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Die Fehler des Ivo Vastic

Die Fehler des Ivo Vastic

Das „Experiment Ivica Vastic“ – es scheint zum Scheitern verurteilt.

Groß waren die Hoffnungen in den 42-Jährigen, als er im Dezember 2011 das Amt des Cheftrainers bei der Wiener Austria von Karl Daxbacher übernahm.

Anscheinend jedoch zu groß, denn statt eines Fort- gab es einen Rückschritt. Denn mittlerweile gleicht jedes Austria-Match einem 90-minütigen Werbe-Spot für den beurlaubten Ex-Trainer.

Der Meistertitel ist seit dem indiskutablen und beschämenden 0:1 gegen Kapfenberg endgültig verloren, im Kampf um einen internationalen Startplatz muss man sich aufgrund der letzten Leistungen Sorgen machen.

Binnen sechs Monaten hat Vastic seinen Kredit verspielt, von der anfänglichen Aufbruchstimmung ist nichts mehr übrig.

Statt Jubel, Trubel, Heiterkeit brodelt der Verteilerkreis. Die Fans steigen angesichts der Blamagen und Demütigungen auf die Barrikaden, die Spieler wirken rat- und fassungslos. Noch macht die Vereinsführung gute Miene zum bösen Spiel. Aber wie lange? Keine Frage, Ivica Vastic ist mehr als angezählt.

LAOLA1 nennt fünf seiner größten Fehler:

MUTLOSE AUSRICHTUNG

Vor einem Jahr wurden die Veilchen noch für ihr Offensiv-Feuerwerk als spielstärkste Mannschaft der Liga gelobt. Davon ist man derzeit so weit entfernt, wie Österreich von einer erfolgreichen EM-Qualifikation. Vastic setzt lieber auf Defensive – egal ob der Gegner Salzburg oder Kapfenberg heißt. Die Null muss stehen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sind ihm alle Mittel recht. Am Wochenende gegen den Tabellenletzten standen sieben Defensiv-Spieler in der Startformation. In der eigenen Hälfte haben spielerische Lösungen keine Priorität, der Ball soll weggeschlagen werden. Das Risiko wird minimal gehalten. Dass Neuzugang Roman Kienast meist als Solospitze agiert und damit vollkommen in der Luft hängt, ist eine logische Begleiterscheinung. Durchdachte oder gar flüssige Spielzüge in der gegnerischen Zone sind Mangelware und oft ein Zufallsprodukt. Die Devise lautet scheinbar: „Vorrücken bis zu Mittellinie und abwarten.“ Die an und für sich spielfreudigen Offensivkräfte sind frustriert. Eine Handschrift ist nicht zu erkennen, von einem Spielsystem kann erst recht nicht die Rede sein, wie auch Michael Liendl bestätigt: „Wir spielen ständig hohe Bälle und hoffen, dass vorne ein glücklicher Abpraller passiert.“ Kein Wunder also, dass in seinen zwölf Spielen als Chefcoach nur acht Tore erzielt wurden. Bei vier Siegen, fünf Unentschieden und drei Niederlagen liegt Vastic‘ Punktschnitt bei 1,42 – übrigens niedriger als jener von Daxbacher (1,47).

PLANLOSE ROTATION

Stammelf? Weit gefehlt! Vastic probiert und probiert. Keine der bisherigen zwölf Startaufstellungen glich der anderen. Im Durchschnitt rücken von Spiel zu Spiel 2,7 neue Protagonisten in die erste Elf. Vor allem in den Schaltstelle, den beiden zentralen Mittelfeldspielern, herrscht ein stetes Kommen und Gehen. Sieben verschiedene Pärchen haben bisher die Doppel-Sechs gebildet (siehe Tabelle). Obwohl dort sowieso so etwas wie ein Überangebot herrscht, wurde beim KSV sogar Suttner auf dieser für ihn ungewohnten, wenngleich nicht völlig neuen, Position aufgestellt. Das mag zwar zur Folge haben, dass der Konkurrenzkampf im Training größer wurde, hat aber auch negative Effekte. Eingespielt sind die Veilchen definitiv nicht. Das Selbstvertrauen steigt auch nicht, wenn man zwischen Startelf, Bank und Tribüne pendelt. Weil der Trainer seine Entscheidungen innerhalb der Mannschaft nur selten erklärt, herrscht Rätselraten.


