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Christoph Brandner: Das 1. NHL-Tor des "Grüblers"

Warum NHL nicht sein Traum war und wie er Marco Rossi sieht. Christoph Brandner im Talk:

Christoph Brandner: Das 1. NHL-Tor des Foto: © GEPA

"Brutal, das ist auch schon wieder 17 Jahre her", staunt Christoph Brandner aufgrund der Bitte, angesichts des 20-jährigen Jubiläums von LAOLA1 auf sein historisches Tor zurückzublicken.

Das allererste NHL-Tor eines Österreichers.

Diese Pionierleistung gelang am 12. Oktober 2003. In seinem dritten NHL-Spiel im Dress der Minnesota Wild netzte der Steirer zu Hause gegen die San Jose Sharks.

Zu Weihnachten hat ihm sein Vater ein ganz besonderes Geschenk bereitet. Ein 100-seitiges Buch mit vielen Fotos und Artikeln aus der aktiven Karriere.

So gesehen war der heute 45-Jährige in Sachen Erinnerungen bereits im Thema.

Brandner verrät jedoch nicht nur, warum der NHL-Traum für ihn letztlich keiner war, sondern spricht auch über die Ambitionen seines "Wild-Nachfolgers" Marco Rossi und hat eine Vermutung, wie Teenager von heute darauf reagieren würden, wenn er ihnen erzählen würde, dass er Österreichs erster NHL-Torschütze ist.

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

LAOLA1: Wenn du dich in den Moment, als du gegen die San Jose Sharks das erste NHL-Tor eines Österreichers erzielt hast, hineinversetzt: Weiß man gleich, dass man soeben österreichische Sport-Geschichte geschrieben hat?

Christoph Brandner: Nein! Ich habe mir nie gedacht: "Boah, jetzt bin ich wirklich der Erste." Das war einfach eine Momentaufnahme. Für mich war es eher eine Bestätigung. Außerdem war es cool, in der Liga ein Tor zu schießen, die ich davor nur von der Playstation kannte. Die Sport-Geschichte war für mich weniger wichtig. Aber natürlich ist es ein cooles Gefühl und immer wieder schön, wenn man es hört.

Brandner bezwingt Vesa Toskala im Sharks-Tor
Foto: © GEPA

LAOLA1: Das Tor ist in deinem dritten NHL-Spiel gelungen. Wie waren die Emotionen damals generell, nachdem du den Sprung geschafft hast?

Brandner: Ich kann mich noch gut an die erste Partie auswärts in Chicago erinnern. Ich weiß noch, dass ich es eigentlich gar nicht realisiert habe. Ich habe lange gebraucht, bis ich so richtig gecheckt habe, was Sache ist und was da gerade alles abgeht. Ich bin ja erst relativ spät mit 28 Jahren rübergegangen. Da ist man das System in Europa schon gewohnt. Dann kommst du als älterer Spieler hin und hast eigentlich eine komplett fremde Welt vor dir. Es war auch nie mein großes Ziel, jemals in die NHL zu kommen. Ich habe immer von Tag zu Tag probiert, mein Bestes zu geben. Das hat sich dann einfach durch meine Leistungen ergeben.

LAOLA1: In der Saison davor wurdest du mit Krefeld deutscher Meister, Torschützenkönig und DEL-Spieler des Jahres.

Brandner: Ja, diese Saison war schon sehr gut, aber ich glaube, dass das in Minnesota keine so große Rolle gespielt hat, wie man vielleicht denkt. Mittlerweile hat das europäische Eishockey drüben vielleicht einen anderen Stellenwert, aber damals war das wurscht. Es war nicht so, dass man gesagt hat, er hat in Deutschland gut gespielt, also ist er sicher bei uns auch gut. Da waren sie schon sehr vorsichtig. Ich glaube nicht, dass ich ohne gute Vorbereitung mit einigen Toren von Anfang an einen Platz gehabt hätte.

LAOLA1: Wie würdest du es 17 Jahre später einordnen? Sicher sind später beginnend mit Thomas Vanek andere Österreicher gekommen, die viel länger in der NHL gespielt und auch öfter getroffen haben. Genau wie es jedoch nur einen ersten Mann am Mond geben kann, kann es nur einen ersten Torschützen aus Österreich geben – auch wenn es damals nur eine Momentaufnahme war.

Brandner: Es war fix etwas Besonderes, das auf alle Fälle. Aber wenn du Thomas Vanek und alle anderen, die danach Karriere in der NHL gemacht haben, ansprichst: Wenn man es selbst in die NHL schafft, weiß man, was das eigentlich wert ist und wie zach es ist, dort zu bestehen. Diese Jungs hatten ja alle viel längere Karrieren in der NHL als ich. Okay, ich habe das erste Tor gemacht, aber was danach von den Jungs gekommen ist, war wertvoller.

LAOLA1: Trauerst du dem ein bisschen nach, dass es nicht mehr als 35 NHL-Spiele geworden sind und du dann in die AHL zu den Houston Aeros musstest?

