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Roger Bader: Die letzten Antworten vor der WM

Der ÖEHV-Teamchef über seine WM-Debütanten, die Torhüter-Frage und mehr:

Roger Bader: Die letzten Antworten vor der WM Foto: © GEPA

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Die Vorbereitungszeit ist vorbei, jetzt wird es richtig ernst: Ab Samstag steht bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Bratislava die "Mission erneuter Klassenerhalt" für das ÖEHV-Nationalteam an (Auftakt vs. Lettland ab 16:15 Uhr im LIVE-Ticker).

Roger Bader hat die letzte Kader-Entscheidung getroffen und sich bei der ehrenwerten 5:7-Niederlage gegen Kanada noch einmal von seinen Spielern überzeugen können. Vor - und auch während - des Turniers stehen aber noch Fragen an, etwa wie die Torhüter-Frage geklärt wird und welche Rolle Michael Raffl, dem einzigen NHL-Spieler im Aufgebot, zukommen wird.

Der ÖEHV-Teamchef gibt vor dem WM-Start letzte Antworten und Einschätzungen:

Roger Bader über...

…die letzte Kader-Entscheidung:

Wir fahren mit 22 Feldspielern nach Bratislava. Die Überlegung bestand, mit neun Verteidigern und 13 Angreifern anzureisen. Dass Raphael Herburger leicht angeschlagen ist, hat die Entscheidung für acht Verteidiger und 14 Angreifer aber zementiert. Es kann sich im Laufe des Turniers aber noch einmal etwas ändern. Wir wollten letztes Jahr zwei Stürmer dazubringen, ein Platz war reserviert für Michael Raffl. Dann hat sich Steven Strong im ersten Spiel verletzt und wir wussten, wir können nicht mit sieben Verteidigern sechs Spiele bestreiten. Es ist ein Risiko, wenn sich noch einer verletzt. Darum haben wir Patrick Peter, der auch gut gespielt hat und in diesem Jahr klar im Kader ist, aktiviert. Das ist auch diesmal möglich. Es ist nicht sicher, dass Philipp Lindner, der jetzt auf Abruf ist, nicht doch noch nachfährt – aber wir wünschen uns nicht, dass sich jemand verletzt.

…die Physis der Spieler:

Er hat im Moment die Vorstellung, dass er die Spiele alleine entscheiden muss, weil er der einzige NHL-Spieler ist. Das muss er aber nicht. Den Druck, dass von ihm mehr kommen muss, legt er sich selbst auf.

Bader über Michael Raffl

Man kann den einen oder anderen Spieler fragen, wie er sich nach den ersten Eistrainings mit mir gefühlt hat. Die Spieler, die jetzt dazugekommen sind, sind nicht in unseren Zug eingestiegen, sondern auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Die hatten keine Schonfrist, sind gekommen und es ging gleich heftig zu. Das muss sein, wir müssen bei der WM in der Lage sein, mitzulaufen. Was gegen Dänemark kolportiert wurde, dass die Spieler gegen Ende müde wurden – gegen Kanada hat das nicht müde gewirkt. Ich weiß, was es über sechs Wochen Vorbereitung braucht. Sechs Wochen klingt nach einer langen Zeit, aber die ganzen sechs Wochen waren nur zwei oder drei Spieler dabei.

…den selbstkritischen Michael Raffl und die Rolle einzelner Spieler:

Mit ihm werde ich noch reden müssen. Er hat im Moment die Vorstellung, dass er die Spiele alleine entscheiden muss, weil er der einzige NHL-Spieler ist. Das muss er aber nicht. Er wird bei der WM sicher gut sein, aber das heißt nicht, dass er jedes Spiel entscheidet. Er wird seinen Teil dazu beitragen, dass seine Linie besser ist, weil er offensiv und defensiv gut arbeitet. Den Druck, dass von ihm mehr kommen muss, legt er sich selbst auf. Das Kollektiv nimmt den Druck. Die vierte Linie hat gegen Dänemark und Kanada sehr gut gespielt. Gegen Kanada habe ich Benjamin Baumgartner in die erste Linie gestellt, er hat gut gespielt. Alexander Cijan, der gegen Dänemark gar nicht gespielt hat, auch. Ich habe der Mannschaft gesagt: Ihr seid alle gute Spieler, aber keiner ist ein Alexander Ovechkin, keiner ist ein Erik Karlsson. Bei uns wird das Kollektiv Österreich als Team den Gegner bezwingen, nicht einzelne Spieler. Es wird sicher ein oder zwei Spiele geben, wo Michael Raffl mitentscheidend sein wird, und dann wird es andere Spiele geben, wo es andere Spieler sind. Ich möchte eine Mannschaft, in der alle Spieler eine gute Rolle haben, aber in der keine Rolle eines Spielers zu groß wird. In jedem Spiel gibt es neue Helden.

