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"Gewisses kritisches Potenzial wird immer da sein"

Beinahe wäre es Leo Windtner gelungen, das große Geheimnis, welchen Teamchef er für das Nationalteam gewonnen hat, erst in letzter Sekunde zu lüften.

„Dass es 15 Stunden vorher passiert, war natürlich im ersten Moment etwas ärgerlich, weil wir geglaubt haben, wir sind auf der Ziellinie. Aber das ist schon wieder Vergangenheit“, betont der ÖFB-Präsident.

Apropos Vergangenheit. Die kann man bei der Kür von Marcel Koller kaum außer Acht lassen. Denn jede Entscheidung hat ihre Vorgeschichte, so auch diese.

Wer das Geschehen rund um das ÖFB-Team in den letzten zweieinhalb Jahren intensiv beobachtet hat, weiß, dass der Inhalt des inzwischen berühmten Anforderungsprofils an dessen Nachfolger eine Art Abrechnung mit Didi Constantini ist.

Gesucht wurde offenkundig das genaue Gegenteil des Tirolers. Bezüglich der präferierten Kompetenzen eines Teamchefs hat Windtner also eine 180-Grad-Drehung hingelegt. Bei Kollers Präsentation skizzierte der Oberösterreicher die Kernpunkte:

  • Eine Persönlichkeit mit internationaler Erfahrung, Führungskompetenz, hoher Sozialkompetenz, mit entsprechender Kommunikationsfähigkeit – intern und in Richtung Medien, Teamfähigkeit als Teamplayer.
  • Positiver Zugang zu Trainingswissenschaften, sportmedizinischen und sportpsychologischen Methoden – sprich Aufgeschlossenheit für externe Expertise.
  • Internationale oder nationale Erfolge bei Klubs, wie gewonnene Titel
  • Wesentlich ist die Identifikation mit dem österreichischen Fußball, sich aktiv in das Projekt 12 und den österreichischen Weg einzubringen, und damit auch Österreich respektive Wien als Wohnort anzunehmen.
  • Akzeptanz der neuen Struktur, Konzeption und Präzisierung der ÖFB-Spiel- und Trainingsphilosophie, die in Abstimmung mit dem Sportdirektor permanent weiterentwickelt werden muss.
  • Er muss natürlich mit entsprechender Umsicht die Nationalmannschaft leiten, aber darüber hinaus mit dem Sportdirektor den gesamten Betreuerstab koordinieren. Das heißt, in Zukunft wird es notwendig sein, verstärkt die Nachwuchs-Nationalmannschaften miteinzubinden.
  • Ein wichtiger Punkt: Die intensive Kontaktpflege mit den österreichischen Klubs sowie den Klubs von Spielern im Ausland.
  • Führung des gesamten Stabs der ÖFB-Trainer. Darüber sind entsprechend permanent Dokumentationen und Analysen zu bringen.

Darüberhinaus wird auch das Anforderungsprofil an Spielbeobachtungen geändert, wohl auch ein Resultat der Erfahrungen aus den Amtszeiten von Karel Brückner und Constantini.

Im LAOLA1-Interview verdeutlicht Windtner, warum Koller seiner Meinung nach der richtige Kandidat ist, um diese Anfordernisse umzusetzen.

LAOLA1: Für Marcel Koller hat im Entscheidungsprozess seine akribische Arbeitsweise gesprochen. War es eine Notwendigkeit, dass die Mannschaft genau solch einen Trainer bekommt?

Leo Windtner: Natürlich haben wir Vorstellungen gehabt, welchen Trainer-Typen wir suchen. Das Anforderungsprofil ist für das formelle Schema da, das wir natürlich eingehalten haben. Aber sehr wichtig ist: Welcher Trainer-Typ kann zur Mannschaft passen? Denn gerade das A-Team ist bestückt mit Spielern, die wollen, die hungrig nach Erfolg sind, die individuell zum Teil auch schon die Klasse mitbringen, dass wir mehr erreichen.  Es hat halt manches nicht so zusammengepasst.

