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"Das kann ich ihm eigentlich nicht glauben"

Mit einem Cola in der Hand steht Marcel Ziegl in der Tür. Links neben ihm befindet sich die Toilette. Deren Tür steht offen.

Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen gehaltenem Getränk und offenem WC: Der Rieder muss sich nach dem Hinspiel im Europa-League-Playoff der Doping-Kontrolle unterziehen.

Sein Teamkollege Thomas Reifeltshammer hatte das nach dem sensationellen 0:0 gegen PSV Eindhoven schon hinter sich gebracht. Bei Ziegl läuft es nach der Partie noch nicht.

Hinum rät zu Bier

Thomas Hinum kommt aus der Mannschaftskabine, erblickt Ziegl in der Tür, bleibt stehen und gibt folgenden Rat: „Trink a Bier! Des hilft! Glaub‘ mas!“

Der 18-Jährige verweigert lächelnd und spricht lieber weiter mit den Journalisten, die vor der Tür zum Gang stehen. Es gibt auch viel zum Erzählen. Schließlich kam sein Einsatz gegen PSV überraschend.

Auch hier gibt es einen kausalen Zusammenhang: Florian Mader hatte am Abend vor dem Spieltag den Wechsel zur Austria in die Wege geleitet, Ziegl rutschte für ihn in die Startelf.

„Natürlich ist mir am Morgen in den Sinn gekommen, dass ich spielen könnte“, erzählt der Jungspund nach seinem Europa-League-Debüt, das ihm aufgrund von Gegner und Ergebnis ein Dauer-Grinsen ins Gesicht zeichnete.

Schon seit drei Saisonen dabei

Der universell einsetzbare Spieler ist für einen 18-Jährigen aber schon so was wie ein alter Hase. Sein Bundesliga-Debüt gab der Blondschopf noch als 16-Jähriger – beim 1:0 am 29. November 2008 gegen den LASK.

Seither absolvierte Ziegl 33 Bundesliga-Spiele, am Sonntag machte der Oberösterreicher beim wichtigen 3:2-Sieg in Mattersburg 64 Minuten lang sein 34. – von Beginn an.

„Ich versuche natürlich, dass ich gut spiele und weiter auflaufen kann“, will der Youngster zum Stammspieler mutieren und hofft deswegen nicht unbedingt auf einen Mader-Ersatz.

Zumal Ziegl, der als 14-Jähriger in die Rieder Akademie wechselte, wohl das Zeug dazu hätte, schließlich ist er auch U20-WM-Teilnehmer gewesen.

„Ein einzigartiges Erlebnis“, strahlt Ziegl nach wie vor. Umso weniger kann der 17-fache Nachwuchs-Internationale, der beim 0:3 gegen Brasilien 58 Minuten am Platz stand, Martin Hinteregger verstehen.

Ziegl versteht Hinteregger nicht

Der Verteidiger hatte freiwillig auf das Kolumbien-Abenteuer zugunsten seiner (erfolgreichen) Stammplatz-Ambitionen bei Salzburg verzichtet und meinte gegenüber LAOLA1: "Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich bin froh, dass ich nicht dabei war.“

Das kann Ziegl nicht nachvollziehen. „Ich kann ihm das eigentlich nicht glauben. Aus sportlicher Sicht war es natürlich eine Enttäuschung, aber vom Flair nicht. Alleine schon in der Hotel-Lobby war immer etwas los, viele Leute und Fans. Es war für uns alle sicherlich ein einzigartiges Erlebnis. Ich glaube, es gibt nicht viele U20-WM-Spieler, die das sagen würden.“

Dabei verweist Ziegl auch auf die vorbildhafte Einstellung seines Klubs: „In unserem Fall hat der Verein auch wirklich forciert, dass Spieler dabei sind – als einer der wenigen. Salzburg hat zum Beispiel sehr gezögert, unser Verein hat das Richtige gemacht. Es war einzigartig.“

Teamchef Andreas Heraf erklärte nach dem glanzlosen Ausscheiden ohne Punkt und mit 0:7-Toren, dass es auch mit Spielern wie Alaba, Dragovic oder Holzhauser schwer geworden wäre.

„Wir hätten gegen Panama gewinnen müssen und dann wären wir in jedem Fall im Achtelfinale gewesen und dann wäre der Aufschrei nicht so groß gewesen. Brasilien und Ägypten waren aber eine Stufe über uns zu stellen“, gibt Ziegl wie seine Teamkollegen zu.

Ein besonderes Erfolgserlebnis in Südamerika

Ein Erfolgserlebnis hatte der Defensivspieler in Südamerika aber doch zu verzeichnen. Seine Rieder stiegen in der 3. EL-Quali-Runde gegen Bröndby Kopenhagen auf. Für Ziegl und Vereins-Kamerad Robert Zulj ein emotionales Hin und Her.

„Wir sind im Zimmer gesessen und haben im Internet das Spiel verfolgt. Dann mussten wir in Minute 37 zum Essen – da stand es 0:0. In Speisesaal sagt uns dann der Pressechef: Ihr seid 0:2 hinten!“, konnte es der Innviertler nicht glauben und schildert weiter.

„Nach einer Ansprache vor dem Essen begann dann die zweite Hälfte. Wir gehen zum Büffet, kommen zurück, es steht 0:3 – das gibt’s ja nicht! Dann auch noch 0:4!“, schüttelt Ziegl lachend den Kopf. Wohlwissend, was folgen sollte: „Zurück im Zimmer haben wir dann das 1:4 und 2:4 mitbekommen, das war natürlich toll.“

Dieses Erlebnis wollen die beiden Rieder am Donnerstag live in Eindhoven erleben.

„PSV hat den Druck, sie müssen zu Hause noch offensiver spielen als in Ried. Da werden wir sicher unsere Chancen finden, so wie bei den Standards“, hofft der Youngster.

In seinem Idealfall jubelt Ziegl auf dem Feld über den Aufstieg in die Europa-League-Gruppenphase – als Stammspieler, nicht als Ersatzmann.

 

Bernhard Kastler