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ÖSV-Star Kriechmayr: "Das ist sehr traurig für Österreich"

Speed-Ass Vincent Kriechmayr spricht über die ÖSV-Schwäche in der Königsdisziplin und die Gründe für seine eigene, "bescheidene" Saison.

ÖSV-Star Kriechmayr: Foto: © GEPA

"Ich habe meine Ziele nicht erreicht. Das habe ich letztes Jahr auch schon gesagt. Das sage ich fast jede Saison." 

Vincent Kriechmayr muss fast ein bisschen schmunzeln, als er am Donnerstag in Saalbach-Hinterglemm seine Saison Revue passieren lässt. 

Der ÖSV-Speed-Star gibt sich gewohnt selbstkritisch. In der Abfahrt ist die Bilanz mit einem zweiten Platz vor dem Weltcup-Finale mager. Im Super-G sieht es mit zwei Siegen weitaus besser aus. 

2021 hat Kriechmayr bereits einmal die kleine Kristallkugel im Super-G gewonnen, am Freitag in Saalbach-Hinterglemm könnte der Oberösterreicher erneut zuschlagen. Dafür ist allerdings ein Sieg nötig und Marco Odermatt dürfte bei derzeit 81 Zählern Vorsprung nicht besser als 14. werden. 

Vor dem Saison-Finale spricht Kriechmayr über eine "bescheidene" Saison, seine Formschwäche im Jänner, das dezimierte ÖSV-Abfahrts-Team und seinen Wunsch-Kalender für die kommende Saison. 

Frage: Mit welcher Taktik gehst du in den Super-G?

Vincent Kriechmayr: Ich werde es anlegen, wie in Kvitfjell, also volles Risiko. Anders wird man vorne nicht mitmischen können. Natürlich kann es sein, dass es morgen ein Startnummern-Rennen wird. Im Grunde genommen ist es aber einfach: Voller Angriff. Aber es wird bei den anderen nicht anders sein. Es wird sicher ein enges Rennen.

Frage: Wie fällt deine persönliche Saison-Bilanz aus?

Kriechmayr: Es war natürlich eine bescheidene Saison, ich habe meine Ziele nicht erreicht. Das habe ich letztes Jahr auch schon gesagt. Das sage ich fast jede Saison. (schmunzelt) Es war natürlich nicht das, was ich mir vorgenommen habe. Kvitfjell zuletzt war sehr positiv. Ich habe dort wieder ein bisschen den Flow gefunden, so wie ich es mir vorstelle.

Frage: Also ist eine Kugel dein großes Ziel?

Kriechmayr: Ja, auf alle Fälle. Eine Kugel ist das Ziel. Vor allem in einer Saison ohne Großereignis. Aber es ist mir nicht gelungen. Nächstes Jahr neue Chance, neues Glück.

"Je mehr Topathleten in einem Team sind, umso besser wird die ganze Mannschaft. In dem Fall bin ich von den Siegen her vielleicht der einzige große Name, aber ich bin im Training auch nicht mehr so ein Maßstab."

Vincent Kriechmayr

Frage: Du hattest ausgerechnet im Jänner rund um die Klassiker mit deiner Form zu kämpfen.

Kriechmayr: Es war so eine kurze Saison, wir sind Mitte Dezember gestartet und waren Mitte Februar quasi fertig. Es kommt immer wieder mal vor, dass man nicht bei 100 Prozent ist, weil irgendwas nicht passt vom Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten her. Und bei mir war es halt genau in Wengen und Kitzbühel, wo ich ein bisschen gehadert habe und dann hast du gleich mal fünf Rennen vergeigt. Das ist ein Drittel der Saison. Gröden war noch nie meins, da fallen wieder zwei Abfahrten weg. Und dann bist du halt nicht mehr dabei.

Frage: Welche Rolle spielt es, dass die Mannschaft – auch verletzungsbedingt – immer kleiner geworden ist. In Wengen waren bei der klassischen Abfahrt z.B. nur vier Österreicher am Start.

