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Wurz: "Mercedes konnte keine Rücksicht nehmen!"

Wurz:

Nein, lacht Alexander Wurz, festlegen möchte er sich nicht auf den neuen Formel-1-Weltmeister.

Zu viel kann in den letzten beiden Rennen in Austin, Texas und im brasilianischen Sao Paulo passieren.

Aber zumindest auf einen Favoriten mag sich der Niederösterreicher festlegen: Sebastian Vettel.

"Er fühlt sich wieder wohl und ist zurück zu alter Form", nennt der dreifache Saisonsieger in der Langstrecken-WM im Gespräch mit LAOLA1 zwei Gründe für seinen wenig spektakulären WM-Tipp.

Außerdem verrät Alexander Wurz, was er über die traurige zweite Karriere von Michael Schumacher denkt, wie er zu Adrian Newey steht und warum Red Bull Racing auch in den nächsten Jahren nicht "Team des Jahres" in Österreich wird.


LAOLA1:
Herr Wurz, die Formel 1-Weltmeisterschaft biegt auf die Zielgerade. Wie spannend finden Sie die Ausgangslage zwei Rennen vor dem Ende?

Alexander Wurz: Ich glaube, dass Fernando Alonso die Start-Karambolage in Suzuka noch lange weh tun wird. Das könnte vielleicht schon die WM-Entscheidung gegen ihn gewesen zu sein. Weil es Red Bull in der Zwischenzeit verstanden hat, die Aerodynamik anzupassen. Auf einmal funktioniert das Ding, Vettel fühlt sich plötzlich wieder wohl und ist zurück zu alter Form.

LAOLA1: Sie tippen also auf Weltmeister Vettel?

Wurz: Aufgrund der Umstände ist er für mich Favorit. Die Aufholjagd in Abu Dhabi war für ihn mental ein Wahnsinn. Es zeigt aber auch, was in dem Auto steckt, wenn du vom letzten auf den dritten Platz vorfährst. Aber Red Bull darf sich noch nicht zu sicher sein …

Wo ist der nächste Christian Klien?

Wurz: Ja, die zweite Karriere war nicht so großartig, dominant oder erfolgreich wie der erste Teil. Und dann geht das Werk’l Motorsport mit neuen Talenten dahin. Wie jetzt geschehen. Am Ende ist es sicher nicht perfekt inszeniert worden, da hätte es schönere Lösungen gegeben. Aber das ist auch ein Zeichen der Zeit. Es gab ein kleines Fenster, in dem man den Hamilton bekommen hat, da musste alles ganz schnell gehen und dann wird keine Rücksicht auf den Altmeister genommen. Aber ihm fällt kein Stein aus der Krone.

LAOLA1: Hat es Sie überrascht, dass das deutsche „Dream Team“ mit Mercedes, Schumacher und Nico Rosberg vor allem enttäuscht hat?

Wurz: Die eigene Erwartungshaltung, aber natürlich auch die der Fans hat sicher ganz anders ausgesehen. Nämlich ganz vorne mitzufahren. Als Mercedes musst du ganz oben stehen. Warum das nicht geklappt hat, dafür gibt es viele Gründe. Und die haben nichts mit Michael Schumacher oder Nico Rosberg zu tun. Es war eine Frage des Autos und der Performance, aber nicht des Motors, denn der war gut, sondern vom Chassis.

LAOLA1: Macht ein F1-Engagement für einen Auto-Hersteller noch Sinn, wenn es am Chassis scheitert?

Wurz: Der Schritt, das Team zu kaufen, war ein mutiger. Geschäftlich gesehen auf lange Sicht sehr clever. Kurzfristig legen sie sich die Latte sehr hoch, einfach weil sie anschließen müssen an Teams wie Red Bull oder Ferrari. Das ist auch für ein ehemaliges Weltmeister-Team sehr schwierig.

LAOLA1: Dass ein Energy-Drink den Auto-Herstellern um die Nase fährt, gefällt nicht allen in der Formel 1?

Wurz: Das tut sicher weh, aber es hindert die anderen ja niemand daran, etwas an der Situation zu ändern. That’s life!

LAOLA1: Oder Konstrukteur Adrian Newey?

