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Serie A: Wer kann Juventus vom Thron stoßen?

Serie A: Wer kann Juventus vom Thron stoßen?

Der AC Milan wartet seit 2011 auf einen Scudetto, Inter ein Jahr länger.

Die AS Roma triumphierte zuletzt 2001, Lazio im Jahr davor. Und Napoli? Da muss man bis zur glorreichen Maradona-Ära zurückblicken, als der letzte Meistertitel (1990) errungen wurde.

Fünf Teams, eine Meinung: Es ist Zeit, sich den verlorenen Schatz von Dauer-Champion Juventus Turin zurückzuholen. Ob dieses Vorhaben gelingt, darf zumindest bezweifelt werden, denn der Abo-Meister hat sich in den letzten Jahren in mehrerlei Hinsicht einen schönen Vorsprung auf die Konkurrenz erarbeitet.

LAOLA1 nimmt die Liga unter die Lupe und lässt sich auf ein paar gewagte Prognosen ein. Der Serie-A-Check:

DER TITELVERTEIDIGER

In den letzten vier Jahren war kein Kraut gewachsen, um die "Alte Dame" vom Thron zu stürzen. Juventus hat nach dem Wiederaufstieg sehr, sehr viel richtig gemacht. Das neue Stadion erwies sich als Goldgriff und -grube, dazu gelang es dem Management, zahlreiche Topstars für lau oder verhältnismäßig günstig in den Piemont zu locken. Man denke etwa an die Herren Pirlo (ablösefrei), Pogba (ablösefrei), Evra (1,5 Mio.), Tevez (9 Mio.) oder Vidal (12,5 Mio.).

Letzteren verkaufte der Rekordmeister für teures Geld, es werden 37 Mio. Euro kolportiert, an den FC Bayern, sein Verlust ist aber ebenso schwer zu kompensieren wie jene von Goalgetter Tevez sowie von Denker und Lenker Pirlo. "No Pirlo, no Party" lautet ein Slogan in den sozialen Netzwerken, der Realität werden könnte. Juventus muss sich erst finden, wenngleich das Management namhafte Verstärkungen - Dybala (für 32 Mio. von Palermo), Sandro (für 26 Mio. von Porto), Mandzukic (für 19 Mio. von Atletico) oder auch Khedira (ablösefrei von Real) - von einem Engagement überzeugen konnte.

Hinzu kommen die andauernden Gerüchte um Pogba, der von zahlreichen Klubs wie PSG oder den Insel-Giganten Manchester City und FC Chelsea umworben wird. Trainer Allegri, der im Vorjahr nur knapp das Triple verpasste, steht eine harte Aufgabe bevor, denn ein Teil des Erfolgs-Gerüstes ist weggebrochen. Zu allem Überfluss verpassen Khedira und Urgestein Marchisio auch noch verletzungsbedingt den Saisonstart. Nichtsdestotrotz spricht die individuelle Klasse der Einzelnen auch in dieser Spielzeit eine deutliche Sprache: Der Titel führt über Juventus.

DIE HERAUSFORDERER

Als Nummer zwei des Landes hat sich zuletzt die AS Roma herauskristallisiert. Zwar trudelte man jeweils mit 17 Punkten Rückstand auf Juve im Ziel ein, doch die direkte Qualifikation zur Champions League darf dennoch als voller Erfolg gewertet werden. Für viele Fans ist jedoch die Zeit gekommen, einen Anlauf auf den Titel zu nehmen.

Mit Dzeko (von Manchester City), Rüdiger (VfB Stuttgart), Szczesny (FC Arsenal) und Salah (FC Chelsea) haben die Römer gleich vier namhafte Kicker per Leihe in die "ewige Stadt" geholt, dem gegenüber stehen die Abgänge von u.a. Romagnoli, Bertolacci (beide zum AC Milan), Desto (Bologna), Holebas (Watford) und Yanga-Mbiwa (Lyon). Die Garcia-Elf hat sich klug verstärkt, ohne viel Geld dafür auszugeben. Es erscheint allerdings unwahrscheinlich, dass es mit dem aktuellen Kader zum ganz großen Wurf reicht.

Nur hauchdünn, um einen Punkt, verpasste es Lazio im Vorjahr, Nummer eins in Rom zu werden. Die Saison war dennoch eine bemerkenswerte, landete man doch zuletzt 2006/07 unter den Top-3. In diesem Jahr heißt daher der größte Gegner Erwartungshaltung. Die Biancocelesti sind verwöhnt, spielte die Pioli-Elf doch nicht nur einen erfolgreichen, sondern auch attraktiven Fußball.

Der Kader blieb weitgehend beisammen und wurde mit einigen Talenten wie Milinkovic-Savic (20), Kishna (20), Patric (22) oder Hoedt (21) sowie dem erfahrenen Verteidiger Basta (30) ergänzt. Zudem ist die Rückkehr von Mauri (35) angeblich beschlossene Sache. Ein Fragezeichen steht hinter der Stürmer-Position. Klose hat mit 37 Jahren seinen Zenit überschritten und ist verletzungsanfällig, Ersatz Djordjevic reicht bei weitem nicht an seine Klasse heran. Die Hoffnungen ruhen auf den Außenbahnspielern Anderson, Candreva und Keita. Bei einem Einzug in die Champions League soll und muss dennoch nachgebessert werden. 