Kriechmayr: Das ist wirklich sehr traurig für Österreich, das muss man ganz ehrlich sagen. Ich glaube, vor zwei Jahren waren wir noch sechs Läufer in den Top 15. Jetzt sind wir nicht mehr so viel. Ein Matthias Mayer geht jeder Mannschaft ab. Aber selbst wenn der Mothl dabei wäre, wären wir jetzt auch nicht so viele. Natürlich hatten wir auch viele Verletzte, aber ich hätte mir schon gewünscht, dass von unten rauf mehr Läufer nachdrücken. Es ist schade um Julian (Schütter, Anm.) zum Beispiel. Er ist damals im Herbst 2022 in die Mannschaft gekommen und hat sofort richtig Gas gegeben. Er war im Training brutal stark, das hat Mothl und mir richtig getaugt. Da war einer, der im Training die arrivierten Athleten auch mal herpaniert hat. So soll es auch sein. Schade, dass er seine Karriere beendet hat. Wir hätten uns gewünscht, dass andere jüngere Athleten nachrücken. Aber ich glaube, dass wir einige junge Hoffnungsträger haben.

Frage: Fehlt dir das im Training, dass du von den Jüngeren herausgefordert wirst?

Kriechmayr: Wir haben zum Beispiel mit Stefan Babinsky einen, der immer ziemlich schnell ist. Aber es ist immer gut, wenn im Training eine Dynamik drin ist, wenn man sich gegenseitig pusht. Ich habe zum Beispiel vom Mothl das meiste gelernt. Das kann mir kein Trainer sagen, was ich mir vom Mothl abschauen konnte. Man braucht einen, wo man sich die Linie oder Skitechnik abschauen kann, oder wie man mit Sprüngen umgeht. Das versucht man dann zu kopieren und so wird man besser. Je mehr Topathleten in einem Team sind, umso besser wird die ganze Mannschaft. In dem Fall bin ich von den Siegen her vielleicht der einzige große Name, aber ich bin im Training auch nicht mehr so ein Maßstab. Jetzt können sich die Jungen auch nichts mehr von mir abschauen. (grinst)

Frage: Marco Odermatt und Cyprien Sarrazin machen es vor: Wird der Riesentorlauf-Schwung in der Abfahrt wichtiger, als er die letzten Jahre war?

Kriechmayr: Der Riesentorlauf war immer extrem entscheidend. Früher hat man die Abfahrten vielleicht noch ein bisschen taktischer fahren müssen. Heuer ist z.B. in Kitzbühel die Steilhang-Ausfahrt voll auf Zug gegangen. Die Pisten sind mittlerweile schon sehr gleichmäßig. Ich will jetzt nicht sagen, man muss sie schlagiger machen, aber ich bin ein Freund davon, wenn Gelände drin ist und es unruhig ist – natürlich ist das ein bisschen Eigeninteresse, weil ich das gut kann. Mittlerweile kannst du auch jeden Sprung Vollgas mit 100 Prozent drüberlassen. Die Geschwindigkeit ist ja nicht geringer geworden, aber es ist mittlerweile sehr viel ruhiger geworden. Es ist allerdings auch mit dem Winter nicht einfach gewesen heuer. Wenn gewisse Abfahrten unruhiger gewesen wären, wäre es wahrscheinlich über dem Limit gewesen. Also ich glaube nicht, dass es bewusst so passiert ist.

Frage: Wenn du den Weltcup-Kalender für die kommende Saison machen dürftest, wie würde er aussehen?

Kriechmayr: Ich würde den Saison-Start in Sölden genau gleich lassen. Ich würde ihn auch nicht später machen, weil die Saison eh schon sehr kurz ist. Ich kenne wenige Sportarten, in denen man sieben Monate trainiert und die Saison nur fünf Monate dauert. Nach Sölden würde ich sagen Levi, Gurgl, Lake Louise, Beaver Creek, Val d’Isere und die üblichen Klassiker halt. Ich würde auch wieder Garmisch in den Kalender tun, die Kandahar-Abfahrt war immer ein Klassiker. Dann kommt das Großereignis und dann sind es noch drei Stationen und das Finale. Zermatt würde ich nicht fahren, weil die Strecke zu leicht ist. Es ist zwar eine coole Show, aber es soll schon so sein, dass eine Abfahrt noch schwer ist, dass es eine Überwindung ist, dass die Zuschauer zuhause sehen, dass es keine g'mahte Wiesn' ist. Das Finale würde ich schon in Amerika machen, ich persönlich habe kein Problem damit, zwei Mal rüber zu fliegen. In Sun Valley gibt es eine Schneesicherheit, die gibt es in Europa zu dieser Zeit immer weniger. Oder man macht das Finale in Zukunft immer in Skandinavien, da hat man auch eine gewisse Schneesicherheit. Wichtig ist auch eine gute Balance zwischen Speed- und Technik-Rennen.

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