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Warum der Skisport mehr Typen wie Lucas Braathen bräuchte

Aushängeschild, Vorbild, aufstrebender Star - und dann der Rücktritt mit nur 23 Jahren. Doch Lucas Braathen hinterlässt seine Spuren im Ski-Sport.

Warum der Skisport mehr Typen wie Lucas Braathen bräuchte Foto: © GEPA

Nicht einmal fünf Jahre ist es her, da feierte Lucas Braathein sein Debüt im Weltcup.

Nun ist seine Profi-Ski-Karriere nach dem überraschenden Rücktritt kurz vor dem Saison-Auftakt in Sölden schon wieder vorbei.

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Zwar waren es nur fünf Jahre, in dieser Zeit hat Lucas Braathen den Ski-Sport trotz seines noch jungen Alters aber merklich geprägt.

Ein "Scheiß-mir-nix" mit einer klaren Message

Braathen stach von Anfang an hervor - sowohl durch seine sportlichen Leistungen als auch durch sein Erscheinungsbild.

Der Norweger hatte im Ski-Zirkus den Ruf des "bunten Vogels" und des "Scheiß-mir-nix". Als er sich Anfang des Jahres zwei Wochen vor WM-Beginn einer ungeplanten Blinddarm-Operation unterziehen muss, filmte er live mit, als ihm der Arzt die Fäden zog.

Er lackiert sich die Fingernägel bunt, trägt Röcke, entwirft seine eigene Mode, spielt dafür gleich selbst Model und jettete um die Welt, wenn er gerade nicht Skigefahren ist. 

Die einen finden ihn schräg, die anderen lieben ihn für seine authentische Art.

Braathen verstellt sich nicht. Er war einer der wenigen "echten" Typen im Ski-Zirkus. Erfrischend anders. Davon bräuchte der immer oberflächlicher werdende (Ski-)Sport mehr. 

Der 23-Jährige blickte stets über den Rand der Skipisten hinaus, scheute nicht davor zurück, sich zu gesellschaftspolitischen Themen zu äußern und hatte immer auch eine Message, die er in die Welt tragen wollte.

Braathen wollte, dass seine sportlichen Leistungen unabhängig von seinem Erscheinungsbild gesehen werden - Kritik und Hass-Kommentaren in den Sozialen Medien zum Trotz.

"Diesen Leuten will ich zeigen, dass sie falsch liegen. Dass es aus mir keinen schlechteren Skifahrer macht, weil ich mich so kleide und ausdrücke, wie ich möchte", sagte er einst. "Wenn es mir gelingt, ich selbst zu sein und trotzdem Erfolg zu haben – dann kann ich diesen Sport verändern."

"Er ist ein Typ, für den die Leute den TV eingeschaltet haben"

Auch wenn er sich selbst in seiner Mission ein Stück weit gescheitert sieht, hat Lucas Braathen mehr bewirkt, als er selbst vielleicht glaubt.

Das zeigen nicht zuletzt die vielen Reaktionen auf seinen Rücktritt.

"Ich kann dich auch heiraten": Die Reaktionen auf Braathens Rücktritt >>>

"Er ist definitiv ein Typ, für den die Leute den TV eingeschaltet haben. Von dem her fehlt dem Skisport auf jeden Fall ein Stück", sagt Manuel Feller.

 "Lucas ist eine brutal coole Person und ein bisschen außergewöhnlich. So etwas bräuchte der Ski-Sport schon dringend", findet Stefan Brennsteiner.

"Leute wie du sind so wichtig für unseren Sport", meint auch der Franzose Johan Clarey in Richtung Braathen.

Aushängeschild, Vorbild, aufstrebender Star

Der Ski-Sport verliert mit dem Norweger ein Aushängeschild und Vorbild für die Jugend.  

Dass Kinder und Jugendliche zu ihm aufschauen, beweist unter anderem das große Interesse an seinem "Lucas Braathen Ski-Camp", das er seit drei Jahren regelmäßig veranstaltet. Dabei unterstützt der 23-Jährige vor allem junge Leute, die es in ihrem Leben nicht so einfach haben und nicht uneingeschränkten Zugang zum Sport haben.

"Man muss schon den Hut ziehen vor dem Lucas, dass er sich die Zeit nimmt für die Kinder. Lucas ist ein guter Mentor und ein super Vorbild. Er zeigt auf, wie wichtig auch der Spaß am Sport ist", zollte Manuel Feller dem Norweger erst kürzlich Respekt für seinen Einsatz.

Braathen selbst hatte es in jungen Jahren nicht immer leicht. Als Sohn eines Norwegers und einer Brasilianerin hatte er nie so etwas wie ein richtiges Zuhause, ist in seinem Leben schon 21 Mal umgezogen. Die Folge waren Anpassungsschwierigkeiten. Erst spät lernte er, "ich selbst zu sein", sagt er.

Das Skifahren war in dieser schwierigen Zeit sein Anker. Die Rennfahrer-Karriere nahm der Norweger erst vergleichsweise spät, mit neun Jahren, in Angriff. Gemeinsam mit seinem Vater reiste er um die Welt, erarbeitete sich alles selbst. In seinem ersten Weltcup-Rennen startete er mit Skiern, die sein Vater präpariert hatte.

Allen Widerständen zum Trotz erfüllte sich Braathen seinen Traum von der Ski-Karriere und gehörte zuletzt zu den aufstrebenden Stars. Er holte in der vergangenen Saison erstmals die Kristallkugel im Slalom. Er gewann fünf Weltcuprennen, darunter den Riesentorlauf von Sölden 2020. 

Braathens Rücktritt wird auch dem norwegischen Verband eine Lehre sein

Auch der norwegische Verband verliert mit Braathen eines seiner Aushängeschilder. Dessen ist man sich trotz des scheinbar unüberwindbaren Streits mit dem 23-Jährigen bewusst.

"Das ist ein trauriger Tag. Wir sind ein bisschen im Schock, die Athleten und die Trainer. Mit 23 Jahren sollte man nicht aufhören", erklärt Alpin-Sportdirektor Claus Ryste.

Braathens Rücktritt, der auch die Folge langer Streitigkeiten über Verträge und Rechte der Athleten war, wird auch dem norwegischen Verband eine Lehre sein.

"Wir sollten demütig sein und sagen, wenn etwas so endet wie heute, dann hätte man Dinge anders machen können in Bezug auf den Vertrag zwischen dem Athleten und dem Verband", so Ryste. Man habe Regeln, Gruppen, ein System und viele Topathleten, offensichtlich müsse man sich all das jetzt anschauen.

Auch in dieser Hinsicht hinterlässt Braathen seine Spuren und ebnet vielleicht den Weg für die nächste Generation.

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