Wurz: Er ist sicher ein Genie! Wie Vettel ein Könner im Auto ist, kann Newey es mit der Aerodynamik. Aber die anderen sind auch nicht auf der Nudlsupp’n daher geschwommen. Viel steht und fällt mit dem Budget – und da hat Red Bull Racing kein Problem, das geringste Problem, die wenigsten Sorgen. Newey kann alle seine Spinnereien umsetzen. Mercedes hat auch ein gutes Budget, aber die haben jede Minute die Sorge, dass der Vorstand sagt: Wisst’s was, wir verkaufen doch nur Autos und machen keinen Motorsport.

LAOLA1: Bei der Wahl zu Österreichs „Team des Jahres“ ist Red Bull Racing wieder leer ausgegangen. Verständlich?

Wurz: In diesen Gremien wurde Motorsport über viele Jahre nicht als Sport betrachtet. Dem hinken wir hinterher. Ein österreichischer Pilot würde das Ganze schnell umdrehen, denn im Mensch stecken mehr Emotionen als in einem Team. Aber Red Bull Racing fährt unter österreichischer Nennung und mit österreichischer Team-Lizenz, also sollte die Leistung auch als österreichische gewürdigt werden. Wer hat dann gewonnen?

LAOLA1: Die Skispringer.

Wurz: Ich würde, und das sage ich nicht weil ich Motorsportler bin, die Würdigung auch einmal jemand anderem zukommen lassen. Vor allem wenn es da jemanden gibt, der in einer der größten Sportarten weltweit erfolgreich ist.

LAOLA1: Bleibt noch die Frage nach dem nächsten Österreicher in der Formel 1. Sehen Sie einen?

Wurz: Ganz ehrlich: Aufgrund der Verfächerung in den unteren Kategorien ist es oft schwierig, einzelne Talente früh zu erkennen. Dazu beschäftige ich mich auch zu wenig damit. Es gibt einige Talente, zum Beispiel die letzte Kart-Generation, die gerade unterwegs ist. Das berichten mit zumindest meine Freunde vom Kart-Sport.

LAOLA1: Vom Kart in die Formel 1 ist es aber noch ein langer Weg, der voll mit Stolpersteinen ist?

Wurz: Wenn du jemanden mit Geld hast, der hinter dir steht, dann kann es auch schnell gehen. Die Förderungsprogramme, die wir früher in Europa hätten, gibt es jetzt in Ländern wie Venezuela oder Mexiko. Da können wir gar nicht mehr Schritt halten. Dazu das Loch, in dem der A1-Ring geschlossen war, das hat uns sicher auch zurückgeworfen.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

 

Das Interview führte Stephan Schwabl

LAOLA1: Was könnte aus ihrer Sicht noch einen Strich durch die WM-Rechnung machen?

Wurz: Sie sind anfälliger bei der Standfestigkeit. Das kann sich schnell einmal in den Hintern beißen.

LAOLA1: Wie bewerten Sie die bisherige Saison von Herausforderer Alonso?

Wurz: Fernando hat in einem Auto begonnen, das überhaupt nicht gut ausgeschaut hat. Im ersten Drittel der Saison hatte er enormes Glück. Aber mit fantastischen Fahrerleistungen hat er es geschafft, die WM-Führung zu übernehmen. Mittendrin war der Ferrari teilweise gar nicht so schlecht. Aber für mich bleibt Red Bull Favorit.

LAOLA1: Austin und Sao Paulo sind neben der WM-Entscheidung auch die letzten beiden Rennen in der zweiten Karriere von Michael Schumacher. Sind Sie, provokant gefragt, froh, dass er endlich aufhört?

Wurz (schmunzelt): Weder noch, ich sehe das Ganze neutral. Beim Sport geht es um Leistung, und wenn die Kombination nicht so gefruchtet hat, wie man sich das vielleicht erhofft hat, zieht man eben die Konsequenzen. Es wird nie jemand, und ich schon gar nicht, seine Rekord-Karriere bekritteln können. Im Gegenteil: Es ist sensationell, was er geleistet. Wir wurden Zeitzeugen eines siebenfachen Weltmeisters mit Sieg-Rekord, Pole-Rekord und noch viel mehr Rekorden.

LAOLA1: Alles richtig, aber die Ära II setzte sich auch aus vielen Pleiten, etwas Pech und zahlreichen Pannen zusammen?