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Jesper Bratt: Der unerwartete Goldgriff der Devils

Erst in der sechsten Runde gedraftet und jetzt einer der heißesten Spieler der Liga! Die Besonderheiten des Schweden im Scouting-Fokus von Bernd Freimüller.

Jesper Bratt: Der unerwartete Goldgriff der Devils Foto: © getty

Kaum ein anderer NHL-Spieler hat in den letzten Jahren aus einer niedrigen Draftposition so schnell so viel gemacht wie Jesper Bratt.

Bevor der Schwede in Diensten der New Jersey Devils im LAOLA1-LIVE-Spiel auf die Pittsburgh Penguins trifft (So., ab 20:00 Uhr im LIVE-Stream>>>), wirft Scout Bernd Freimüller einen Blick auf seine Karriere:

Ich schaue mit einem Auge vor allem immer auf die Karrieren der Europäer in der NHL. Diese fallen – mit wenigen Ausnahmen – in mehrere Kategorien:

Hohe Draftpicks, die sofort in die NHL wechseln und dort reüssieren – Juraj Slafkovsky von den Montreal Canadiens als aktuelles Beispiel oder Rasmus Dahlin (Buffalo Sabres, allerdings mit einer Anlaufphase).

Erstrunden-Picks, die noch das eine oder andere Jahr in Europa absolvieren, dann rüberkommen und ohne AHL-Praxis sofort einschlagen: Lucas Raymond bei den Detroit Red Wings wäre hier ein gutes Beispiel.

Erstrunder, die sich nach Europa kurz in der AHL an die NHL gewöhnen, dann aber einschlagen: Moritz Seider, der ohne Corona wohl ein Jahr früher in Detroit gelandet wäre.

Spieler, die an die NHL heranschnuppern, dann wieder in die AHL müssen, bevor sie Fixstarter in der NHL werden: J.J. Peterka etwa (gerade wieder runtergeschickt), auch Lukas Reichel und hoffentlich Marco Rossi sollten früher oder später zu dieser Gruppe gehören.

Spieler, die außerhalb der ersten Runde gedraftet wurden, nach kurzer Zeit in Europa sofort in der NHL Erfolg hatten: Sebastian Aho (Carolina) oder Viktor Arvidsson. Letzterer ist ein interessanter Fall, ging er doch durch unglaubliche drei Drafts, ehe er am letzten Drücker von den Nashville Predators 2014 in der vierten Runde gedraftet wurde und danach sofort einschlug.

Aber ein Sechstrundenpick, der im regulären Alter von 17 Jahren gedraftet wird, nach einem Jahr ins Camp einzieht und sich von dort aus gleich in die NHL spielt, in der er sich sechs Jahre nicht nur hält, sondern zu einem Star wird? Fast unglaublich und zumindest in der Neuzeit ohne Parallelen, aber Jesper Bratt hat bei den New Jersey Devils eine solche Karriere hingelegt.

Seine Nachwuchsjahre und der Draft 2016

Bratt spielte sich über den Nachwuchs von AIK Stockholm bis ins Allsvenskan-Team, wo er in seinem Draftjahr 2015/16 auch vorwiegend spielte. Acht Tore und neun Assists in 17 Spielen waren eine durchaus gute Bilanz, in zehn Spielen der Qualifikationsrunde blieb er danach punktelos.

Auch im U18-Team der Tre Kronor war er in dieser Saison mit dabei und gehörte auch zum Kader bei der U18-WM, wo er aber von anderen Spielern in den Schatten gestellt wurde.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Also keineswegs ein unbekannter Spieler oder einer, der im Hinterland agierte, doch die Scouting-Berichte sahen damals alle ungefähr gleich aus: "Sehr schnell, gute Beine, auch gute Hände. Aber kann er physisch zulegen?".

Es fand sich einfach kein Team für ihn, das schon früher zuschlug, insgesamt gingen 18 schwedische Spieler vor ihn, ehe sich die Devils an 162. Stelle seiner erbarmten.

Clevere oder dumme Devils-Scouts?

Die schwedischen Regionalscouts werden sich natürlich in den Hintern beißen und neidisch zu ihrem Kollegen Niklas Evertsson schauen, der damals in seinem ersten Jahr bei den Devils arbeitete. Waren er und Scouting Direktor Paul Castron also Genies? Ja und nein. Nein deswegen, weil die Devils gleich sieben Spieler vor Bratt drafteten, keiner von ihnen – inklusive First Rounder Michael McLeod – kam je an ihn heran.

