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"Ich möchte keine großen Sprüche klopfen"

Selten löst ein Transfer in Österreich derartige Emotionen aus wie jener von Jürgen Säumel zu Sturm.

Die Heimkehr des „verlorenen Sohnes“ sorgte bei den Anhängern der „Blackies“ in diversen Internet-Foren für Begeisterungsstürme.

So mancher Fan schrieb gar von Freudentränen.

„Manchmal bin ich selbst über die positiven Reaktionen überrascht“, gesteht der Mittelfeldspieler, der die Personalnot in der Grazer Schaltzentrale lindern soll, verlegen.

Mit Säumel kehrt nach drei wechselhaften Legionärs-Jahren bei Torino, Brescia und Duisburg eine Ikone zu Sturm zurück. Säumel übernahm einst als Teenager die Kapitänsschleife und war Teil jener jungen und talentierten Mannschaft, mit der Sturm nach dem Konkurs 2006 wieder durchstartete.

Nun ist es der 19-fache A-Teamspieler, der wieder durchstarten will. Warum er wieder bei Null beginnt, und was er im Ausland gelernt hat, erklärt er im LAOLA1-Interview.

LAOLA1: Warum hast du dich für eine Rückkehr zu Sturm entschieden?

Jürgen Säumel: Aufgrund der schwierigen letzten Saison war ich auf der Suche nach einem Verein, wo ich Trainer, Sportdirektor und im Idealfall das Umfeld kenne. Da ist Sturm natürlich perfekt. Ich bin unter Franco Foda groß geworden. Er kennt meine Stärken und Schwächen, weiß, was ich der Mannschaft bringen kann. Wir haben am Freitag ein gutes Gespräch gehabt, und ich bin froh, dass es jetzt relativ schnell über die Bühne gegangen ist.

Die Nummer 24 ist wieder bei Sturm

LAOLA1: Das klingt nach einer Entscheidung für die Sicherheit und gegen ein neues Abenteuer. Kann man das so interpretieren?

Säumel: In erster Linie war es eine rein sportliche Entscheidung. Ich möchte noch einmal angreifen, möchte noch einmal richtig durchstarten. Ich glaube, dass Sturm dafür zu 100 Prozent der richtige Verein ist. Aber gerade nach so einem Jahr will man sich schon gar nicht auf ein Abenteuer einlassen. Als ich vom Interesse Sturms gehört habe, war es meine erste Option.

LAOLA1: Es gab seit einiger Zeit das Gerücht, dass du im Falle eines Weiterkommens gegen Zestafoni zurückkehrst. Wie lange bestand der Kontakt zu Sturm bereits?

Säumel: Mein Berater ist seit ein paar Wochen mit Franco in Kontakt gestanden, der ist dann jedoch ein bisschen abgerissen. Am Freitag hatten Franco, mein Berater und ich ein gutes Gespräch. Da haben wir uns gegenseitig ausgetauscht. Dann ist es relativ schnell gegangen.

LAOLA1: Erhöhte die Chance auf die Champions League den Reiz, oder war es Reiz genug, dass Sturm tendenziell dein Lebensverein ist?

Säumel: Mit der Champions League hat es eigentlich nichts zu tun, sondern mit den Argumenten, die ich vorher schon aufgezählt habe. Ich wollte zu einem Verein, bei dem ich mich hundertprozentig wohl fühle, wo mich alle kennen. Etwas Besseres konnte mir in der jetzigen Zeit nicht passieren – unabhängig davon, ob wir in die Champions League kommen oder nicht. Aber natürlich besteht die Möglichkeit, und es ist auch ein Ziel von mir.

LAOLA1: Ein „Verein, wo dich alle kennen“ ist ein gutes Stichwort: Wenn man sich diverse Foren zu Gemüte führt, erlebt man begeisterte Reaktionen wie selten bei einem Transfer in Österreich. Hättest du gedacht, dass du für die Fans solch eine Ikone bist?

Säumel: Nein, ich bin selbst überrascht. Natürlich ist das ein riesiger Anreiz für mich, Gas zu geben und den Fans das Vertrauen zurückzugeben. Aber das wird nicht einfach werden. Ich sehe es eigentlich so, dass ich wieder bei Null anfange. Ich werde mich in den Dienst der Mannschaft stellen und versuchen, meine Stärken einzubringen. Aber im Vordergrund stehen die Mannschaft und der Verein, und dass wir gemeinsam erfolgreich sind. Das ist das Wichtigste.

LAOLA1: Lässt sich deine Beliebtheit auch mit dieser Bescheidenheit beziehungsweise dem Umstand, dass du während und nach der schwierigen Phase des Konkurses Kapitän warst, begründen?

Säumel (lacht verlegen): Das weiß ich selbst nicht so genau. Manchmal bin ich selbst überrascht über die positiven Reaktionen. Ich glaube, es wird einfach gerne gesehen, wenn man sich zu einem Verein bekennt. Ich habe in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass Sturm für mich ein toller Verein ist. Ich bin froh, dass ich wieder zurückgekehrt bin.

LAOLA1: Du hast Sturm sicher auch während deiner Abwesenheit verfolgt. Gerade auf deiner Position hat Handlungsbedarf bestanden. Das Duo Jürgen Säumel/Manuel Weber sollte für Qualität stehen. Wie stellst du dir die Zusammenarbeit vor?

