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Horak: "Es fehlt an Wirtschaftskompetenz"

Horak:

Nicht oft passiert dem österreichischen Basketball ein Glücksfall wie Wolfgang Horak.

Ein hochrangiger Manager eines internationalen Konzerns (in diesem Falle Fujitsu Siemens), der ein Präsidenten-Amt bei einem Zweitliga-Verein übernimmt, ist schon bemerkenswert genug.

Dass der 56-Jährige nach Aufgabe seines Jobs eine signifikante Gehaltsreduktion in Kauf nimmt, um sich mit voller Kraft den Vienna D.C. Timberwolves widmen zu können, ist in der Szene außergewöhnlich.

Doch Horak, seit Sommer 2009 im Amt, hat viel zu tun: Die Donaustädter haben sich in den letzten Jahren zum führenden Nachwuchsverein Österreichs gemausert und führen Österreichweit die 5-Jahreswertung in U14, U16 und U18 an.

Mit der Installierung einer Akademie, in der die größten Talente auch am Vormittag trainieren, erfolgte 2010 ein Meilenstein. Ein weiterer war das Entstehen eines Trainingszentrums, das im September fertig wird. Mit der Basketball-Abteilung des renommierten FC Bayern München besteht eine Kooperation.

Mit den Erfolgen steigen die Ansprüche: Mittelfristig wollen die Timberwolves in die ABL, auch um ihre Gesamtstrategie rund um die eigenen Talente besser entwickeln zu können. Denn die einzigen Spieler der Jahrgänge 1993 (Luka Gvozden) und 1994 (Juri Blazevic), die in der höchsten Spielklasse zur Rotation eines Teams gehören, stammen nicht aus dem Nachwuchs eines der elf ABL-Klubs, sondern von den Wölfen. Dazu bekommen die "92er" Claudio Vancura und Ferdinand Saukel bei Topklubs Spielzeit.

Ein weiterer Schritt wäre eine Multifunktionshalle, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Ballsportvereinen, um Erstliga-Basketball in Wien auch adäquat präsentieren zu können.

Ambitionierte Ziele, doch Horak hat bewiesen, dass seine Gedanken - in Anlehnung an seinen Leitspruch - nicht nur nach Materalisierung streben, sondern Materialisierung auch erfahren.

Im LAOLA1-Interview spricht der Wiener tiefgehend über die Verknüpfung von Wirtschaft und Sport, bringt seine Arbeitsweise näher und erläutert, wie er mithelfen will, Basketball in Wien adäquat zu anderen Großstädten Europas zu etablieren.

LAOLA1: Wie bist du dazu gekommen, Präsident eines Basketballvereins zu werden?

Wolfgang Horak: Der Einstieg war klassisch: Man hat Kinder, die bei einem Sportverein spielen, und irgendwann ergibt sich zufällig die Situation, dass eine Position besetzt werden muss. In unserem Fall war es der gesundheitsbedingte Rücktritt meines Vorgängers. Er hat mich gefragt hat, ob ich das machen will. Anfangs war ich wegen der Doppelbelastung eher skeptisch. Dann habe ich mir gedacht, dass das ein neue Aufgabe werden könnte, die mich über die spätere Pension hinaus erfüllen könnte. Meine Karriere hat ja alle meine Erwartungen übertroffen und ich sah die Chance, der Gesellschaft und vor allem der Jugend dieser Stadt etwas zurückzugeben.

LAOLA1: Mit welchen Vorhaben hast du dein Amt angetreten?

Horak: Beim Einstieg habe ich es so wie im Beruf gehalten: Zuerst frage die Menschen nach ihren Visionen und Veränderungswünschen. Im Rahmen eines Frühstücks haben wir eine Liste mit rund zehn Punkten erstellt. Dann haben wir im Team begonnen, diese Liste Punkt für Punkt abzuarbeiten. Ich zu Beginn als Basketballlaie, was aber kein Nachteil war. So konnte ich mich auf Leitbild, Organisation, Aufbau der wirtschaftlichen Basis und Marketing konzentrieren. Also auf Positionierung des Vereins als nicht gewinn-orientiertes Wirtschaftsunternehmen sowie auf Mitarbeit in den diversen Fachverbänden und Dachvereinen. Denn langfristig können die Timberwolves nur erfolgreich sein, wenn Basketball in Österreich in Summe auf der Rangliste der Sportarten ein bisschen nach oben wandert.

LAOLA1: Haben sich die Ziele mittlerweile verändert?

