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"Größte Herausforderung liegt nicht in unserer Hand"

Zuhause ist es eben doch nicht immer am schönsten.

Schon im Vorjahr erlebte Red Bull Racing beim Heimspiel in Österreich ein Desaster. In diesem Jahr hat sich die Situation nicht verbessert.

Das einstige Weltmeister-Team steckt in der Krise. Doch wer ist daran schuld?

"Es ist ein Element, das fehlt", sagt Teamchef Christian Horner im Interview mit LAOLA1. Und meint damit den Motor aus dem Hause Renault. Ob man mit den Franzosen noch glücklich wird, kann auch der Brite nicht sagen.

Genauso verfahren ist die Situation im Hinblick auf den Sport, wobei der 41-Jährige weiß, was er tun würde, um ihn wieder interessanter zu machen.

Diesen Regeländerungen stehen aber verschiedenste Gremien und Meinungen im Weg. Horner sagt: "Es ist allen klar, dass es ein Problem gibt. Man hat sich aber noch nicht darauf verständigen können, worum es sich genau handelt und wie man es behandeln soll. Solange das nicht passiert, werden wir uns im Kreis drehen." Und im Kreis fahren.

LAOLA1: Welche Erinnerungen haben Sie, wenn Sie an Österreich und den Red Bull Ring denken?

Christian Horner: Als ich selbst in der Formel 3000 unterwegs war, bin ich 1997 und 1998 hier gefahren. 2002 habe ich hier mit Tomas Enge aus Tschechien meinen ersten Sieg feiern dürfen. Ich habe also jede Menge tolle Erinnerungen, wenn ich hierher komme.

LAOLA1: Angesichts futuristischer Strecken wie in Singapur oder Abu Dhabi, wie wichtig war es für den Sport hierher zurückzukehren?

Horner: Diese Strecke hat ihren eigenen Charakter und Charme, aber alle Strecken sind unterschiedlich. Singapur ist mit Spielberg einfach nicht vergleichbar. Hier hast du die wunderschönen Berge und die ganze Landschaft, in Singapur Hochhäuser, Flutlicht und eine sehr holprige Piste.

LAOLA1: Die Landschaft mag hier toll sein, die Stimmung innerhalb des Teams ist es wohl weniger. Daniel Ricciardo hat gemeint, obwohl er es hasst, so etwas zu sagen, dass derzeit an ein Podium einfach nicht zu denken ist. Wie schwierig ist die Situation im Moment aus Ihrer Sicht?

Horner: Sag niemals nie. Natürlich ist es sehr wahrscheinlich, dass wir an diesem Wochenende nicht um einen Podestplatz kämpfen werden. Aber Schwierigkeiten gibt es in jedem Sport. Unsere größte Herausforderung liegt nicht in unserer Hand. Wir haben großartige Leute im Team und tolle Fahrer. Auch das Auto ist gut. Es ist einfach ein Element, das fehlt und da müssen wir auf unseren Partner vertrauen, der dieses Problem so schnell wie möglich lösen muss.

LAOLA1: Kann man wirklich so einfach sagen, dass das Problem nicht in der Hand von Red Bull Racing liegt, obwohl das gesamte Auto nicht so funktioniert, wie man es möchte?

Horner: Wenn man uns mit Mercedes vergleicht, fehlen uns vielleicht 15 bis 20 Prozent beim Chassis und 80 bis 85 Prozent beim Motor. Das Problem ist, wenn man Kompromisse eingehen muss, um das Auto zum Laufen zu bekommen, entstehen neue Probleme. In Monaco haben wir zum ersten Mal mit normalem Anpressdruck fahren können und es hat funktioniert. Wir waren in guter Form und die Fahrer haben sich wohlgefühlt. Das Problem ist, dass wir bei so vielen Bereichen Kompromisse eingehen müssen.

LAOLA1: Sie können also nicht verstehen, wenn Ricciardo im Interview mit "F1i.com" sagt, dass sich vielleicht der Sport entwickelt, bei Red Bull Racing aber alles beim Alten bleibt?

Horner: Er weiß nicht, was alles vor sich geht. Am Chassis wird verdammt viel entwickelt, genauso passiert beim Motor sehr viel hinter den Kulissen. Er fühlt nur, was er alle zwei Wochen vor sich hat. Für mich spricht da die reine Frustration aus ihm. Er scheint da nicht gut informiert zu sein.

LAOLA1: Mit Peter Prodromou hat der Aerodynamik-Chef das Team im Vorjahr verlassen, gleichzeitig ist bekannt, dass sich Adrian Newey seit geraumer Zeit vermehrt anderen Projekten widmet. Wie sehr fehlt das Know How dieser beiden?

Horner: Was Peter betrifft, ist es nicht so schlimm. Wir haben eine starke Mannschaft, die das kompensiert. Und Adrian ist noch immer involviert. Das ist sein Auto. Er sitzt auch in allen Entwicklungs-Meetings. Natürlich hat er jetzt andere Projekte, die er betreut, aber sein Fokus lag genauso auf dem RB11 in diesem Jahr. Es ist einfach, auf diesem Thema herumzuhacken, aber daran liegt es nicht, dass wir uns in der aktuellen Situation befinden.

LAOLA1: Dann reden wir über den Motor. Wie schwierig gestaltet sich im Moment die Zusammenarbeit mit Renault?

