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"Es wird keine taktischen Revolutionen geben"

Thomas Janeschitz beobachtet die Spiele der Fußball-EM in Polen und der Ukraine mit doppeltem Interesse.

Zum einen sammelt der Assistent von Teamchef Marcel Koller vor Ort Informationen über den kommenden WM-Qualifikationsgegner Schweden, zum anderen nimmt er als Chef der ÖFB-Trainerausbildung die taktischen Trends genau unter die Lupe.

Wesentliche Neuerungen in punkto Spielanlage erwartet der Wiener nicht. "Es wird keine taktischen Revolutionen geben", erklärte Janeschitz. Das klassische 4-4-2 habe schon länger ausgedient, die Tendenz zu einem 4-2-3-1 in verschiedenen Variationen werde zunehmen.

Kontrolle im Mittelfeld oberstes Gebot

"Zwei echte Stürmer nebeneinander sind eine echte Seltenheit geworden. Da kann es passieren, dass man im Mittelfeld in Unterzahl gerät, und das ist gefährlich."

Die Kontrolle im Mittelfeld ist derzeit eines der obersten Gebote im Fußball, weshalb die meisten Teams nur auf einen klassischen Stürmer setzen. "Eigentlich spielen fast alle ein 4-2-3-1, manche sagen auch 4-3-3 oder sonstwie dazu", sagte Janeschitz.

Die nun schon jahrelange Dominanz eines Systems bedeutet aber nicht, dass es im Fußball keine Weiterentwicklung gibt. Laut Janeschitz zeigten sich zuletzt vor allem der FC Barcelona und das spanische Nationalteam innovativ.

"Sie haben das vertikale Spiel in der Offensive und das Anbieten in den Schnittstellen etabliert."

Spanien ist das Vorbild

Mit dem Gegen-Pressing war eine weitere Entwicklung aus dem Land des Welt- und Europameisters richtungsweisend. "

Früher war nach Ballverlust das Ziel, so schnell wie möglich wieder hinter den Ball zu kommen und dann mit der Verteidigung zu beginnen. Die Spanier beginnen sofort nach dem Ballverlust wieder mit der Balleroberung", erklärte Janeschitz.

Nicht nur Deutschland hat sich zuletzt stark an den spanischen Trendsettern orientiert. Auch die ÖFB-Auswahl nimmt sich Xavi und Co. zum Vorbild, was die schnelle Rückeroberung des Balles betrifft. "Und zuletzt hat es teilweise schon ganz gut funktioniert."

Gescheitertes Experiment

Die Aufstellung der Spanier beim 1:1 gegen Italien ohne Stürmer wird wohl weniger beispielgebend sein.

"Ich glaube, sie werden mit diesem Experiment selbst nicht ganz zufrieden sein. Vorne hat ganz klar eine Anspielstation gefehlt. Als mit Torres ein Mittelstürmer gekommen ist, hat es gleich mehr Chancen gegeben", meinte der Ex-Bundesliga-Profi.

Für die ÖFB-Auswahl ist der Verzicht auf einen Stürmer wohl ausgeschlossen. Janeschitz: "Wir sollten an unserer Organsiationsform festhalten."

"Das Umschalten ist die wichtigste Phase"

Das bedeutet auch, dass die von den Italienern in dieser Partie praktizierte Dreier- bzw. Fünfer-Kette für das österreichische Nationalteam kein Thema ist.

"Mir wäre es zu schade, einen zusätzlichen Spieler für die Defensive zu opfern. Außerdem hatten Mannschaften mit dieser Taktik zuletzt bei Großereignissen keinen großen Erfolg", sagte der 45-Jährige.

Anleihen könnten dagegen am Spiel der Russen genommen werden, was den schnellen Wechsel zwischen Verteidigung und Angriff betrifft.

"Das Umschalten ist die wichtigste Phase im Fußball, egal in welche Richtung. Da bieten sich Räume, die man schnell nutzen oder schließen muss. Russland kann das sehr gut, aber auch die anderen üblichen Verdächtigen wie Spanien, Deutschland oder die Niederlande."

Offensive besser als Defensive

Am stärksten schätzt Janeschitz noch immer den Titelverteidiger ein. "Ich glaube an einen Finalsieg von Spanien gegen Frankreich."

Außerdem prophezeite der Teamchef-Assistent, der am Montag bei Ukraine - Schweden (2:1) in Kiew im Stadion saß und auch bei den weiteren Gruppenspielen der Skanidinavier spioniert, eine spektakuläre EM.

"Ich rechne mit vielen Toren, weil bei den Mannschaften die Offensive meistens besser besetzt ist als die Defensive."

Angst vor einer Rückkehr des Beton-Fußballs, den etwa Chelsea auf dem Weg zum Champions-League-Sieg praktizierte, hat der Ex-Teamspieler nicht.

"Ich glaube nicht, dass so etwas von Erfolg gekrönt sein wird, ohne die entsprechenden Mittel in der Offensive zu haben."