Säumel: Wie wir harmonieren werden, wird sich am Platz zeigen. Außerdem sind noch andere Kandidaten da – Sandro Foda, Matthias Koch wird zurückkehren, Samir Muratovic hat auf dieser Position gespielt. Ich möchte mich im Training anbieten und schauen, dass ich so schnell wie möglich matchfit bin. Darauf liegt jetzt mein Hauptaugenmerk. Wer dann mit wem zusammenspielen wird, entscheidet der Trainer. Ich bin mir sicher, dass ich mit allen Kandidaten klar komme.

LAOLA1: Im Mai hast du noch gemeint, dass ein Verbleib im Ausland deine erste Option ist. Gab es Anfragen?

Säumel: Damals wusste ich vom Interesse Sturms noch nichts. Ich habe jetzt gesehen, wie es im Ausland abläuft. Natürlich habe ich meinem Berater gesagt, dass er sich auch in diese Richtung weiter umschauen soll. Es hat auch Gespräche gegeben, aber es ist nichts konkret geworden. Spätestens nachdem es mit Sturm konkret geworden ist, war für mich klar, was ich will und was ich machen werde.

LAOLA1: Deine drei Jahre im Ausland waren sehr wechselhaft. Du bist in deiner ersten Saison bei Torino auf 19 Serie-A-Einsätze gekommen, hast aber gerade in Turin auch unschöne Zeiten erlebt. Was hast du als Legionär besonders gelernt, inwiefern kommst du als anderer Spieler zurück?

Säumel: Es waren viele Höhen und Tiefen dabei, es waren sehr turbulente Zeiten. Im ersten Jahr waren wir im Abstiegskampf, da herrschte ein Riesendruck. Im zweiten mussten wir unbedingt aufsteigen. Die Mannschaft und ich standen ständig unter Erfolgsdruck. Außerdem war der Konkurrenzdruck sicherlich etwas, das ich bei Sturm damals nicht kennengelernt habe. Ich habe im Ausland sicherlich dazugelernt, mit Druck umzugehen. Außerdem glaube ich, dass ich menschlich gereift bin, da ich speziell in den zweieinhalb Jahren in Italien einiges dazulernen konnte – andere Sprache, andere Mentalität, da konnte ich mich schon weiterbilden. Darüber, inwieweit ich mich sportlich weiterentwickelt habe, möchte ich keine großen Sprüche klopfen, sondern mich am Platz beweisen. Ich hoffe, dass man das dann sehen kann.

LAOLA1: Missen möchtest du die Zeit im Ausland trotz aller Probleme nicht, oder?

Säumel: Auf alle Fälle nicht. Ich würde den Schritt definitiv wieder machen. Nach der Europameisterschaft war es mein Ziel, den Sprung ins Ausland zu schaffen. Bei Torino habe ich persönlich eine recht gute Saison gespielt, auch wenn sich das vielleicht ein bisschen blöd anhört, weil wir abgestiegen sind. Der Verein war leider generell nicht so gut aufgestellt. Ich persönlich hatte aber relativ viel Einsatzzeit und habe ganz gute Leistungen gebracht. Im zweiten Jahr bin ich mit Brescia aufgestiegen. Danach ist es ein bisschen unglücklich gelaufen mit Transfers beziehungsweise möglichen Transfers, die nicht zustande gekommen sind. Aber dem möchte ich nicht mehr nachtrauern. Ich konzentriere mich voll auf Sturm.

LAOLA1: Dein Vertrag läuft über ein Jahr plus Option. Ist es dein Ziel, längerfristig bei Sturm zu bleiben, oder hast du das Ausland weiter im Hinterkopf?

Säumel: Momentan konzentriere ich mich nur auf Sturm. Das wird schwer genug, weil die Erwartungshaltung nach dem Meistertitel und dem Cupsieg 2010 sehr groß ist. Deshalb glaube ich, dass es ein schwieriges Jahr werden könnte. Darum gilt meine ganze Konzentration der Aufgabe in Graz.

LAOLA1: Als du noch bei Sturm warst, seid ihr auch Winterkönig geworden. Hättest du trotzdem geglaubt, dass es einmal zum ganz großen Wurf, sprich dem Meistertitel, reichen kann?

Säumel: Das große Plus in den letzten zwei Jahren war, dass die Mannschaft mehrere erfahrene Spieler hatte. Das hatten wir damals nicht, bei uns waren es „nur“ Mario Haas und Samir Muratovic. Dass es jetzt auf mehrere Schultern verteilt ist, ist kein Nachteil. Es ist wichtig, junge Spieler einzubauen, aber wenn die nötige Erfahrung fehlt, ist es schwer, Titel zu holen. Zudem zahlt es sich einfach aus, wenn man mit Kontinuität arbeitet. Franco Foda ist seit ewigen Zeiten Trainer bei Sturm. Jeder weiß, was er verlangt, die Spieler können sich darauf einstellen. Ich glaube, im heutigen Fußball ist es wichtig, dass man einen Trainer langfristig arbeiten lässt.

LAOLA1: Hast du den Traum, selbst einmal als Sturm-Kapitän eine Trophäe in die Luft zu stemmen?

Säumel: Mit dem Kapitänsamt befasse ich mich überhaupt nicht, da gibt es andere. Von der Vergangenheit, die ich bei Sturm hatte, kann ich mir nichts kaufen. Es war eine schöne Zeit, aber jetzt fange ich wieder bei Null an und stelle mich dem Konkurrenzkampf. Klar ist es so, dass man als Spieler irgendwann auch Titel holen will, aber in Österreich gibt es mit den zwei Wiener Mannschaften und Salzburg Vereine, die aufgrund der finanziellen Lage über uns zu stellen sind. Wenn es passiert, würde ich mich natürlich freuen, aber von dem kann man eigentlich nicht ausgehen.

Das Gespräch führte Peter Altmann