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Zwei Traumtore, aber nur Ried jubelt

Zwei Traumtore, aber nur Ried jubelt

Was sich am Nationalfeiertag im Hanappi-Stadion abspielte, war historisch.

Zum ersten Mal in der Geschichte gelang es der SV Ried, bei Rapid einen Sieg einzufahren, und was für einen. Zwar erst nach 120 Minuten, trotzdem besiegten die Wikinger den jahrelang andauernden Fluch.

Der Titelverteidiger zog nicht nur ins Viertelfinale des ÖFB-Samsung-Cups ein, sondern beendete wie schon im Semifinale des Vorjahres die Titelträume der Hütteldorfer.

In einer an sich Chancen armen Partie, in der sich beide Teams über lange Strecken neutralisierten, sorgten vor allem die Treffer sowie zwei Ausschlüsse für Diskussionen.

BRENNPUNKT 1: Die frühe Führung für Ried

Nur 6.500 Zuschauer erlebten, wie Rapid in der Anfangsphase munter nach vorne spielte, jedoch durch den ersten Rieder Torschuss in Rückstand geriet. Hinums Schuss (14.) wurde von Pichler unhaltbar ins Tor abgelenkt. „Das war wieder typisch in unserer Situation“, konnte Rapid-Coach Peter Schöttel die anhaltende Pechsträhne der letzten Wochen gar nicht fassen. Von diesem Schock erholten sich seine Jungs aber relativ schnell.

BRENNPUNKT 2: Ein Eckball-Trick Valencias bringt Ausgleich

Viele trauten ihren Augen nicht, als eine kurz abgespielte Ecke Hofmanns von Burgstaller weitergeleitet wurde und Drazan volley ins Kreuzeck traf (19.). Ein Traumtor, das keinesfalls als Zufallsprodukt zu bezeichnen war. Nicht ohne Grund jubelten die beteiligten Protagonisten mit Co-Trainer Thomas Hickersberger. „Hicke meinte beim Frühstück, er habe bei Valencia einen super Trick gesehen. Wir haben ihn dann im Training ohne Verteidiger geübt, aber er hat nie so richtig funktioniert. Deshalb war der Jubel so groß“, verriet Schöttel. Auch für Gegenüber Paul Gludovatz war dieser Treffer zum Zunge schnalzen: „So ein Tor wie dieses sieht man auch nicht alle Tage. Das werden sich noch viele auf Youtube runterladen.“ Damit war die Pattstellung wieder hergestellt. Sowohl Rapid, als auch Ried ließen in weiterer Folge gute Chancen aus, ohne ein Feuerwerk abzubrennen.

BRENNPUNKT 3: Übermotivierter Drazan sieht Gelb-Rot

Als ob die Verlängerung nicht schon genug an den Kräften zehrte, schwächte Christopher Drazan sein Team exakt in der 100. Minute. Mit Gelb vorbelastet unterband er einen Konter durch ein Foul an Hadzic. „Drazan ist von der Seite gekommen. Ich habe den Ball vor ihm gehabt. Für mich war es eine klare gelb-rote Karte“, analysierte der Gefoulte gegenüber LAOLA1. Ein Knackpunkt, auch wenn es laut Gludovatz gegen zehn Mann genauso schwer war, durchzukommen. Schöttel nimmt Drazan, der sich in der Vergangenheit immer wieder auf dem schmalen Grat zwischen Gelb und Gelb-Rot bewegte, in Schutz: „Es war eine unbedachte Aktion, aber das war in den letzten Wochen nicht mehr der Fall. Dass er ruhiger werden muss, ist uns bekannt.“ Trotz der gelb-roten Karte hatte der Chefbetreuer auch Lob für den wieselflinken Flankenspieler parat. „Er hat ein tadelloses Spiel abgeliefert und war in den letzten Partien einer unserer Besten. Er ist gut drauf.“

