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"Warum sollten wir Klassenerhalt nicht schaffen?"

Bernhard Starkbaum über WM-Ziel, Österreichs Goalie-Situation und Karriereende:

Foto: © GEPA

Bernhard Starkbaum zählt zu den absoluten Routiniers und Dauerbrennern des österreichischen Eishockey-Nationalteams.

Seit 14 Jahren spielt der mittlerweile 36-jährige Torhüter im ÖEHV-Team, 2009 war er in der Schweiz erstmals bei einer A-Weltmeisterschaft dabei. Wenn die Eishockey-Männer am Samstag ihr Auftaktspiel in der Gruppe B gegen Schweden bestreiten (11:20 Uhr im LIVE-Ticker >>>), startet der Wiener in seine sechste WM auf Top-Niveau.

In seinen bisherigen 136 Pflichtspielen für die ÖEHV-Auswahl hat der Capitals-Schlussmann schon viel erlebt. Da wären die Weltmeisterschaften 2013 in Finnland und 2015 in Tschechien, als Österreich jeweils mit fünf Punkten auf bitterste Art und Weise in die Division 1A abgerutscht ist.

Er war allerdings auch Teil jener Mannschaft, die nach dem Aufstieg 2017 im Folgejahr beim Turnier in Dänemark die Klasse halten und ihr Image als Fahrstuhlmannschaft zumindest kurzfristig ablegen konnte.

2019 folgte schließlich doch wieder der Gang in die Zweitklassigkeit, aber Österreich profitierte vom Turnier-Ausschluss Russlands und Belarus' und darf sich neuerlich auf A-Niveau messen. Der "Mission Klassenerhalt" wird im Team "alles untergeordnet", erklärt Starkbaum im Gespräch mit LAOLA1.

Der Torhüter spricht im LAOLA1-Interview zudem über die Erinnerungen an seine erste WM, die anstehende Endrunde in Tampere sowie Österreichs Torhüter-Situation und ein mögliches Karriereende.

LAOLA1: Ihr seid am Mittwoch in Tampere angekommen, hattet schon erste Trainingseinheiten auf dem Eis. Wie sind deine ersten Eindrücke der nagelneuen Nokia-areena?

Bernhard Starkbaum: Es ist eine sehr schöne, sehr moderne Arena mit riesigem Videowürfel. Die Kabine ist zwar nicht mit jener der Schweden zu vergleichen, es fehlt uns aber an nichts.

LAOLA1: Ihr habt in der Vorbereitung zehn Spiele absolviert, bei den ersten beiden Testpartien gegen Tschechien warst du noch nicht mit dabei. Gegen Top-Nationen wie Schweden oder Finnland konntet ihr mit guten Leistungen aufzeigen. Wie lautet dein Fazit?

Starkbaum: Wir haben uns von Woche zu Woche gesteigert. Es hat natürlich geholfen, dass wir vor den letzten Spielen schon länger zusammen waren. Auch, dass die Salzburger nach einer relativ kurzen Finalserie schneller nachgekommen sind. Wir hatten dadurch eine lange Findungsphase, das ist bestimmt von Vorteil. Aber diese Spiele liegen in der Vergangenheit, davon können wir uns nichts kaufen. Es gilt, aus diesen Spielen zu lernen, darauf aufzubauen und in den kommenden Aufgaben noch besser zu agieren.

LAOLA1: Du hast bei der "Euro Hockey Tour" im Spiel gegen Tschechien ein äußerst unglückliches Tor kassiert. Wie verarbeitest du so eine Situation?

Starkbaum: Wenn der Stürmer das Tor nicht trifft, passiert nichts. Wenn der Verteidiger einen Fehler macht, ist immer noch der Tormann da. Wenn der Tormann einen Fehler macht, sieht man das sofort auf der Anzeigetafel. Fehler können passieren, aber ich lasse mich davon nicht beirren. Das Geschehnis kann ich sowieso nicht ändern. Das Tor war sicher nicht förderlich, aber ich habe danach gleich wieder zu meinem Spiel gefunden und hab meine Leistung abrufen können.

Bernhard Starkbaum (links) und Marco Wieser (rechts) während der WM-Vorbereitung 2009
Foto: © GEPA

LAOLA1: Du gehst nun in deine sechste A-Weltmeisterschaft, warst 2009 in der Schweiz erstmals dabei. Welche Erinnerungen hast du noch an das damalige Turnier?

Starkbaum: Ich war 23, habe bei den Tormanntrainings zugeschaut und so probiert, viel zu lernen. Bei der A-WM herrscht immer eine coole Stimmung, du bist mit den besten Spielern von den verschiedensten Nationen zusammen, teilweise mit NHL-Spielern. Das ist ein guter Ort, um sich Dinge von anderen Spielern/Torhütern abzuschauen, aber auch um sich mit ihnen zu messen.