Windtner: Ich würde sagen sowohl als auch. Natürlich hat Willi Ruttensteiner in den letzten Jahren wirklich gute Arbeit geleistet im ÖFB, aber sehr wesentlich ist, dass wir uns mit diesem Strukturschritt an internationale Gegebenheiten anpassen. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen die Strukturen passen. Den Luxus können wir uns nicht leisten, dass wir als kleines Land irgendwo Ungenügendes mitschleppen, das uns letztlich bremst.

LAOLA1: Wird über die Installation eines Teammanagers nachgedacht? Alfred Hörtnagl hatte sich durchaus interessiert gezeigt…

Windtner: Es gibt sicherlich einiges an Überlegungen. Ob das ein Teammanager wie in Deutschland sein muss, lasse ich dahingestellt, denn das ist ein Spezifikum, das dort sehr personell bedingt ist. Ich glaube, wir müssen die Strukturen nach den österreichischen Bedürfnissen ausrichten und schauen, dass wir dazu die passenden Personen finden.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Was hat nicht gepasst?

Windtner: Es sind manchmal nur Nuancen, das hat der neue Teamchef selbst gesagt. Nur waren es viele Nuancen, die dann sehr oft die Entscheidung ausmachen, ob man eine Partie gewinnt oder verliert. Daher glaube ich, dass gerade Marcel Koller als akribischer und solider Arbeiter, wie er es auf seinen bisherigen Trainer-Stationen bewiesen hat, als einer der mit Jungen sehr gut kann, wirklich eine sehr gute Chance für uns bietet, jetzt jenen Weg einzuschlagen, den wir schon seit einiger Zeit einschlagen wollen.

LAOLA1: Das heißt, Didi Constantini hat die Mannschaft bis zu einem gewissen Punkt gebracht, aber jetzt ist ein neuer Impuls durch einen Teamchef, der modernen Methoden gegenüber aufgeschlossen ist, unumgänglich?

Windtner: Das würde ich so absolut bestätigen. Ich glaube, es spricht sehr klar für Marcel Koller, dass er bereits nächste Woche in Wien sein wird, um sich vorzubereiten. Er wird nicht nach Aserbaidschan und Kasachstan mitfliegen, sondern die Zeit nutzen, um sich hier alle Vorbedingungen zu schaffen, damit er am 1. November offiziell starten kann. Er wird sicher vorher schon die wesentlichen Aufbereitungsarbeiten machen.

LAOLA1: Koller wirkt sehr smart. In den letzten Monaten war die Außendarstellung des ÖFB nicht gerade ideal. Wie wichtig war das Kriterium der Kommunikation?

Windtner: Das war sicherlich auch ein wesentliches Kriterium für uns. Die Kommunikation nach innen, sprich das Teamplaying, und die Kommunikation nach außen bis hin zum Umgang mit den Medien sind natürlich wichtig. Leistungen sind wichtig, aber die besten Leistungen sind nur die Hälfte wert, wenn man sie nicht ordentlich verkaufen kann.

LAOLA1: Die Medien sind ein gutes Stichwort. Man weiß, wie Fußball-Österreich funktioniert. Die Entscheidung für Koller steht bereits in der Kritik, vielleicht auch weil man ihn nicht so gut kennt. Könnte das zum Problem werden?

Windtner: Ich bin überzeugt, ganz egal welche Entscheidung wir getroffen hätten, ein gewisses kritisches Potenzial wird immer da sein, weil medial permanent eine gewisse Polarisierung stattfindet. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man von der Entscheidung überzeugt ist und den Weg konsequent geht. Wenn sich der Erfolg einstellt, wird sich auch manches legen.

LAOLA1: Wie definieren Sie im konkreten Fall Erfolg?

Windtner: Indem wir natürlich bessere Ergebnisse als zuletzt erzielen. Und dass wir bei der Entwicklung offensichtlich nachvollziehen können, dass etwas weitergeht.

LAOLA1: Sportdirektor Willi Ruttensteiner wird aufgewertet. Er hat sich auch einen gewissen Zugriff aufs Nationalteam gewünscht. Ist dies eine logische Konsequenz aus seiner Arbeit in den letzten zehn Jahren, wo sich im Nachwuchsbereich gewisse Erfolge einstellten?