BRENNPUNKT 4: Hadzic-Kracher bedeutet Entscheidung

Sowohl bei Drazans Ausschluss, als auch 14 Minuten später war Rapid das Glück nicht hold. Wie das 1:1 durch Drazan verdiente sich auch der spielentscheidende Treffer durch Hadzic das Prädikat Traumtor. Der 22-jährige österreichisch-bosnische Doppelstaatsbürger knallte den Ball aus rund 25 Metern unhaltbar für Keeper Helge Payer unter die Latte. „Es war bereits ein Gefühl da, dass es ins Elfmeterschießen gehen könnte. Dann ist mir der Ball schön vor die Füße gefallen und ich habe nur mehr draufgehalten“, freute sich der Torschütze. Wie er seinen Treffer erlebt hat? „Es ist auf einmal ganz still im Stadion geworden. Ich habe nicht einmal gewusst, wo ich hinrennen soll, weil mich von jeder Seite wer umreißen wollte. Es war ein wunderschönes Gefühl“, so Hadzic. Sein Trainer kennt die Qualitäten seines Schützlings, war aber selbst überrascht: „Wenn diese Schüsse, die im Training immer reingehen, auch im Match reingehen würden, würden wir mehrere Handballergebnisse erleben“, scherzte der Burgenländer.

BRENNPUNKT 5: Rapid ohne Schimpelsberger nur mehr zu neunt

Geschockt vom 1:2-Rückstand wollte Rapid in den Schlussminuten noch einmal alles nach vorne werfen, obwohl man nur mehr zu zehnt war. Als dann Schimpelsberger nur eine Minute nach Hadzic‘ Treffer ebenfalls Gelb-Rot sah, wurde nichts mehr daraus. Nach einem harten Einstieg gegen Beichler sah der Rechtsverteidiger zum zweiten Mal an diesem Nachmittag Gelb. „Wir haben uns mit den zwei gelb-roten Karten selbst geschwächt und danach keine Chance mehr gehabt“, gab Schöttel zu.

„Man gewinnt hier nicht alle Tage“

Was nach diesem Cup-Schlager übrig bleibt, ist die Erkenntnis, dass Rapid seit 1995 weiterhin einem Cup-Triumph nachläuft, während Ried die eindrucksvolle Cup-Bilanz unter Gludovatz fortsetzte.

„Wir sind mit Fortlauf der Partie immer mutiger geworden, haben eine andere Körpersprache gezeigt und Sicherheit ins Spiel gebracht“, war der 65-Jährige nach anfänglichen Fehlern im Spielaufbau im Großen und Ganzen zufrieden.

Dass es endlich auch einmal im Hanappi-Stadion mit einem vollen Erfolg klappte, machte ihn besonders stolz. „Man gewinnt hier nicht alle Tage. Wir haben diese einmalige Chance genützt.“

Auch Matchwinner Hadzic war nach dem Schlusspfiff überglücklich und feierte mit seinen Kollegen und den mitgereisten Fans. „Im Hanappi darf man sich nicht verstecken. Wenn du dich da hinten reindrängen lässt, wird der Druck zu groß und dann fallen die Tore. Wir haben das heute sehr gut gelöst.“

Kein Facebook- oder Twitter-Trainer im Mittelpunkt

Bei Rapid ist hingegen seit Wochen guter Rat teuer. Laut Schöttel war es auch diesmal „wieder nicht so schlecht“, allerdings wurde wieder einmal verpasst, die entscheidenden Akzente und Tore zu erzielen.

„Wir waren in vielen Phasen zu naiv, da war Ried viel abgezockter. Wir sind zu brav und zu ehrlich“, ärgerte sich der Rapid-Coach über die immer schwieriger werdende Situation in grün-weiß.

Auch Helge Payer, der sich nach dem schmerzhaften Scheitern als einziger den Journalisten stellte, wirkte ratlos. „Es ist die ewige Leier. Es ist sehr viel ausgetauscht worden, aber trotzdem sind wir bei Rapid und müssen so bald wie möglich wieder Punkte machen. Sonst schaut es sehr traurig aus."

Während bei Rapid die Suche nach einem Erfolgsgeheimnis weiter läuft, bringt Gludovatz jene von Ried auf den Punkt. Und kann sich dabei einen kleinen indirekten Seitenhieb auf den neuen Teamchef Marcel Koller nicht verkneifen:

„Wir sehen die Spieler als Schlüsselposition, bei uns stehen sie im Mittelpunkt. Wir haben keinen Facebook- oder Twitter-Trainer, der sich besser verkaufen muss, als es die Arbeit auf dem Platz zeigt.“


Alexander Karper