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Kommentar: Tourismus-Chef schimpft Neureuther "Besserwisser"

Der frühe Saisonstart auf dem Gletscher in Sölden scheidet die Geister. Es wird viel Unsinn geredet und geschrieben. Das Thema polarisiert. Ein Kommentar:

Kommentar: Tourismus-Chef schimpft Neureuther Foto: © GEPA

Der Weltcup-Auftakt auf dem Gletscher ist schon wieder Geschichte. Er verlief - wie die Diskussionen rund um den frühen Saisonstart - extrem kontroversiell.

In der Woche vor den ersten Rennen fiel der ersehnte Neuschnee auf einer Höhe von über 2.000 m. Traumhafte Bedingungen beim Riesentorlauf der Frauen am Samstag sorgten für die gewünschten Werbe-Fotos und -Videos. Die Touristiker rieben sich die Hände. Nur 24 Stunden später sorgte ein Föhnsturm für einen Abbruch beim Männer-Rennen.

Die Launen der Natur sind ständige Begleiter des alpinen Ski-Weltcups. Die Einheimischen in den Bergregionen wissen nur zu gut um die Klimaveränderung Bescheid. Sie beschäftigen sich mit dem Zyklus des Mondes, beobachten die Winde und schauen auf die Besonderheiten der Bewölkung. 

Die Frauen und Männer in den Bergen Westösterreichs sind in ihren Tätigkeiten weit mehr vom Wetter abhängig als die Bevölkerung in den Ballungszentren im Osten des Landes. Das Wetter bietet für die Älpler jedenfalls eine entscheidende Grundlage für Umsatz und Gewinn der Bergbahnen, der Gastronomie und Beherbergungsbetriebe.

Ein schöner Sommer sorgt für ausgelastete Betten und regen Betrieb auf den Bergen. Viel Schnee lockt die Gäste aus nah und fern auf die Pisten der Wintersportzentren.

Felix Neureuther als ZDF-Kamerafahrer 2021
Foto: © GEPA

Gäbe es im Westen keinen Tourismus, so würden die Täler in Tirol, Vorarlberg und Salzburg wohl entsiedelt werden und die Arbeitsplätze ähnlich schwinden wie in der Eisenindustrie in Teilen der Steiermark.

Der Skisport ist kein Teufelszeug, auch wenn Skibashing noch nie so in war wie zuletzt in den goldenen und ungewohnt warmen Oktober-Tagen. 

Sei's drum. Seit dem Wochenende ist hierzulande ohnehin Winter.

Zum einen wurden die Uhren auf Winterzeit umgestellt, zum anderen zeigte das Fernsehen am Samstag und Sonntag Skifahren live.

Wenn Benni Raich neben Rainer Pariasek steht und das Duo live ins Wohnzimmer flimmert, dann ist Winter. Egal, ob beim Blick aus dem Fenster die Natur vom zarten Weiß der ersten Schneeflocken angezuckert ist, die bunten Blätter von den Bäumen fallen oder die Nachbarn noch im T-Shirt und in kurzen Hosen ihren Hobbys nachgehen.

Das Businessmodell "Ski" funktioniert in den Tourismus-Hochburgen wie geschmiert. Der Run auf die Gletscher ist ungebrochen. Wer sich aktuell in die Webcams der bereits geöffneten Skigebiete im Stubaital, im Pitztal oder am Hintertuxer Gletscher reinklickt, traut seinen Augen kaum. Die Bahnen sind ausgelastet, auch am Montag morgen tummeln sich jede Menge Schneesportler auf den bestens präparierten Pisten.

Sölden hat unter Beweis gestellt, wie schnell und perfekt ein Weltcuphang rennfertig gemacht werden kann. Die Verantwortlichen verstehen ihr Geschäft. Auch weil sie mit und in der Natur leben und sehr genau wissen, wann und wie sie eine Piste anlegen müssen und können.

"Snowfarming" heißt das Zauberwort. Ob es den Kritikern gefällt oder nicht: Die neue Methode des Schneemanagements bietet eine win-win-Situation für den Gletscher und den Weltcup.

Für die Ski-Industrie sind die Bilder - wie am Samstag aus Sölden vermittelt - Goldes wert. Einen Traumtag, wie wir ihn beim Frauen-Riesentorlauf erlebt haben, ist im Oktonber viel eher möglich als im kalten und unbeständigen November.

Auch das wissen die Leute, die seit Generationen in den Bergen arbeiten und mit dem Tourismus ihren Lebensunterhalt verdienen.

Das weiß auch der deutsche Ex-Rennläufer Felix Neureuther. Der Garmischer hat sich zuletzt einige Male weit aus dem Fenster gelehnt und ist dabei meistens missverstanden worden.

Unser "Lieblings-Deutscher" in Sachen Ski hat wiederholt versucht, seine Kritik am frühen Saisonstart richtig zu stellen. Meist ohne Erfolg, da das Thema einfach zu sehr polarisiert. Und auch, weil viel Unrichtiges gesagt und geschrieben wird.

Dass Neureuther deswegen sogar vom Geschäftsführer des Ötztal-Tourismus als "Mr. Besserwisser" bezeichnet wird, dokumentiert nur, wie blank die Nerven im Ski-Zirkus derzeit liegen.

Der Weltverband FIS, aber auch der ÖSV - speziell zu Zeiten von "Ski-Diktator" Peter Schröcksnadel - sowie die sture und beratungsresistente Seilbahn-Lobby mit dem einen oder anderen verhaltensauffälligen Politiker und Wirtschaftsbündler (z.B. der Zillertaler Franz H.) waren und sind, ob der neuen Situation mit den Frontalangriffen auf den Skisport, völlig überfordert.

Wie sollen sie die Öffentlichkeit auf die neue Situation rund um den Wintersport vorbereiten, wenn sie nicht einmal mitbekommen, dass sich Grundlegendes geändert hat....

Ein gutes Krisenmanagement jedenfalls sieht anders aus, als immer so weiterzuwursteln wie gewohnt und gebetsmühlenartig den Satz "wir haben alles richtig gemacht" in die Diskussion zu werfen. Denn so ist es nicht schwer zu beurteilen, wer nun wirklich der "Mr. Besserwiser" ist.


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