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"As good as it gets" - ÖEHV U20 im LAOLA1-Check

So schätzt LAOLA1-Scout Freimüller Österreichs Eishockey-Team bei U20-WM ein:

Foto: © GEPA

Erstes Spiel für Österreich bei der Junioren-WM 2022! Am Montag um 20 Uhr wartet mit Finnland gleich einer von drei überaus harten Brocken in Folge.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft vor dem Auftakt einen genauen Blick auf die österreichische Auswahl und die Ausgangssituation:

Vor Turnierbeginn bereits den Klassenerhalt geschafft

Im Laufe des gestrigen Tages trudelten für das ÖEHV-Team gute und schlechte Nachrichten ein. Die gute: Die IIHF sistierte wie im Vorjahr den Abstieg, Aufsteiger Belarus ist bei der nächsten WM das 11. Team. Als Grund für diese Maßnahme wurden Corona-Gründe angeführt.

Es kann nämlich leicht passieren, dass ein Team während der WM spielunfähig wird. Dazu passt auch die schlechte Nachricht von gestern: Ein ÖEHV-Spieler wurde positiv getestet. Heute werden weitere Tests gemacht, nur negativ getestete Cracks dürfen natürlich antreten. Auch die Schweiz war schon in einer ähnlichen Situation.

Alle Mann an Bord

Seit ich den österreichischen Nachwuchs verfolge (ungefähr 30 Jahre), kann ich mich nicht an eine Situation wie heuer erinnern: Teamchef Marco Pewal standen bei der Auswahl seines WM-Kaders ausnahmslos alle Spieler zur Verfügung, er konnte aus dem Vollen schöpfen.  Keine Verletzten, keine Krankheiten und – noch bemerkenswerter – keine Corona-Ausfälle! Dieses Team ist also „as good as it gets“. Natürlich gibt es verschiedene Meinungen über die Zusammenstellung des Kaders, aber das betrifft nur die Randerscheinungen und Rollenspieler.

Die Topcracks (pro Jahrgang im Schnitt oft nur ein Block) sind ohnehin immer unbestritten, beim Rest gibt es natürlich je nach Vereinszugehörigkeit bzw. familiären Beziehungen verschiedene Meinungen. Auswirkungen hätte dies bei einer A-WM aber genauso, wie wenn Pewal hinter der Bande eine grüne statt einer roten Krawatte tragen würde.

Änderungen zum Vorjahr

Änderungen zum Vorjahr

Natürlich sind alle 2001 geborenen Spieler aus dem Vorjahr nicht mehr dabei. Das waren genau 14 Spieler, darunter etwa Marco Rossi, Tim Harnisch, Jacob Pfeffer oder Fabian Hochegger. Dazu kamen noch ganz starke Defender wie Thimo Nickl oder Kilian Zündel, die wegen Corona im letzten Jahr fehlten. Der 2001er-Jahrgang war ein ganz starker, in Verbindung mit den 2000ern eine Auswahl vom Feinsten für österreichische Verhältnisse.  

Aus dem Vorjahresaufgebot – in Abwesenheit von Pewal durch ÖEHV-Sportdirektor Roger Bader zusammengestellt und gecoacht – nicht berücksichtigt wurden die beiden 02-er Stürmer Marlon Tschofen (Bregenzerwald) und Maximilian Theirich (KAC).  Mit anderen Worten: Neun Cracks aus dem Vorjahr sind auch heuer mit dabei. Die Goalies Leon Sommer und Sebastian Wraneschitz, Verteidiger Lukas Necesany sowie die Stürmer Mathias Böhm, Marco Kasper, Senna Peeters, Lucas Thaler, Finn Van Ee und Leon Wallner.

