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Verletzungen im Ski-Weltcup: FIS wird wieder aktiv

ÖSV-Sportdirektor Toni Giger plädiert für einen Paradigmenwechsel im Weltcup:

Verletzungen im Ski-Weltcup: FIS wird wieder aktiv Foto: © getty

Nachdem es mit Aleksander Aamodt Kilde nun auch den Gesamtweltcupsieger der vergangenen Saison erwischt hat, werden die von Corona gebremsten Arbeitsgruppen der FIS rund um Atle Skaardal und Pernilla Wiberg (Ausrüstung) wieder aktiv.

Bei Zoom-Konferenzen soll das Thema Verletzungsprävention angegangen werden. ÖSV-Sportdirektor Toni Giger plädiert dabei für einen Paradigmenwechsel. Ziel sei, künftig mit weniger aggressivem Material schneller zu sein.

Bisher, so Giger, habe man lediglich auf Material-Regulierungen gesetzt. Firmen und Serviceleute hätten aber immer gleich reagiert und eine regulierte Komponente kompensiert, indem man dafür andere Teile der Ausrüstung aggressiver gemacht habe. "Macht man einen Lauf enger und drehender, wird im ersten Moment die Geschwindigkeit geringer. Allerdings mit dem Beiprodukt, dass das Material aggressiver wird", beschreibt Giger das Problem.

Auf die Radius-Erweiterung der Riesentorlauf-Ski auf 35 Meter etwa habe man mit verschärftem, bodenseitigen Skituning sowie aggressiveren Skischuhen reagiert. "Das funktioniert. Aber nur so lange, bis der Athlet einen Fehler macht."

Deshalb sollen nun künftig alle Parameter des Skirennlaufs miteinbezogen werden. "Die Frage ist, wie soll alles miteinander aussehen, dass man mit weniger aggressivem Material schneller wäre und dieses deshalb auch einsetzen würde?", erklärt der 57-jährige Salzburger, der zahlreiche Rennsport-Positionen im ÖSV bekleidet hat und seit 1. August 2020 als Nachfolger von Hans Pum agiert. Die Leitung der Abteilung für Entwicklung, Forschung und Innovation im ÖSV hat Giger schon seit 2010 inne.

Lange Liste an Verletzten

Mithilfe von Ski- , Schuh- und Tuningexperten soll nun eine Liste mit relevanten Parametern erstellt werden. Giger: "Mit diesem Katalog gehen wir dann zu den Kurssetzern und Renndirektoren und schauen uns an, was umsetzbar ist. Es ist insgesamt der umgekehrte Weg als bisher."

Die aktuelle Initiative hat als Hintergrund, dass es in diesem Winter neben Kilde schon mehrere schwere Renn- oder Trainingsunfälle gegeben hat. Betroffen sind etwa Kildes norwegische Teamkollegen Lucas Braathen und Atle Lie McGrath, aber auch der US-Amerikaner Tommy Ford. Bei den Frauen hat es am schwersten die Steirerin Nicole Schmidhofer erwischt, auch für ihre Salzburger Landsfrau Bernadette Schild und Alice McKennis Duran (USA) ist die Saison zu Ende. Die Schwedin Anna Swenn Larsson erlitt beim Training einen Knöchelbruch. Auch die Schweizer Mauro Caviezel, Niels Hintermann und Reto Schmidiger sind in Zwangspausen. Nicht immer ist die Verletzung freilich allein dem Material zuzuschreiben.

"Verletzungen wird man natürlich nie verhindern können. Aber wir haben gesehen, dass aggressives Material schwerer zu bändigen ist. Meist genügt ein kleiner Fehler des Athleten für große Folgeerscheinungen", weiß Giger. Ob grundsätzlich ein neues Unfallmuster erkennbar sei, wollte der Skiexperte auf Anfrage der APA aber nicht kommentieren. "Da möchte ich nicht vorgreifen. Das wird von der Uni Innsbruck gerade analysiert und evaluiert."

Dass die Besten der Welt auch im Skirennsport mit dem anspruchsvollstem Material fahren sollten, lässt Giger so nicht gelten. "Natürlich ticken alle gleich. Sie wollen möglichst schnell vom Start bis ins Ziel, das Risiko wird bewusst in Kauf genommen." Es gehe aber gerade deshalb darum, das Verletzungsrisiko zu verkleinern. "Eine weniger aggressive Kraftübertragung vom Schnee auf den Körper bringe ich am leichtesten hin, wenn ich Situationen kreiere, in denen man mit weniger aggressivem Material schneller ist."

Als ein Beispiel nannte Giger aus gegebenem Anlass das "U" vor dem Steilhang der Abfahrt in Kitzbühel. "Bin ich dort auf kurzem Weg mit einem Drift schneller als auf Zug den längeren Weg?" Als Erkenntnis daraus könne man künftig solche Passagen möglichst oft auf den Rennpisten einbauen. "Und damit einen Schritt von der Aggressivität zurückgehen."

Auch Ex-Rennläufer Benjamin Raich ist nach seinem Rücktritt bemüht, beim Thema Sicherheit mitzuhelfen. Der Tiroler hält ebenfalls viel davon, Aggressivität aus dem Material raus zu nehmen, man müsse aber insgesamt an mehreren Schrauben drehen. Etwa auch am Rennkalender, damit die RennläuferInnen ausgeruht zu den Bewerben kommen könnten.

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