LAOLA1: Bist du vor einer WM überhaupt noch aufgeregt oder nervös?

Starkbaum: Nervös würde ich nicht sagen. Natürlich ist ein gewisses Kribbeln und eine Vorfreude da, aber wenn ich nervös bin, ist der Kopf und der Fokus nicht dort, wo er hingehört. Ich probiere alles rund um mich auszublenden und mich auf meine Sachen, die ich beeinflussen kann, zu konzentrieren. Es bringt nichts, über irgendwelche anderen Dinge nachzudenken. Wichtig ist, die Spielsituationen gut zu lesen und zu schauen, was auf einen zukommt.

LAOLA1: Du hast dieses Kribbeln bereits angesprochen. Am Samstag bestreitet ihr das Auftaktspiel gegen Schweden, du hast selbst vier Jahre dort gespielt. Sind solche Duelle noch etwas Besonderes?

Starkbaum: Sicher kenne ich noch ein, zwei Spieler. Aber für mich ist jedes Spiel bei einer A-WM etwas Besonderes. Das Spiel beginnt bei Null, wir haben in Wien gegen Schweden nur knapp verloren. Wir müssen von Anfang an voll fokussiert sein, unser System konstant über 60 Minuten durchziehen. Dann schauen wir, was rauskommt. Wenn wir Glück haben, können wir vielleicht auch gegen große Gegner ein, zwei Punkte ergattern.

LAOLA1: Wobei die Mannschaften am Beispiel der Schweden nicht mit jenen aus der Vorbereitung verglichen werden können, da nun unter anderem NHL-Spieler mit an Bord sind.

Starkbaum: Sowieso nicht. Wir haben davor aber auch nicht gegen irgendwelche Spieler gespielt, die irgendwo in der dritten oder vierten Liga herumlaufen. Wir haben genauso gegen zukünftige NHL-Spieler gespielt. Und wie gesagt: Jedes Spiel beginnt bei Null. Jeder Gegner spielt nur so gut, wie man ihn spielen lässt. Wenn du dem Gegner viel Zeit und Raum gibst, dann wird es gegen Schweden und Co. natürlich immer schwer. Sie sind sehr routiniert, sehr spielfreudig, können Plays auf wirklich engem Raum machen. Wir müssen aggressiv und aufsässig sein, den Gegner früh unter Druck setzen und nicht in sein Spiel kommen lassen.

LAOLA1: In der Vergangenheit waren Spiele gegen Schweden, die USA oder Tschechien – eure drei Auftaktgegner – stets klare Angelegenheiten. Da hieß es, keine allzu hohe Klatsche zu kassieren. Kratzen solche Partien am Selbstvertrauen oder denkt man sich: Abhaken, weiter geht‘s?

Starkbaum: Bei so einem Turnier kannst du nicht in der Vergangenheit leben. Du musst jedes Spiel abhaken, egal ob du 1:0 gewinnst oder 0:10 verlierst. Es ist ein Turnier, das wichtigste Spiel ist immer das nächste. So muss auch der Fokus sein. Es wird keiner denken, dass wir in den ersten drei Spielen haushoch gewinnen werden. Wer das denkt, ist definitiv beim falschen Sport. Wir wissen, dass wir der Underdog sind, haben aber in den letzten paar Partien auch gesehen, wie man gegen solche Gegner spielen muss, um sie zu fordern und bestehen zu können.

LAOLA1: Die Chancen auf Punkte stehen gegen Lettland und Norwegen wiederum höher. 2019 habt ihr die Spiele gegen beide Nationen verloren, alles weitere ist Geschichte. Wie wichtig wäre es, auch im Hinblick auf das "Endspiel" um den Klassenerhalt gegen Großbritannien, in diesen Begegnungen Punkte mitzunehmen?

Starkbaum: Wir hätten damals gegen Norwegen auch gewinnen können. Bei so einem Turnier ist alles möglich. Im Optimalfall müssen wir in der letzten Partie gegen Großbritannien gar nicht mehr um den Klassenerhalt zittern. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik, unser Fokus liegt auf der ersten Partie. Wir wollen mit einem guten Start etwas Selbstvertrauen sammeln. Dann wissen wir auch, dass wir gegen Top-Nationen über 60 Minuten konstant gut spielen können – das ist einfach der Schlüssel bei so einem Turnier. Und dann schauen wir weiter. Vielleicht schlagen wir die Norweger oder Letten in der Verlängerung oder im Penaltyschießen.

LAOLA1: Für die "Mission Klassenerhalt" hat trotzdem das abschließende Gruppenspiel gegen Großbritannien die wahrscheinlich größte Bedeutung. Wie schwer wird es?