BEIBEHALTENE STANDARDSCHWÄCHE

Wer hat Angst vor Austrias Standardsituationen? Niemand! Wäre diese Frage vor dieser Saison gestellt worden, würde die Antwort allerdings anders aussehen. Die Violetten galten über Jahre als Meister der ruhenden Bälle. Speziell in Zeiten eines Milenko Acimovic‘ herrschte Alarmstufe Rot im gegnerischen Strafraum. Doch die Erfolgsquote ist sukzessive zurückgegangen und hat heuer einen neuen Tiefpunkt erreicht. Erzielte die Austria in der Saison 2009/10 noch 24 Treffer aus Standards, waren es 2010/11 nur mehr zehn Tore. In der aktuellen Meisterschaft liegt die Ausbeute bei lediglich fünf Volltreffern. Bei alleine 176 Eckbällen und den zahlreichen Freistößen in aussichtreicher Position ein erschreckender Wert. Damit rangieren die Violetten ligaintern in dieser Wertung am letzten Platz. Vastic ist es bisher nicht gelungen, dieses Manko, das sich bereits unter Daxbacher wie ein roter Faden durchzog, auszubügeln. Unter seiner Führung gab es überhaupt erst einen Treffer, der nicht aus dem Spiel heraus erzielt wurde. 


LINZ-KONFLIKT

Man kann sich seinen Start in die Karriere als Bundesliga-Trainer leichter machen. Die Ausbootung von Roland Linz sorgte von Anfang an für Aufregung. Der Coach begründete die Nichtberücksichtigung des Steirers stets mit dessen Trainingsleistungen. Dabei ist bekannt, dass der Stürmer kein Trainings-Weltmeister ist, seine Qualitäten im Spiel aber abrufen kann. Mit neun Treffern ist er bester Torschütze des Vereins, benötigt nur 3,2 Schüsse pro Treffer. Dennoch steht es Vastic natürlich frei, auf den Goalgetter zu verzichten. Das ist auch argumentierbar. Immerhin kommen die Violetten unter dem neuen Trainer ganz selten zu Strafraumszenen, die Linz braucht, um erfolgreich zu sein. Kurioser mutet da schon der erste Einsatz des Angreifers unter Vastic an. Im Heimspiel gegen Sturm rutschte er nur in den Kader, weil Suttner kurzfristig absagen musste. Nach vehementen Forderungen der Fans wechselte der FAK-Betreuer den amtierenden Torschützenkönig dann doch ein – obwohl mit Tadic noch ein weiterer Stürmer auf der Bank saß.

UNEINSICHTIGKEIT

Vastic wirkt oft, als verstünde er all die Aufregung gar nicht. Nach der grottenschlechten Nullnummer im 300. Derby: „Ich bin sehr zufrieden mit der Leistung meiner Mannschaft.“ Das blamable, kaum bessere 0:0 in Wiener Neustadt: „Den Unmut mancher Fans kann ich nicht verstehen.“ Oder er findet keine Erklärung für die Vorstellung seiner Truppe. Nach der Pleite in Mattersburg: „Ich kann das auch nicht erklären.“ Der zweite Last-Minute-Ausgleich in Folge, diesmal gegen Salzburg: „Es ist für mich unerklärlich und schade.“ Oder die Unparteiischen sind schuld. Nach der 0:1-Niederlage daheim gegen Kapfenberg, das 45 Minuten nur mit zehn Mann spielt: „Unser gegebenes Tor war spielentscheidend.“ Das neuerliche 0:1 gegen Schlusslicht KSV am Wochenende, bei dem die Steirer drei Mal Aluminium treffen und einen Elfer verschießen, den überaus strittigen, zweiten Elfer aber verwandeln: „Wir sind schon zum zweiten Mal vom Schiedsrichter benachteiligt worden.“ Von Selbstkritik keine Spur.

Harald Prantl/Martin Wechtl