Brandner: Dem trauere ich überhaupt nicht nach. Denn im Nachhinein gesehen, wäre für mich dieses System in Übersee mit der hohen Konkurrenz und der großen Auswahl an Spielern nicht zu halten gewesen. Ich war immer ein sehr nachdenklicher Spieler, ein Grübler. Ich habe nach einer Partie oft viel zu viel nachgedacht. Das ist nichts Schlechtes, aber gerade im System da drüben, wo du nicht viel Zeit hast, solltest du das nicht machen, weil alles viel zu schnell geht, du mental dann schnell nach unten kippst und schon andere Spieler warten. Im Nachhinein hatte ich wohl schon geahnt, dass ich dort wahrscheinlich nicht alt werde, so wie ich als Typ war.

LAOLA1: War so gesehen Jacques Lemaire, der nicht sonderlich viel von Einzelgesprächen gehalten hat, auch nicht der richtige Head Coach für dich? Ohne seine unbestrittenen Qualitäten schmälern zu wollen…

Brandner: Wenn du es nur auf meine Person beziehst: Dann sicherlich. Ich habe mir meine Trainer immer so ausgesucht, dass eine gute menschliche Beziehung da ist – so wie beispielsweise damals mit Doug Mason. Das war für mich bei der Wahl eines Vereins immer ein großes Entscheidungskriterium. Das ist in Übersee für die Coaches nicht notwendig. Die müssen sich nicht mit jedem Spieler großartig auseinandersetzen, so wie es in Europa üblich ist. Drüben haben sie, wenn du nicht gut spielst oder länger brauchst, fünf, sechs andere, die auf den Platz warten. Dann bist du natürlich relativ schnell austauschbar. Das ist ja auch okay – vor allem wenn man mit dem groß wird. Deswegen glaube ich, dass es für Spieler zumindest eine Spur leichter wird, das anzunehmen, wenn man schon in jüngeren Jahren in Übersee ist. Ich meine nicht mit 14 oder 15, aber wenn du mit 17 oder 18 rübergehst, kommst du noch eher in dieses System rein. Dort gehört es dazu – entweder du kommst klar damit oder nicht. Ich habe mir damit eben sehr schwer getan.

"Ich war immer ein sehr nachdenklicher Spieler, ein Grübler. Ich habe nach einer Partie oft viel zu viel nachgedacht. Das ist nichts Schlechtes, aber gerade im System da drüben, wo du nicht viel Zeit hast, solltest du das nicht machen, weil alles viel zu schnell geht, du mental dann schnell nach unten kippst und schon andere Spieler warten."

Christoph Brandner

LAOLA1: Du warst eben auch schon 28, als du den Schritt gewagt hast. Wurden Reinhard Divis, der erste NHL-Spieler aus Österreich, und du damals als Exoten wahrgenommen?

Brandner: Auf alle Fälle! Goalie Reinhard Divis war der erste Österreicher, der in der NHL Fuß gefasst hat, und er kann das Gleiche erzählen. Österreich hatte dort damals niemand auf der Eishockey-Landkarte. Umso mehr freut es mich, dass es jetzt immer mehr wird. Es kommen gute Spieler nach, die gedraftet werden und sicher auch eine coole Karriere machen werden. Mittlerweile wird man auch in Kanada und den USA wissen, wo Österreich ist.

LAOLA1: Hast du eigentlich noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern bei den Minnesota Wild?

Brandner: Überhaupt nicht mehr. Wenn man jemanden wie Brent Burns bei einer Weltmeisterschaft gesehen hat, quatscht man natürlich. Ich war immer eher der Typ: Mich muss man nicht ständig anrufen, aber wenn man sich dann sieht, ist es so, wie es vorher war – man hat gleich eine Gesprächsbasis und muss sich nicht steif irgendwie herumdrucksen. Genau so war es cool, immer wieder alte Coaches zu sehen.

Brandner am Tag nach seinem Debüt-Tor vor der Halle in Saint Paul
Foto: © GEPA

LAOLA1: Brent Burns war damals erst 18. Hättest du geglaubt, dass er so eine Entwicklung hinlegt?

Brandner: Eigentlich nicht – vor allem war er damals noch Stürmer. Er wurde ja 2003 in der 1. Runde gedraftet. Erst später haben sie ihn zum Verteidiger umfunktioniert. Das dürfte er so gut gemacht haben, dass sie ihn weiter auf dieser Position behalten haben. Die Torgefahr hat er ja weiterhin, nur halt von weiter hinten (grinst).

LAOLA1: Wer war eigentlich dein bester Gegenspieler in der NHL?

Brandner: Da gab es so viele…! Gegen Rob Blake bin ich zum Beispiel einmal durch die Mitte gefahren und habe einen brutalen Check gekriegt. Da lernt man schnell, dass man nicht mit der Scheibe durch die Mitte fährt (lacht). Ich war einmal in der Startformation gegen Colorados Top-Linie mit Joe Sakic, Teemu Selanne und Paul Kariya. Auch gegen Superstar-Goalie Dominik Hasek durfte ich spielen. Ich weiß nicht, ob diese Namen mittlerweile auch noch so groß sind, aber normal schon.