Horak: Die Ziele haben sich nicht verändert, aber die Basis hat sich verbreitert und wir sind noch fokussierter. In Kooperation mit Austria Wien, Vienna Vikings und SV Schwechat haben wir 2010 die Erste Wiener Ballsport Akademie gegründet – mit zwei Indoor- und zwei Outdoor-Ballsportarten. Auf dieser Basis können wir ohne interne Konkurrenz alle Synergien lukrieren. Wir stimmen unsere Trainings perfekt zwischen Akademie-Training am Vormittag und Vereins-Training am Nachmittag ab, sodass wir uns ganzheitlich um die Burschen (ab 2013 auch Mädchen) kümmern können. Zweitens realisieren wir die Synergien zwischen den Vereinen, weil jeder Verein seine spezifische Stärken hat.

Die Attraktivität von Basketball ist unbestritten (Dunk von Jakob Pöltl)

LAOLA1: Du bist als Neueinsteiger gekommen - was sicher Vorteile hat - und nach kurzer Zeit mitten im Geschäft. Sind dir als Manager Dinge aufgefallen, die langjährigen Basketball-Insidern durch eine gewisse Betriebsblindheit vielleicht verborgen bleiben?

Horak: In der Tat sehe ich einige kritische Punkte. Sport ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Damit es funktioniert, muss die Sportart attraktiv sein, was bei Basketball außer Zweifel steht: urban, schnell, mit viel Spielwitz, Spielintelligenz und Teamplay. Die Sportart spricht für sich. Aber Wien ist die einzige europäische Millionenstadt ohne funktionierenden Spitzenbasketball. Wenn es nicht so funktioniert, wie es sich viele wünschen, liegt es an wohl anderen Faktoren. Ich glaube, es gibt viele hoch motivierte und kompetente Basketball-Experten, was fehlt ist die Wirtschaftskompetenz und in der Folge die Infrastruktur. Sport muss professionell gemanagt werden. Um Talenten optimale Bedingungen bieten zu können, muss man sie von der Volksschule bis in die obersten Ligen begleiten. Das erfordert neben Sozialkompetenz und Fachwissen auch modernes Betriebsmanagement und die nötigen Mittel. Beides ist in Österreich grundsätzlich vorhanden. Wenn wir einen Blick auf unsere Exportkaiser werfen, sehen wir, dass wir ÖsterreicherInnen erfolgreich Weltmarktführer platzieren können. Diese Tugenden müssen wir konsequent im Basketball anwenden, dann wird es klappen.

LAOLA1: Was kann der Sportart Basketball in Österreich also weiterhelfen?

Horak: Es muss uns gelingen, diese Sportart Wirtschaftstreibenden, Unternehmern, Managern, Organisatoren, Trainern und Pädagogen näher zu bringen. Wir müssen in enger Zusammenarbeit mit den Schulen unserer Jugend die Chance geben, ihren natürlichen Bewegungsdrang auszuleben. Wir müssen ein holistisches und nachhaltiges System aufbauen, in das sich viele einbringen und von dem auch viele profitieren. Wir brauchen moderne Infrastruktur und wir müssen vor allem das Wiener Publikum erobern. In den kleineren Städten, wo Basketball blüht, funktioniert der Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und öffentlichen Institutionen. Das müssen wir in die Großstadt transferieren, was sehr anspruchsvoll ist aber auch viel mehr Potenzial hat.

LAOLA1: Du hast es vorhin aber selbst angesprochen: Erfolgreiche Unternehmer und Manager, die mitten im Beruf stehen, können die Führung eines Vereins im Normalfall gar nicht so intensiv betreiben, außer sie verzichten wie du auf viel Einkommen. Ist das ein basketballspezifisches Problem? Im Eishockey zum Beispiel hat es ja auch geklappt, einen Verein in Wien zu positionieren.

Horak: In der Tat. Eine Zeitlang kann man diesen Weg in einer Symbiose Beruf und Sport leben. Aber um Basketball international erfolgreich zu positionieren, braucht man Fulltime-Manager. Man kann ja auch eine Firma nicht nebenbei führen.

Eines der Talente der Timberwolves Akademie: Marko Soldo
Es gab auch in Wien eine Zeit, wo Eishockey vor 200 Zuschauern gespielt wurde. Diese Saison haben die Capitals bisher einen Zuschauerschnitt von fast 5.000 Zuschauern – obwohl sportlich bis zur Qualifikation für die Playoff (noch) nicht alles nach Wunsch lief. Dazwischen liegen 20 Jahre. Wenn wir von anderen lernen, schaffen wir es vielleicht in zehn Jahren. Daher haben wir bei den Timberwolves unsere nächsten Ziele für 2020 festgesetzt. Innerhalb dieser Zeit werden wir ein wirtschaftliches und sportliches Fundament schaffen, und zwar im organisatorischen, wirtschaftlichen, Marketing- und Trainerbereich. Wir wollen TrainerInnen und MitarbeiterInnen nicht nur motivieren, sondern ihnen mittelfristig auch einen Arbeitsplatz bieten.

