mit jenen von London 2012.

Bewerbungen künftiger Europaspiel-Kandidaten werden an der Richtschnur Baku gemessen, was die Umsetzung der IOC-Reform „Agenda 2020“ erschweren mag. Mit einem schlankeren Budget werde man an die teils recht opulente Gesamt-Show Aserbaidschans – die Eröffnungsfeier kostete mit rund 85 Mio. Euro das Doppelte von jener Londons – nicht herankommen. Insofern wäre ein kleinerer, beschaulicherer und bescheidener Beginn ratsamer gewesen, um nicht künftige Bewerber zu verschrecken.

Denn wachsen hätte das Format ohnehin noch können – und auch müssen.

 

Aus Baku berichtet Reinhold Pühringer