…die WM-Debütanten Benjamin Baumgartner und Raphael Wolf:

Wer hat Raphael Wolf vorher gekannt? Wir haben ihn vor sechs Wochen mitgenommen, weil wir Spieler gebraucht haben. Er hat jeden Tag zusehend Fortschritte gemacht und es aus dem Nichts ins WM-Team geschafft. Benjamin Baumgartner wollte ich nichts schenken. Ich wollte, dass er kämpft. Ich habe ihn beim Klub in Davos gesehen, er hat dort auch viel Eiszeit bekommen und Tore geschossen. Gegen Kanada war er bei zwei Gegentoren am Eis, das waren die ersten beiden in sechs Spielen. Gegen Tschechien, die Slowakei und Deutschland war er in fünf Spielen am Eis und bei keinem einzigen Gegentor. Wir wollten ihn gegen Kanada ins Wasser werfen und schauen, wie er performt, aber das hat er schon seit Wochen gemacht, daher war ich war nicht überrascht. Auch an ihn sind die Erwartungen nicht zu hoch. Er kann verschiedene Rollen spielen und ist ein Farbspritzer in unserer Mannschaft. Ich habe immer gesagt, dass es einige Talente gibt, und Baumgartner ist sicher ein großes Talent. David Maier, auch Julian Payr, beide waren nah am WM-Team dran, es war sensationell, wie sie gegen Tschechien, Deutschland und die Slowakei gespielt haben. Ihnen gehört die Zukunft, da kommen so gute junge Leute nach.

…die Special Teams, Penaltykilling:

Die eisläuferischen Fähigkeiten und die Fähigkeiten, Druck zu erzeugen und gegen Druck etwas zu machen, das ist wichtiger, als dass ein Spieler 40 Tore in der Saison geschossen hat.

Bader über Prioritäten

Wir haben ein spezielles Unterzahl-Spiel: Sehr aggressiv, dem gegnerischen Powerplay keine Zeit lassen. Es wird attackiert, attackiert. Das ist der Stil, der international gespielt wird. Ich versuche, das auf verschiedene Schultern zu verteilen. In den International Breaks haben wir jeweils drei Trainings, da vermitteln wir unsere Prinzipien. Die, die schnell umschalten können, haben größere Chancen, dann mit dabei zu sein. Die eisläuferischen Fähigkeiten und die Fähigkeiten, Druck zu erzeugen und gegen Druck etwas zu machen, das ist wichtiger, als dass ein Spieler 40 Tore in der Saison geschossen hat.

…und Powerplay:

Wir haben ein gutes Kollektiv, darum hänge ich das Powerplay auch auf verschiedene Schultern. Andere Coaches forcieren bestimmte Spieler extrem. Das zahlt sich aber nur dann aus, wenn das Powerplay dann wirklich deutlich besser ist. Wenn es das nicht ist, gibt es eine Kluft im Team. Die einen von denen erwartet wird, dass sie performen, die anderen sitzen und haben keinen Rhythmus. Ich habe diesbezüglich einen komplett anderen Stil. Aber ich bin davon überzeugt, dass es so besser ist.

…das Torhüter-Luxusproblem:

Es ist schon sensationell, was Reinhard Divis (Torhüter-Trainer, Anm.) in den letzten Wochen aus diesen Torhütern gemacht hat. Das ist keine Floskel: Es ist einzigartig, im Eishockey oder auch Fußball, dass ein Team nur mit "Zweier"-Torhütern in ihren Vereinen in eine Weltmeisterschaft geht. Die Erwartung ist, dass sie sich dem Puck erfolgreich in den Weg stellen. Ich bin froh, dass wir Bernhard Starkbaum diese Chance gegen Kanada im letzten Drittel und in der Overtime gegeben haben, da hat er gut ausgeschaut. Die Überlegung war, ihm Spielpraxis zu geben, das haben wir während des Spiels spontan entschieden und war so nicht geplant. Er ist ein Wettkämpfer und einer, der in wichtigen Spielen über sich hinausragen kann. Was er letztes Jahr gegen die Schweiz gespielt hat, war einfach Weltklasse. Aber das macht er nicht in jedem Spiel. Er hat die Fähigkeit, einzelne Spiele immer wieder an unser Team zu reißen. David Kickert ist technisch ein sehr gut ausgebildeter Torhüter, der sicher davon profitieren konnte, dass er jetzt viele gute Vorbereitungsspiele bekommen hat. So gesehen war das frühe Ausscheiden der Black Wings Linz für ihn ein Vorteil. Ich bin mir sicher, dass beide zum Einsatz kommen und es ist nicht ausgeschlossen, dass Lukas Herzog auch eine Partie spielt.

…seine Assistenten Alexander Mellitzer und Markus Peintner:

Alle meine Assistenten haben Einfluss auf meine Entscheidungsfindung, am Schluss mache ich die finale Entscheidung und halte auch den Kopf hin. Sehr oft folge ich dem, was meine Assistenten sagen, aber es kann durchaus sein, dass ich eine andere Meinung habe. Das wissen die Assistenten und vertreten das auch loyal. Alexander Mellitzer hat sich sehr gut eingefügt, das ist keine Überraschung. Wir haben schon länger eine Beziehung, er war drei Jahre mein Assistenzcoach bei der U20. Er ist ein emotionaler Typ, bringt viele gute Sprüche und ein bisschen Schwung in die Sache. Markus Peintner ist irrsinnig gut in der Analyse von Spielen. Darum habe ich ihn auch in die Schweiz zur Beobachtung geschickt und auch in der Spielanalyse über Video ist er wirklich ein Top-Fachmann.

 

Spielplan der Eishockey-WM 2019>>>

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