Der 02er- und die darauffolgenden Jahrgänge

Es muss jetzt fünf Jahre her sein, als ich diesem Jahrgang als U15-Team zu einem Turnier nach Italien hinterhergondelte (Coach damals: Peter Schweda). Schon damals zeichnete sich ab, dass die 02er ein überaus schwacher Jahrgang werden würden – ein Eindruck, der sich auch über die Jahre nicht zum Besseren gewandelt hat.  In Österreich muss man ab und an die Meinung über Spieler ändern, das Niveau ganzer Jahrgänge zeichnet sich aber immer sehr früh ab.

Zwar gibt es bei den 02ern mit Wallner und Thaler (bestreitet bereits seine vierte U20-WM) zwei für österreichische Verhältnisse sehr gute Stürmer mit Nationalspielerpotential. Dazu kommen mit Wraneschitz und Oskar Maier noch zwei Cracks mit guten Ansätzen, mit Peeters ein erst vor zwei Jahren eingebürgerter Stürmer mit Torjägerfähigkeiten, der sich auch im Spiel gegen die Scheibe nach Traineraussagen verbessert hat.   

In der Defensive sieht es dagegen völlig desolat aus. Bezeichnend dafür: Bis auf Martin Urbanek (vom VSV nach Kitzbühel ausgeliehen) nominierten weder Bader noch Pewal irgendeinen Verteidiger dieses Jahrgangs. Und Urbanek – der das letzte Turnier noch abgesagt hatte – stagniert auch in seiner einst hoffnungsvollen Entwicklung.

Wenn dein ältester Jahrgang schon nicht gut ist, beginnst du mit einem großen Wettbewerbsnachteil. Aufgrund von Corona fehlen die letzten beiden U18-Weltmeisterschaften, was einen internationalen Vergleich unmöglich macht. Aber ich habe genug gesehen um zu sagen, dass 2003 auch alles andere als ein Top-Jahrgang ist, es fehlen sogar Kaliber wie Thaler oder Wallner. 2004 bringt dafür einige herausragende Stürmer hervor wie Kasper, Vinzenz Rohrer oder Luca Auer, auf einem etwa geringeren Niveau Johannes Tschurnig und Jonas Dobnig (heuer noch nicht dabei).

 

Die logische Konsequenz: Neben den 02ern (alle drei Goalies, Urbanek, Maier, Peeters, Thaler, Wallner sowie Maximilian Hengelmüller und Kilian Rappold) setzt sich das Team vor allem aus 03er-Defendern und 04er-Stürmern zusammen. Der KAC stellt mit Tobias Sablattnig (heuer mit der besten Entwicklung), Chistoph Tialler und Lorenz Lindner gleich drei dieser Verteidiger. Luca Erne (in Übersee tätig), Lukas Hörl (Salzburg) und Matteo Mitrovic (aus der neuen Eishockeyakademie in Ferlach) bringen wenigstens etwas Größe mit, wobei ich mir von Erne am meisten erwarte. Einziger 04-Defender ist David Reinbacher (Kloten), der auch im Powerplay mit dabei ist.

Im Angriff gehört neben den bereits angeführten Cracks noch Tim Geifes (ehemals Vienna Tigers, jetzt in Übersee) zum Kader, er überzeugte Pewal im Sommercamp. Die WM wird die erste für ihn im österreichischen Teamdress sein.

Die Stärken und Schwächen

Am besten ist Österreich noch im Angriff aufgestellt – die Top-5-Stürmer Kasper, Rohrer, Wallner, Thaler und Peeters muss Pewal entsprechend aufteilen und einen sechsten Mann dazu finden. Marco Kasper beginnt das Turnier mit Thaler und Peeters an seiner Seite. Von den Top-5-Angreifern ist nur Peeters am Flügel festgelegt, der Rest hat schon beide Positionen gespielt.  