LAOLA1: Ein Präsident eines österreichischen Vereins, der auch Erfahrungen in Deutschland gesammelt hat, meinte einmal, er sei sich dort vorgekommen wie im falschen Film. Bei Liga-Sitzungen im Ausland sei tatsächlich im Sinne des gemeinsamen Fortschritts gehandelt und Vorschläge seien nicht danach bewertet worden, ob sie nun für den eigenen Verein einen kleinen Vor- oder Nachteil bringen oder nicht. Ist das "Gegeneinander" ein österreichisches Phänomen bzw. woher kommt hierzulande dieses Misstrauen untereinander?

Horak: Zunächst würde ich das nicht für ganz Österreich generalisieren. Man sagt ja manchmal mit einem Augenzwinkern, dass Misstrauen und Neid im Osten Österreichs etwas stärker ausgeprägt sein sollen als im Westen. Und wenn die Töpfe leer sind glauben halt viele, das Heil darin zu finden, dass sie ein bisschen weniger schlecht sind als der andere. Wie gesagt, grundsätzlich sind in Österreich herausragende Erfolge möglich, unsere Mentalität steht uns nicht im Wege. Ich habe selbst fast zehn Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet. Aber in Deutschland ist es zum Beispiel gelungen, dass das Management im Basketball über den Tellerrand schaut und eine Basketball-Infrastruktur aufgebaut hat, in das nun Spiel für Spiel die Massen in die Hallen strömen. Nicht nur in den Universitätshochburgen, auch in den Großstädten. Dafür werde ich mich massiv einsetzen und auch zukünftig deutsche Städte und Vereine besuchen. Um zu schauen, was dort die Hebel waren. Warum man dort in der Lage war, in den großen Städten auf einmal gescheite Hallen hinzustellen. Daran mangelt es bei uns in jedem Fall. Wir Timberwolves sind sehr glücklich über den ersten Schritt der Trainingshalle. Aber in ein paar Jahren sollte der nächste Schritt erfolgen, mittelfristig brauchen wir in Wien eine moderne, multifunktionale Spielhalle. Ohne diesen Schritt werden wir vielleicht ein guter Ausbildungsverein bleiben. Aber selbst da habe ich meine Zweifel, ob das nachhaltig sein kann, wenn der Oberbau nicht gestaltet werden kann.

LAOLA1: Prinzipiell gibt es wohl keine Abneigung der Politik gegen neue Hallen. Aber Politiker wollen zuerst einen halbwegs erfolgreichen Verein sehen, bevor sie diesem eine Halle hinstellen. Umgekehrt sagt der Verein: Wenn wir jetzt in einer Turnhalle spielen, werden wir kaum zuerst 2000 Zuschauer anlocken können, damit uns dann die Politik eine Arena finanziert. Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus?

Horak: Nur durch Arbeit, Überzeugungskraft und Erfolg. Ich hatte ein Schlüsselerlebnis in meiner beruflichen Laufbahn. Ich habe als relativ junger Mann meinem Chef eine Geschäftsidee präsentiert. Während des Gesprächs habe ich bemerkt, dass die Powerpoint-Folie mit der Umsatzentwicklung verkehrt herum lag. Als ich das Blatt wenden wollte, sagte mein Chef: "Lassen sie das ruhig so liegen. Ich möchte lernen, ob ihre Idee gut ist und ich werde auf Grund meiner Einschätzung entscheiden, ob ich ihnen zutraue, die richtigen Entscheidungen zu treffen wenn es anders kommt als im Businessplan vorhergesagt."

Genau darum geht es auch im Dialog Sport mit Politik. Wir müssen als Basketball-Gemeinschaft in die Vorleistung gehen. Mit den vorhandenen Mitteln nachhaltige Konzepte entwickeln und umsetzen. Für vieles braucht man nur wenig Geld. Und dann Zug um Zug die nächsten Schritte tun. Und den Politikern beweisen, dass wir nachhaltiges Sportmanagement beherrschen.

LAOLA1: Das ist also auch der Zugang, den du selbst bei den Timberwolves wählst?

Horak: Ja, absolut. Wir leben das ja schon. Wir halten in Wien fünf von fünf möglichen Titeln, in Österreich führen wir die wichtigen fünfjährigen Nachwuchstabellen an. Nun bekommen wir das Trainingscenter in der Bernoullistraße, um weiter ausbauen zu können und auch eine starke Mädchensparte zu entwickeln sowie die Akademietrainings bewältigen zu können. Die Politik hat anerkannt: da ist schon etwas da, da ist nachhaltig etwas passiert, da sind Erfolge vorzuweisen und da haben wir das Vertrauen, dass mit mehr Infrastruktur auch noch mehr möglich ist. So etwas muss uns im nächsten Schritt mit einer modernen Sportarena in Wien gelingen. Im Schulterschluss mit anderen Sportarten bin ich sehr optimistisch, dass dieser Schritt gelingen wird.

Das Interview führte Hubert Schmidt

 

Vienna Danube-City Timberwolves