Am Ende war es eine Enttäuschung für den SSC Napoli. Als Mitfavorit auf den Scudetto in die Saison gestartet, landete die Truppe von Rafa Benitez 2014/15 nur auf Rang fünf. Der Spanier ist inzwischen bei Real, dafür soll Maurizio Sarri die Kampanier in ungeahnten Höhen führen. Die Ausgangslage zum letzten Sommer ist allerdings differenziert: Diesmal gilt Napoli bestenfalls als Geheimfavorit.

Genau darin liegt die Chance. Während der Druck auf den Großklubs aus Turin, Rom und Mailand liegt, kann der SSC vergleichsweise locker und befreit drauf loslegen. Mit Allan (für 11,5 Mio. von Udinese) hat man sich einen technisch versierten Mittelfeldspieler geschnappt, auch von Chiriches (von Tottenham), Valdifiori und Hysaj (beide von Empoli) erwartet man sich eniges. Dazu begrüßte das Team Rückkehrer Reina (vom FC Bayern). Abgegeben wurde mit Inler (zu Leicester) nur ein namhafter Akteur.

SPOTLIGHTS

Wiedergutmachung I

"Da fehlen doch noch zwei Titelkandidaten", werden sich jetzt wohl einige gedacht haben. In der Tat, Inter und der AC Milan haben das Selbstverständnis, schon vor Saisonstart eine Hand an den Scudetto zu legen. Bei beiden steht die Saison im Zeichen der Wiedergutmachung. Inter blieb zuletzt vieles schuldig und wurde mit Rang acht und dem Verpassen des Europacups bestraft. Damit sich das nicht wiederholt, bekam Trainer Mancini seinen Wunschspieler Kondogbia für 30 Millionen von der AS Monaco. Da man dabei den Erzrivalen, der bereits eine mündliche Zusage hatte, ausstach, schmeckte aus Sicht der Nerazzurri besonders süß. Mit Miranda und Jovetic wurden zwei weitere Topspieler an den Klub gebunden, sodass die CL-Teilnahme Pflicht ist, mehr wäre die Kür.

Wiedergutmachung II

Bei Milan blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Mihajlovic kam für Inzaghi, Luiz Adriano und Bacca sollen den Sturm beleben, Romagnoli und Rückkehrer Ely der Abwehr neue Stabilität verleihen, Bertolacci im Mittelfeld für Furore sorgen. Dazu ist Geschäftsführer Galliani drauf und dran, Witsel und/oder Soriano zu verpflichten. Gegangen (worden) sind indes u.a. Essien, Rami, Muntari, Robinho, Pazzini und El Shaarawy (verliehen). Berlusconi spricht schon wieder vom Titel, doch dafür könnte es noch zu früh sein. Milan wird allerdings eine deutlich bessere Rolle spielen als in den vergangenen beiden Jahren, als man jeweils das internationale Geschäft verpasste. Gutes Omen: Als dies zum letzten Mal passierte (1996/97, 1997/98) holte man direkt danach den Scudetto.

Frosi-wer?

Frosinone Calcio ist in Italien das, was der SV Darmstadt in Deutschland oder Gazélec Ajaccio in Frankreich darstellen: Der vermeintliche Fixabsteiger Nummer eins. Kaum einer traut dem Klub von (Ersatz-)Kapitän Robert Gucher zu, in der Beletage des italienischen Fußballs mehr als eine Saison zu überleben. Auf dem Papier haben die Experten recht, doch wie hat schon Adi Preißler gesagt? "Entscheidend is auf'm Platz." Die "Canarini" surfen auf einer Welle der Euphorie. "Bei uns grassiert das Fußballfieber", erklärt Gucher. Die Saison-Abos waren binnen kürzester Zeit vergriffen, das Stadio Matusa (bietet 10.000 Menschen Platz) soll weiterhin eine Festung bleiben. In den letzten beiden Jahren gab es nur eine Heimniederlage. 

WETTEN, DASS ...

... Juventus in dieser Saison mindestens genauso viele Niederlagen erleidet wie in den beiden vorangegangenen Spielzeiten zusammen? Da waren es lediglich fünf.

... Milan noch vor Ende der Transferperiode einen weiteren Hochkaräter davon überzeugen kann, trotz Europacup-Abwesenheit in die Mode-Metropole zu wechseln?

... zwei der drei Aufsteiger (Bologna, Carpi, Frosinone) die Klasse halten und einer davon (vermutlich Bologna) sogar an einem einstelligen Tabellenplatz schnuppert?

... die beiden Veteranen Toni und di Natale auch in dieser Saison zweistellig treffen? Natürlich vorausgesetzt, dass sie ohne größere Verletzungssorgen bleiben.

... nach dem Debakel der letzten Saison diesmal beide Mailänder Vereine den Sprung ins internationale Geschäft schaffen?


Christoph Nister