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Anna Gasser: Letztes Olympia als Bonus

Die Snowboard-Olympiasiegerin von 2018 will in Peking nochmal abräumen.

Olympiasiegerin ist sie, Olympiasiegerin bleibt sie.

Dass die Gold-Mission bereits erfolgreich war, lässt Anna Gasser die Olympischen Spiele sogar erstmals genießen. "Alles, was kommt, ist ein Bonus", sagt die 30-jährige Kärntnerin am Donnerstag nach dem Training für den Slopestyle-Bewerb.

Für Gasser werden es die letzten Auftritte im Zeichen der fünf Ringe. "So realistisch bin ich, dass ich weiß: Der Sport wird immer jünger und der Druck von unten wird immer größer. Ich will nicht mehr weiter fahren, wenn ich weiß, dass ich nicht die Tricks habe, um eine Medaille zu machen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, dass Peking meine letzten Spiele sein werden", erklärt die Big-Air-Olympiasiegerin von 2018. 

"Ich denke noch gar nicht viel daran, was danach ist"

Noch ehe sie auf der monströsen Big-Air-Rampe in der Millionenstadt Peking als "Titelverteidigerin" antritt, wartet auf Gasser in den verlassenen Bergen von Zhangjiakou ein nicht minder beeindruckender Parcours aus Kickern (Sprünge), Rails (Geländer) und Obstacles (Hindernisse).

Der Slopestyle - gewissermaßen Gassers zweites Standbein - soll kein Aufwärmen für ihre Paradedisziplin sein. Sie will es durch die Qualifikation (Samstag/3.45 Uhr MEZ) ins Finale am Sonntag (2.30 Uhr) schaffen.

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Auch Routiniers wie Gasser lernen noch dazu. "Ich habe gedacht, es kommen acht Mädels ins Finale, aber es sind zwölf." Das eröffnet für den Taktikpoker neue Möglichkeiten. Die 30-Jährige will in der Quali nicht alle Trümpfe ausspielen.

"Ich glaube, wenn man einen sauberen Run runterbringt, noch nicht die höchste Schwierigkeitsstufe, dann sollte es für das Finale reichen. Aber das ist leichter gesagt als getan."

Der Slopestyle ist etwas für Taktikfüchse. "Ich habe meinen Run so aufgebaut, dass ich hoffentlich bei jedem Sprung was drauflegen kann." Insbesondere die schiefen Sprünge, die sie seit Pyeongchang nirgends mehr erlebt habe, erfordern besonders Augenmaß.

"Die sind eher wie ein Halfpipe-Absprung." Auf "Speedkontrolle" kommt es bei der Flugshow an. "Bei diesem Kurs fährt man nicht komplett gerade, man muss Speed rausnehmen und die richtige Mischung finden."

Vorhandene Ambitionen abseits des Wettkampf-Snowboardens sind aktuell beiseitegeschoben. Ihr Wettkampfgen ist ausgeprägt. "Es war heuer die ganze Saison voll da. Ich war motiviert bei den Wettkämpfen, habe Spaß gehabt. Ich denke noch gar nicht viel daran, was danach ist."

"Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen"

Im Jetzt ist eine zweite Olympia-Medaille nach Gold im Big Air 2018 das Ziel. Im Slopestyle hätte sie etwas nachzuholen. "Auch wenn das die Presse nicht so gesehen hat: Ich habe mir vor vier Jahren gedacht, dass ich eine Medaille mache. Und dann hat es ja gar nicht hingehaut."

In der viel kritisierten Windveranstaltung blieb Gasser nur Rang 15. "Für mich ist damals eine kleine Welt zusammengebrochen, wie das von den Verhältnissen war."

Die Peking-Veranstalter bauten nun seitlich vom Kurs als Windschutz die Chinesische Mauer nach. "Wo möchtest du bei windigen Bedingungen sein? Hinter der Mauer, oder? So kommt die chinesische Mauer ins Spiel", meinte Dirk Scheumann, der CEO von Kursgestalter Schneestern.

Gasser sieht Parallelen zu 2018, noch ist sie skeptisch. "Ob die Mauer wirklich hilft - wenn wir springen, sind wir höher, und bei den Kickern hört die Mauer auf - ist die Frage." Sie hat jedenfalls, so Gasser, ihre Sprünge bereits windgerecht angelegt.

Die zweifache Olympiasiegerin Jamie Anderson kritisierte indes die pickelharte Piste. "Du willst da auf keinen Fall hinfallen. Es fühlt sich an wie kugelsicheres Eis", sagt die 31-jährige US-Amerikanerin und ergänzt, sie habe auf dem Kunstschnee "ängstlich" trainiert.

Prompt schlug am Donnerstag die Japanerin Rina Yoshika schwer auf, blieb kurz regungslos liegen, ehe sie unter Schmerzensschreien abtransportiert wurde. Der Verletzungsgrad der 20-Jährigen war zunächst unklar.

"Es ist einfach schon gefährlich, wenn es kalt, eisig und windig ist", erinnert Gasser. "Aber wir sind es in unserem Sport gewohnt, Risiken einzugehen, und deshalb habe ich schon eine gewisse Routine, wie ich damit umgehe, wenn ich einmal eingeschüchtert bin." 

Noch gehöre sie "auf jeden Fall zu den Top zehn" im Slopestyle, stellt Gasser klar und umriss damit auch den Medaillen-Anwärterinnenkreis aus ihrer Sicht.

Mit der Welt-Nummer-eins Zoi Sadowski Synnott aus Neuseeland, der Australierin Tess Coady und Anderson ist der gesamte WM-Medaillensatz von Aspen 2021 versammelt. Gasser wurde damals Sechste. In Sachen Edelmetall ist sie diesmal Realistin. "Es ist möglich, aber es wird nicht leicht."

 

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