"Warum sollten wir nicht imstande sein, wieder fünf Punkte zu sammeln und den Klassenerhalt zu schaffen?"

Starkbaum: Wir schauen nicht auf einzelne Gegner, sondern auf uns. Wir schauen auf das, was wir kontrollieren können. Sicher ist es, auch von den Weltranglisten-Positionen her, das Schlüsselspiel – quasi der Siebente gegen den Achten der Gruppe. Aber wir wollen unsere Stärken forcieren und dem Gegner unser Spiel aufzwingen.

LAOLA1: Wie wichtig wäre der Klassenerhalt für das Image des österreichischen Eishockeys?

Starkbaum: Natürlich extrem wichtig, da müssen wir nicht groß drumherum reden. Auf diesem Niveau spielst du einfach gegen die Top-Nationen, gegen NHL-Spieler. Daher ist der Fokus zur Gänze darauf gerichtet. Uns ist es freilich egal, ob wir das Ziel in diesem Schlüsselspiel gegen Großbritannien erreichen oder ob wir vorher schon ein paar Punkte einheimsen, damit wir den Klassenerhalt schaffen. Wenn ich zurückdenke: Ich war bei zwei Weltmeisterschaften dabei, da war Österreich die einzige Mannschaft, die mit fünf Punkten ausgeschieden ist (Anm: 2013 und 2015). Warum sollten wir nicht imstande sein, wieder fünf Punkte zu sammeln und den Klassenerhalt zu schaffen?

LAOLA1: Möglich ist es natürlich. Neben dem allgemeinen Ziel des Klassenerhalts, welche Ziele hast du dir selbst für die WM gesteckt?

Starkbaum: Ich will der Mannschaft einfach helfen, egal ob ich auf dem Eis, der Bank oder Tribüne bin. Wir haben einige junge Spieler dabei, denen ich mit meiner Erfahrung weiterhelfen kann. Ich will sie pushen, den Burschen ihnen einfach helfen, wenn ich nicht am Eis bin. Wichtig ist, dass wir eine gute Stimmung in der Mannschaft haben. Und die haben wir. Es macht richtig Spaß, es lachen alle. Aber wenn es an die Arbeit geht, ist jeder voll fokussiert. Jeder ordnet sich dem großen Ziel „Klassenerhalt“ unter.

LAOLA1: Mit Blick auf die Stimmung, aber auch auf das gesamte Teamgefüge: Wie sehr spielt es eine Rolle, dass viele Spieler das gesamte Jahr über in ihren Klubs, dort sogar in einer Linie zusammen spielen?

Starkbaum: Natürlich ist es von Vorteil, wenn eine Linie das gesamte Jahr über zusammen spielt und sich teilweise blind versteht. Das kann vorkommen, muss aber nicht. Jedes Team hat zwar eine eigene Taktik, trotzdem ist es kein Nachteil, wenn Spieler vielleicht auch in der Vergangenheit bereits gemeinsam aufgelaufen sind.

LAOLA1: Kann man das auch in Bezug auf die Torhüter-Position sagen? Bei den Vienna Capitals hast du mit David Kickert das Goalie-Tandem gebildet.

Starkbaum: Es wäre wohl noch besser, wenn beide jeweils bei einem Klub wären, um mehr Eiszeit zu sammeln. Ich kenne, um ehrlich zu sein, weltweit keinen einzigen Klub, der zwei Nationalteam-Torhüter aus demselben Land im Kader hat. Wir haben in Österreich leider das Problem, dass zu wenige einheimische Goalies die Chance bekommen, zu spielen. Wien hat das super gelöst, die Caps haben mit zwei Nationalteam-Goalies sicher ein Luxusproblem. Aber freilich wäre es von Vorteil, wenn du zwei Einser-Torhüter hättest, die in ihren jeweiligen Vereinen das ganze Jahr über mehr spielen. Dadurch bekommst du Spielrhythmus, sammelst Erfahrung. Wir haben heuer 50/50 gespielt, es ist keiner zu kurz gekommen. Vor allem für die jungen Goalies wäre es jedoch sehr wertvoll, wenn sie in einer Saison mehr Spiele bestreiten würden.

LAOLA1: Mit deinen 36 Jahren gehörst du nicht mehr zum jüngsten Eisen, hast auch schon zwei Kinder. Wielange sehen wir dich noch auf dem Eis?

Starkbaum: Ich fühle mich ganz gut und fit, keineswegs wie 36. Es macht immer noch viel Spaß, zu trainieren – sowohl auf als auch neben dem Eis. Ich bin weiterhin einer der ersten am Eis und einer der letzten, die vom Eis gehen. Zwei, drei Jahre sind bestimmt noch möglich, allerdings muss ich dabei auch auf den Körper achten.


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