Horner: Wir arbeiten schon sehr lange mit Renault zusammen. Wir kennen die Leute, die dort arbeiten, sehr gut. Wir haben 50 Grand Prix und acht WM-Titel mit ihnen gewonnen. Alles was wir versuchen können ist, sie so gut wie möglich zu unterstützen. Und das haben wir auch getan. Das betrifft die Technik und auch das Finanzielle. Aber wir sind nicht für ihr Schicksal verantwortlich. Sie arbeiten sehr hart an einer Lösung. Am Ende des Tages ist es für sie gleich schwierig wie für uns.

LAOLA1: Renault-Motorsport-Chef Cyril Abiteboul hat sich kürzlich darüber beschwert, dass Renault an Selbstvertrauen verliert, wenn Red Bull Racing sich die ganze Zeit nur über sie beschwert. Gibt es hier ein Kommunikationsproblem?

Horner: Nein, das glaube ich nicht. Cyril weicht hier den Fragen aus. Die Quintessenz ist, dass sie genauso frustriert sind wie wir in Milton Keynes. Jeder will Performance sehen. Und Performance zaubert auch wieder ein Lächeln auf die Gesichter der Verantwortlichen. Sobald man einmal ein paar Zehntelsekunden gefunden hat, können sich mehrere Probleme in Luft auflösen.

LAOLA1: Was passiert, wenn es kein Happy End mit Renault gibt?

Horner: Red Bull Racing wird immer Optionen haben. Diese werden hoffentlich nicht zu knapp sein, wenn wir sie brauchen.

LAOLA1: Und Ferrari ist definitiv keine Option?

Horner: Im Moment nicht, nein. Wir sind voll und ganz darin bestrebt, die Probleme mit Renault zu lösen. Darauf liegt unser Fokus.

LAOLA1: Wie schwierig kann es in Zukunft werden, wenn die Motorenentwicklung Ende Februar 2016, wie geplant, eingefroren wird? Alle Hersteller sind ja dagegen - außer Mercedes.

Horner: Mercedes kann man dafür aber auch keinen Vorwurf machen. Wäre Renault in dieser Situation, würde man gleich reagieren. Es ist ein Problem des Regelwerks und des Promoters. Es ist ihr Sport. Was wollen sie? Sie haben die Wahl.

LAOLA1: Wird hier offensichtlich, wie schwer es ist, einen Sport weiterzuentwickeln, bei dem es viele Parteien und dementsprechend viele Meinungen gibt?

Horner: Wir sind in einer Pattsituation, weil jeder seine Interessen vertritt. Es ist allen klar, dass es ein Problem gibt. Man hat sich aber noch nicht darauf verständigen können, worum es sich genau handelt und wie man es behandeln soll. Solange das nicht passiert, werden wir uns im Kreis drehen.

LAOLA1: Eines der Entscheidungsgremien in der Formel 1 ist die sogenannte Strategiegruppe. Macht es überhaupt Sinn, eine solche zu betreiben, wenn dort nicht alle Rennställe vertreten sind?

Horner: Seit ihrer Gründung hat die Strategiegruppe sehr wenig erreicht. Sie ist nicht effektiv, obwohl mit Teams, dem Rechtehalter und der FIA drei Parteien involviert sind. Wir finden uns auch dort konstant in einer Pattsituation wieder. Rennställe, die gegeneinander antreten, sollten nicht dafür da sein, die Regeln zu machen. Das ist einfach Sache des Erstellers des Regelwerks und des Promoters. Die sollen dann zu den Teams gehen und sagen: Das sind die Regeln. Wenn du teilnehmen willst, tu es, wenn nicht, dann tu etwas anderes.

LAOLA1: Welche Dinge würden Sie sofort ändern, wenn Sie könnten?

Horner: Das Motoren-Regelwerk würde ich komplett ändern, das Chassis-Reglement lockern und die Autos schneller machen, damit sie eine größere Herausforderung für die Fahrer sind. Darüber hinaus würde ich für mehr mechanischen Grip sorgen, damit die Autos mit größeren, breiteren Reifen fahren können.

LAOLA1: Um abschließend zu Red Bull Racing zurückzukommen: Wie sehr sind sie mit der Entwicklung von Daniil Kvyat zufrieden, der neu ins Team gekommen ist?

Horner: Ich glaube, dass wir mit unseren Fahrern in einer sehr guten Situation sind. Die Paarungen bei beiden Teams sind sehr stark. Kvyat wird immer besser. Er hatte einen schwierigen Start in Australien, als er das Rennen nicht bestreiten konnte. Danach hatte er noch zwei Motorschäden. Wenn man alle Einflüsse berücksichtigt, hat er, speziell in den letzten beiden Rennen, einen guten Job gemacht. Sein Selbstvertrauen steigt und er entwickelt sich weiter.

LAOLA1: Wie sehen Sie die ersten Schritte der beiden Toro-Rosso-Rookies Max Verstappen und Carlos Sainz jr.?

Horner: Für mich waren die beiden bisher eines der Highlights der Saison. Das sind zwei junge Typen, die sich richtig ins Zeug legen und enormes Talent haben. Verstappen beeindruckt mich mit seinen 17 Jahren und auch vor Carlos muss ich den Hut ziehen. Er und Kvyat kennen sich gut, weil sie vor zwei Jahren in meinem GP3-Team gefahren sind. Schon damals haben wir gesehen, wozu sie fähig sind.

 

Das Interview führte Andreas Terler