Kein Wunder, seit mittlerweile neun Jahren ist der Steirer Christian Mitter für den norwegischen Skiverband tätig.
Zuerst als Assistenztrainer bei den Damen, danach begleitete er eine Truppe rund um Schladming-Sieger Henrik Kristoffersen vom Skigymnasium Oslo über den Europacup bis in den Weltcup. Seit April dieses Jahres ist der 36-Jährige nun Cheftrainer von Aksel Lund Svindal, Kjetil Jansrud und Co.
"Wir wollen zusammen gut sein. Wir wollen diejenigen sein, die am besten Skifahren und am besten ausgerüstet sind. Wir wollen immer einen Schritt voraus sein und schauen nicht nach links oder rechts, was die anderen machen", lautet die Devise des Österreichers und seiner "Attacking Vikings".
Wie Mitter Chefcoach wurde, obwohl er niemals für den Job zugesagt hat, warum er nie für den ÖSV gearbeitet hat und was das norwegische Modell ist, erklärt der gebürtige Ramsauer im LAOLA1-Interview.
Leben und Tod hängen nicht vom nächsten Rennen ab. Wenn es mal nicht gutgeht, waren andere eben schneller.
Wenn wir alles geben und gut Skifahren und es ist trotzdem einer besser im Gesamtweltcup, dann ist das eben so. Natürlich wollen wir irgendwann für unsere Arbeit mit der großen Kugel belohnt werden.
LAOLA1: Nach der Ära von Aamodt und Kjus ist Svindals Stern aufgegangen, als dieser sich verletzt hat, ist Jansrud in die Bresche gesprungen. Jetzt drängt mit Kristoffersen das nächste Talent nach. Wie bringt Norwegen regelmäßig solche Top-Fahrer hervor?
Mitter: Dafür gibt es mehrere Gründe. In Österreich wird z.B. von einem Schwimmwunder gesprochen, nur weil einer bei der WM Sechster geworden ist. In Norwegen ist ein sechster Platz nichts wert, hier ist alles aufs Gewinnen ausgerichtet. Unsere Athleten lernen schon in jungen Jahren, wie es ist, ein Rennen anzuführen und zu gewinnen. Sie gehen daher unbekümmerter an die Aufgaben im Weltcup heran. Für Österreicher ist der Weg in den Weltcup hingegen oft so schwierig und langwierig, sodass letztlich der Respekt zu groß ist, wenn man es endlich dorthin geschafft hat. Diesen Athleten ist es dann lieber 15. zu werden, als alles zu riskieren und möglicherweise auszufallen. Das ist einer der ausschlaggebenden Punkte. Zudem steht bei uns das Team im Fokus. Jeder Sieg ist ein Mannschaftserfolg, dadurch wird der Druck für den Einzelnen geringer. Leben und Tod hängen nicht vom nächsten Rennen ab. Wenn es mal nicht gutgeht, waren andere eben schneller, das wird auch akzeptiert.
LAOLA1: Du hast bei deinem Amtsantritt als Chefcoach gesagt, du möchtest auf dem norwegischen Modell aufbauen. Ist das die Herangehensweise, die du gerade beschrieben hast?
Mitter: Ja, genau. Wir wollen zusammen gut sein. Wir wollen diejenigen sein, die am besten Skifahren und am besten ausgerüstet sind. Wir wollen immer einen Schritt voraus sein und nicht probieren, etwas zu verteidigen. Das geht unserer Meinung nach nur im Team. Wir schauen nicht viel nach links oder rechts was die anderen machen, sondern gehen unseren eigenen Weg und machen unsere eigenen Pläne. Dieses Modell möchten wir beibehalten.
LAOLA1: Euren eigenen Weg geht ihr auch in der Saisonvorbereitung, ihr seid im Gegensatz zu anderen Nationen viel unterwegs. Marcel Hirscher z.B. hat in diesem Jahr ganz auf einen Trip nach Übersee verzichtet. Zahlen sich die teils anstrengenden Reisen aus?
Mitter: Ja, es zahlt sich definitiv aus. Vor allem weil sich die Anstrengung für die Athleten in Grenzen hält, die meiste Arbeit haben die Betreuer. Unsere Philosophie ist, dass man das, was man macht, üben muss. Ansonsten kann man sich nicht verbessern. Wenn ich beispielsweise für Kristoffersen nur zehn Skitage einplane, wird er sich nicht verbessern. Fahrer wie Hirscher sind an einem anderen Punkt ihrer Karriere und setzen eben andere Prioritäten. Aber auch Svindal und Co. brauchen viel Training, damit sie in die Gänge kommen. Wir sind momentan nicht die Besten und müssen aufholen, deshalb müssen wir mehr tun als die anderen. Dafür sind viele Skitage wichtig. Natürlich geht es auch mit weniger, aber das Risiko ist einfach zu hoch, dass es schiefgeht.
LAOLA1: Euer Team nennt sich "Attacking Vikings". Wie viel Attacke muss man in dieser Saison von den Norwegern erwarten?
Mitter: Attacke darf man sich auf jeden Fall erwarten, darum heißen wir ja so. (lacht) Unsere Devise lautet: Besser Vollgas geben und hin und wieder ausfallen, als auf Sicherheit fahren. Die Jungs sollen unterhaltend Skifahren, ob das Resultat dann passt oder nicht, ist egal.
LAOLA1: Gibt es außer voller Attacke noch andere Ziele, die ihr euch gesetzt habt, zum Beispiel den Gesamtweltcup?
Mitter: Nein, wir arbeiten eher prozessorientiert, als ergebnisorientiert. Ziele sind z.B., dass sich jeder Läufer verbessert und dass sie sauber Skifahren und nicht rutschen. Ein weiterer Punkt sind positive Zwischenzeiten, es soll immer grün aufleuchten, wenn die Läufer ins Ziel kommen. Das sind Ziele, die wir haben. Wenn wir alles geben und gut Skifahren und es ist trotzdem einer besser im Gesamtweltcup, dann ist das eben so. Natürlich wollen wir irgendwann für unsere Arbeit mit der großen Kugel belohnt werden, aber das geht nur, wenn der Prozess stimmt. Dann kommen die Ergebnisse von alleine. Im Skifahren Ziele zu definieren ist generell schwer. Wenn einem eine Saison aufgeht, dann kann man ohnehin nichts machen. Ich weiß, dass Resultate wichtig sind, aber mir ist die Entwicklung einfach wichtiger.
LAOLA1: Apropos Gesamtweltcup. Was dürfen wir von Svindal nach seiner Verletzung in dieser Saison erwarten und wie legt es Jansrud in diesem Jahr an?
Mitter: Bei Svindal ist es schwer zu sagen. Die Fitness und seine mentale Einstellung passen, er ist voll fokussiert und die Verletzung ist überhaupt kein Problem mehr. Für Jansrud ist es eine andere Situation als im Vorjahr. Er ist jetzt der große Jäger und muss damit umgehen können. Ich bin zuversichtlich, er hat sich weiterentwickelt und ist zu einer Art Teamleader geworden. Auch Kristoffersen hat sich wieder ein Stück weiterentwickelt, vor allem körperlich. Er ist erfahrener geworden und ein super Skifahrer. Ein Auge muss man auch auf Kilde haben. Er ist heuer ohne Verletzungen und Krankheiten durchgekommen, wenn ihm alles aufgeht, ist er sehr stark.
LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Daniela Kulovits