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Das Hartberger Märchen ist "wie ein Lotto-Sechser!"

Das Hartberger Märchen ist

Fan-Ausschreitungen, Platzsturm, Spielabbruch, Angriffe auf die Polizei, Tränengas. All diese Dinge lassen den eigentlichen Anlass des Relegations-Spiels am Freitagabend in Hartberg in Vergessenheit geraten. Gesprochen wird über einen Skandal, über eine Schande, über Hooligans. Dass ganz nebenbei ein Märchen wahr wurde, rückt in den Hintergrund.

„Es ist wie ein Lotto-Sechser!“, beschreibt Hartberg-Kapitän Jürgen Rindler die Situation des TSV und die Geschehnisse der letzten Wochen treffend. Nach einer schwachen Saison in der Ersten Liga, in der man fast durchgehend den letzten Platz belegte, fixierte der TSV am 4. Mai mit einer von vielen unglücklichen Niederlagen den Abstieg vor eigenem Publikum gegen den LASK.

Starker Saisonabschluss

Sportlich wertlos sollten die folgenden drei Runden dennoch nicht sein. Als Fixabsteiger lieferte der TSV in Wolfsberg eine Sensation und besiegte Tabellenführer WAC/St. Andrä mit 4:1.

Nach einer weiteren Heimniederlage gegen St. Pölten mussten die Oststeirer noch einmal ins Ländle und besiegten den FC Lustenau - der noch um den Klassenerhalt kämpfte und Punkte brauchte - mit 3:0.

Durch diesen Sieg ergatterte die Vienna den achten Platz. Für den FC Lustenau begann das große Zittern. Die Bundesliga hatte dem LASK in erster Instanz die Lizenz für die Bundesliga verwehrt.

Keine Lizenz für den LASK

Wenige Tage später fiel auch das Urteil in zweiter Instanz negativ aus. Die Hoffnung von Lustenau auf den Klassenerhalt am grünen Tisch stieg. Und jene von Hartberg auf den Relegationsplatz ebenso.

In Ungewissheit trainierten beide Teams auf zwei Relegations-Endspiele gegen Regionalliga-Mitte-Meister GAK hin. Urlaube wurden verschoben, Verträge für zwei Wochen verlängert.

Am 29. Mai kam die Entscheidung des Ständig Neutralen Schiedsgerichtes: Der LASK erhält keine Lizenz für die Bundesliga. FC Lustenau bleibt in der Liga, Hartberg rückt auf den Relegationsplatz vor.

Ausverkaufte UPC-Arena

Am 5. Juni kam es dann in der ausverkauften UPC-Arena vor 14.400 Zuschauern zum ersten Aufeinandertreffen. In einer spannenden Partie, die mit hoher Intensität geführt wurde, erzielten beide Klubs kein Tor. Das 0:0 steigerte die Spannung vor dem Rückspiel zusätzlich.

Oft scheiterten die Hartberger an sich selbst

Der Druck auf den TSV war groß. In neun Frühjahres-Pflichtspielen im eigenen Stadion erzielten die Blau-Weißen nur vier Tore, der letzte Heimsieg gelang im September.

Am Freitagabend war ein Torerfolg Pflicht. Und diesmal gelangen die Treffer auch. Nach dem dritten war aber Schluss, da einige GAK-Anhänger genug gesehen hatten und den Platz stürmten.

Auch wenn die Feier des TSV verhalten ausfiel, war die Freude bei den Spielern riesengroß. „Wir sind überglücklich, dass wir weiterhin in der Liga sind. Wir sind sportlich verdient abgestiegen. Dass wir noch einmal die Chance bekommen haben, ist wie ein Sieg bei Euro-Millionen. Wir sind jetzt einfach überglücklich, dass wir diese allerletzte Chance genützt haben“, meint Rindler.

Gratulation an den GAK

„Es war unglaublich. Der Trainer hat gesagt, ich muss in den 20 Minuten alles geben. Dass aus dem ersten Ballkontakt ein Tor wird, ist natürlich umso schöner. Schade ist, dass dadurch der Platzsturm ausgelöst wurde“, erzählte Daniel Gremsl, der kurz vor dem Ende ins Spiel kam und das letzte Tor mustergültig vorbereitete.

Trainer Walter Hörmann blieb nach dem Erfolg sportlich fair: „Man muss dem GAK aber gratulieren. Sie haben uns mit einer sehr jungen Mannschaft zwei Mal sehr gefordert. Es war sehr knapp, kurz vor der Pause hatte der GAK eine super Chance. Wenn sie da treffen, kann es sehr brenzlig werden.“

Der TSV schien erst in den letzten Runden der Saison zu einer Form zu finden. Für diesen Umstand hat Hörmann auch eine Erklärung: „Wir sind in den letzten Wochen sehr zusammengewachsen, haben Spieler entfernt, die nicht so sehr in das Teamgefüge gepasst haben. Jetzt hat die Mannschaft unheimlich viel Charakter.“

Hörmann hat eine Mannschaft geformt

Zu oft in Schönheit gestorben

Rindler fügt dem hinzu: „Wir haben oft gezeigt, dass wir gut spielen können, haben aber nicht getroffen. In Wahrheit sind wir oft in Schönheit gestorben. Jetzt haben wir die Tore gemacht, auch wenn der GAK besser war. Schönheit allein schießt halt keine Tore.“

Für die nächste Saison ist dennoch ein Umbau nötig. Unter anderem verlassen Leistungsträger wie Rakowitz (Wr. Neustadt), Prietl (Mattersburg), Mössner (Pasching) und Strobl (Grödig) den TSV.

Obmann Franz Grandits glaubt dennoch, eine gute Mannschaft formen zu können: „Wir haben gehofft, dass wir den Klassenerhalt schaffen, waren aber auch auf die Regionalliga vorbereitet.“

Auf das Märchen folgt die Planung

„Wir sind ein Ausbildungsverein und freuen uns, dass wieder einige Spieler in die Bundesliga kommen. Dennoch glaube ich, dass wir eine Mannschaft zusammenstellen werden, die den Klassenerhalt schaffen kann. Wir müssen uns im Sturm verstärken, weil Mössner und Friedl uns verlassen. Unsere Liga ist stark und man hat gesehen, dass der überlegene Regionalliga-Meister uns nicht schlagen konnte. Da müssen wir die richtigen Leute finden“, lässt Grandits wissen.

Für den TSV Hartberg ist es ein Märchen. Erst Fixabsteiger, dann Außenseiter in der Relegation und schließlich doch der Klassenerhalt. Die Vereins-Verantwortlichen wurden zur Feier des Tages von den Spielern mehrfach mit Bier übergossen.

„Kann man sich an Bierduschen gewöhnen?“, wurde Hörmann gefragt, nachdem er zum fünften Mal getränkt wurde. Mit einem Lächeln meinte der Coach: „Grundsätzlich trinke ich das Bier lieber.“ Das tat er dann auch.

 

Rainer Liebich