Nur: Wie kommt die Scheibe nach vorne? Gegen Finnland, Kanada und Tschechien wahrscheinlich gar nicht, aber zumindest danach braucht es Defender, die einerseits Zweikämpfe gewinnen und dann die Scheibe nach vorne transportieren können. Und da sind Zweifel angesagt. Urbanek, Sablattnig, Necesany, Tialler und vielleicht Erne, Lindner oder Hörl – können sich ein oder zwei von ihnen über den Rest stellen und viel Eiszeit bei einer geringen Fehlerquote wegdrücken? Zumindest in den ersten Spielen will Pewal alle Defender gleichmäßig einsetzen und sehen, welche Hierarchie sich herauskristallisiert.

Eine weitere Baustelle: Die Torhüterposition. Sebastian Wraneschitz erspielte sich bei der letzten WM viel Lob, als er sich dem Geschosshagel der Gegner entgegenstemmte, trotzdem im Schnitt mehr als sieben Tore pro Spiel kassierte.

Darauf aufbauend, heuerte er im Sommer bei den Victoria Royals in der WHL an – ein Gastspiel, das auch aufgrund von gesundheitlichen Problemen bald zu Ende ging. Sein Game-Log für heuer: Drei Teilzeiteinsätze bei Victoria, ein ganzes Spiel bei den Silvercaps nach seiner Rückkehr nach Wien sowie das halbe Vorbereitungsspiel gegen Schweden. Insgesamt spielte er seit Sommer 191 Minuten (knapp mehr als drei Spiele) und das ohne Sieg und mit 24 Gegentoren!

Nicht gerade eine vertrauenserweckende Bilanz, immerhin ist der Wiener jetzt wieder gesund. Er steht am Montag im Kasten und wird, wenn sich Backup Leon Sommer nicht groß in Szene setzt, auch das Spiel gegen Deutschland bestreiten.  Pewal bzw. Goalie-Coach Jürgen Penker werden auf jeden Fall auf zwei Goalies zurückgreifen müssen, liegen zwischen den Spielen gegen Finnland und Kanada sowie Tschechien und Deutschland nur 29 bzw. 21 ½ Stunden. Mit anderen Worten: Gegen Tschechien sollte der Goalie, der gegen Deutschland beginnt, nicht einmal auf der Bank sein.

Die Coaches

Neben Pewal, der im letzten Jahr vom VSV keine Freigabe erhielt und Penker stehen mit Philipp Pinter und Philipp Lukas zwei weitere Ex-Nationalspieler hinter der Bande. Das gleiche Quartett wie beim Aufstieg vor zwei Jahren in Minsk. Ihre Hauptaufgabe: Die Stimmung im Team auch nach hohen Niederlagen hochzuhalten, das Team zu den abschließenden Spielen in bestmögliche Form zu bringen. Das Problem dabei: Vier Spiele auf diesem Niveau – mit der AlpsHL, wo viele dieser Cracks spielen, natürlich nicht zu vergleichen - kostet viel an geistiger und körperlicher Energie, vor allem wenn man meist in der defensiven Waschmaschine feststecken wird.  

Aussicht

Nach dem Aufstieg in Minsk profitierte Österreich im letzten Jahr von der Aussetzung des Abstiegs. Auch heuer ist das rot-weiß-rote Team Außenseiter im Kampf um den Klassenerhalt. Allerdings haben Deutschland (ohne die Spitzenspieler Stützle, Reichel und Peterka) sowie die Schweiz auch alles andere als überragende Jahrgänge zu bieten, vor allem im Offensivbereich. Im Defensivverhalten sehe ich bei diesen Teams allerdings immer noch erhebliche Vorteile, was Deutschland gestern gegen Finnland beim 1:3 auch bewies…

Das geplante Lineup für Montag (ohne Corona-Ausfälle):

Wraneschitz (Sommer); Sablattnig-Urbanek, Tialler-Reinbacher, Necesany-Hörl, Erne-Lindner; Thaler-Kasper-Peeters, Böhm-Wallner-Rohrer, Maier-Auer-Rappold, Geifes-Van Ee-Hengelmüller (Healthy Scratches: Moser, Mitrovic, Tschurnig)

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