LAOLA1: Eishockey hat in Minnesota große Tradition, aber irgendwie kam die Franchise der Wild bisher nie so recht vom Fleck. Gibt es da aus deiner Sicht irgendeinen Grund?

Brandner: Den einen Grund kenne ich wirklich nicht. Ich glaube einfach, bei 31 Mannschaften ist es schwierig, dass du wirklich an die Spitze kommst. Alle sind auf einem ähnlichen Level. Es ist kein leichtes Business und schwierig, eine Franchise gut aufzustellen. Viele Teams planen auf längere Sicht und nehmen zwei, drei eher schlechte Jahre in  Kauf, um dann dafür den Angriff in Richtung Spitze zu starten.

"Gegen Rob Blake bin ich einmal durch die Mitte gefahren und habe einen brutalen Check gekriegt. Da lernt man schnell, dass man nicht mit der Scheibe durch die Mitte fährt."

Christoph Brandner

LAOLA1: Vielleicht wird mit Marco Rossi alles gut. Er macht die Wild endgültig zur Österreicher-Franchise, nach dir war ja auch Thomas Vanek schon dort. Inwiefern verfolgst du, wie sich Rossi schlägt?

Brandner: Das verfolge ich natürlich, aber gar nicht so sehr wegen Minnesota, sondern wegen ihm. Ich finde seine Entwicklung sehr interessant. Ich kenne ihn nicht sehr gut, aber ich habe ein, zwei Mal mit ihm gesprochen. Da konnte man schon seinen Drive spüren. Ich bin echt schon gespannt: Er hat tolle Voraussetzungen, und ich glaube auch, wenn du in der 1. Draft-Runde gezogen wirst, hast du schon mal einen besseren Start als in der 4./5. Runde. Ich denke, dass gerade das Team in Minnesota für ihn gut passen könnte.

LAOLA1: Muss er irgendetwas über Stadt oder Franchise wissen, außer dass es in den Twin Cities ziemlich frisch werden kann?

Brandner (schmunzelt): Ja kalt ist es schon ziemlich! Wobei bei mir gar nicht so sehr die Kälte im Winter hängen geblieben ist, sondern eine andere Erfahrung: Im Jänner spielst du zuerst zu Hause, dann fliegst du nach Florida und kannst dort im Hotel mit der Badehose am Pool sitzen. Das war immer ganz eigen (lacht). Vor allem wird es schwierig, sich für Eishockey zu motivieren – nicht wenn es NHL-Spiele betrifft, aber in Houston hatte ich es ja so ähnlich. Wenn du mit den Badeschlapfen in die Eishalle zum Training fährst, ist es für einen Europäer, für den im Winter Business ist und im Sommer ein bisschen mehr frei, eine komische Situation.

LAOLA1: Damit könnte mit Thimo Nickl ein anderer gedrafteter Österreicher in Anaheim konfrontiert sein. Du hast in deiner aktuellen Funktion beim KAC viel mit ihm zu tun gehabt. Wie ist sein aktueller Stand der Dinge und was traust du ihm zu?

Brandner: Angesichts der Corona-Situation ist es ein hin und her. Geht es rüber oder nicht? Das wechselt oft wöchentlich. Aktuell bekommt er in Schweden Spielpraxis. Was ich ihm zutraue? Wenn du ein bisschen Glück hast und zum richtigen Zeitpunkt deine Leistung abrufen kannst, stehen dir die Türen offen. Leicht wird es sicher nicht, aber Voraussetzungen hat er gute!

"Selbst wenn ich es ihnen sagen würde, würden sie vielleicht antworten: Cool! Aber kennst du den Marco Rossi?"

Christoph Brandner

LAOLA1: Spürst du bei jungen Spieler heute, dass mit 16 oder 17 auch in Österreich der NHL-Traum ein konkreterer ist?

Brandner: In diesem Alter ist der NHL-Traum für viele oft schon ein bisschen zu weit weg, aber bei Kindern mit 12, 13 Jahren ist das natürlich eine große Sache. Die Jungs, mit denen ich arbeite, würden sich das vielleicht wünschen, der eine oder andere hat ja auch die Möglichkeit. Ich glaube jedoch, wenn man mit 20 den Sprung ins Ausland noch nie geschafft oder zumindest probiert hat, wird es schon sehr schwierig, rüber zu kommen.

LAOLA1: Wie reagieren die Teenager von heute, wenn du ihnen erzählst, dass du vor 17 Jahren der erste NHL-Torschütze aus Österreich warst?

Brandner: Ich glaube, das kommt nimmer so cool, wenn ich das erzähle (lacht). Ich weiß nicht, ob sie das überhaupt wissen. Ich weiß auch nicht, ob es für die Kids überhaupt eine Rolle spielt, denn die schauen ja viel mehr auf die Aktiven – und da bin ich dann wahrscheinlich zu alt. Selbst wenn ich es ihnen sagen würde, würden sie vielleicht antworten: "Cool! Aber kennst du den Marco Rossi?". Das ist der Lauf der Zeit und auch okay für mich.


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