Da steckte natürlich kein ausgeklügelter Plan dahinter, dass man sich dabei Zeit ließ, Bratts Namen auszurufen. Das ist eher so, wie wenn du siehst, wie jemand einen Geldkoffer liegenlässt und du dir den unter den Nagel reißen willst, aber vorher noch einen Kaffee und ein Telefonat einschiebst. Die Devils hatten natürlich auch ihre Zweifel, sahen Bratt als kleinen, offensiven Spieler mit gutem Motor, schlugen aber dann doch einmal zu und können sich jetzt natürlich selbst auf die Schulter klopfen.

Vom Camp gleich in die NHL

Bratt bleib noch ein Jahr bei AIK in der Allsvenskan, insgesamt sieben Tore und 17 Assists in 54 Spielen waren eine keineswegs herausragende Bilanz. Doch die Devils nahmen ihn im Mai 2017 unter Vertrag, luden ihn danach zum Rookie Camp ein, das für ihn ins Main Camp überging.

So weit, so gut, bis dahin keine Besonderheiten. Doch im Schatten von Nico Hischier, den die Devils gerade als Nummer 1 Overall gezogen hatten, schaffte auch Bratt den Sprung in die NHL, aus der er bis heute nie mehr verschwand.

Sein Speed mit und ohne Scheibe, seine Energie und natürlich seine Scorerfähigkeiten waren vom ersten Tag in Übersee augenscheinlich, seine körperlichen Nachteile kein Thema mehr. Der heute 24-Jährige gehört zu den Topskatern der Liga, sowohl wenn es um schnelle Richtungsänderungen als auch um den Speed an sich geht. Er hat die Fähigkeit, die Scheibe in hohem Tempo zu kontrollieren und sie verlangsamt ihn auch bei und vor der Annahme nicht. Dazu ist er ein guter Passgeber, ein sicherer Wert bei Breakaways bzw. Penalty-Shots and verfügt auch über einen harten Schuss. Im Gegensatz zu anderen Speedstern ist er also keineswegs ein "One-Trick-Pony", sein Wergzeugkasten ist reicht gefüllt.

35 Punkte in 74 Spielen waren die Stats seiner ersten Spielzeit, danach folgten noch drei gute Saisonen, ehe er 2021/22 mit 73 Punkten in 76 Spielen endgültig zum herausragenden NHL-Spieler wurde. Heuer ist er ebenfalls ein Point-per-Game-Scorer und hat mit 24 Jahren seine Zukunft natürlich noch vor sich.

Seine Verträge

Nach seinem Entry-Level-Deal war 2020/21 erstmals großes Verhandeln angesagt, Bratt unterschrieb für zwei Jahre um insgesamt 5,5 Millionen. Allerdings erst sehr spät, er versäumte sogar das Camp und den Start der Saison.

Keine guten Voraussetzungen für die Verhandlungen im Sommer 2022: Da war sogar schon ein Schiedsgerichtsverfahren angesetzt, ehe Bratt für ein Jahr um 5,45 Millionen unterschrieb. Die Vorstellungen davor: 4,15 Millionen (Devils) bzw. 6,5 (Spielerseite). Das Fazit dieser beiden Verträge: Die beiden Lager (die Devils bzw. Bratt und sein Agent Joakim Persson) haben eine keineswegs friktionsfreie Vergangenheit hinter sich.

Und heuer steht natürlich die nächste Verhandlung an, seit Jänner können beide Seiten miteinander reden. Und leicht wird das nicht: Bratt sieht sich von hochbezahlten Cracks wie Hischier (8 Mio. pro Saison), Jack Hughes (7,25), Ondrej Palat (6) und Dougie Hamilton (9) umgeben und es sieht danach aus, dass er diese Spieler gehaltsmäßig überflügeln will und auch wird. Neun bis zehn Millionen könnten es für ihn schon werden.

Bratt wird im Sommer 2024 ein Urestricted Free Agent – gelten ihm die Devils einige Jahre des UFA-Seins ab oder zielt er ohnehin nur wieder auf einen kurzfristigen Vertrag ab, ehe er sich erstmals sein Team selbst aussuchen kann? GM Tom Fitzgerald muss jedenfalls die (wahrscheinliche) Salary Cap von 83,5 Millionen für die nächste Saison beachten, derzeit hat er elf Spieler um knapp 45 Millionen unter Vertrag. Das kleine Zuckerl mit einem Minor-League-Vertrag für Bratts jüngeren Bruder Filip verlor schnell seinen Geschmack – nach drei ECHL-Spielen kehrte dieser nach Schweden zurück und spielt dort in der Drittklassigkeit.

Ein Sechstrundenpick, der es über die Allsvenskan vom Camp gleich in die NHL schaffte, nie ein AHL-Spiel bestritt und nun vor einem Riesen-Paycheck steht – allein dieser unglaubliche Werdegang macht Jesper Bratt und die Devils im LAOLA1-LIVE-Spiel sehenswert...

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