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Vertragsauflösungen: Wie in der ICE Schluss gemacht wird

Vorzeitige Trennungen von Spielern können, müssen aber nicht schwierig werden. LAOLA1-Experte Bernd Freimüller berichtet.

Vertragsauflösungen: Wie in der ICE Schluss gemacht wird Foto: © GEPA

Die Graz99ers, der HC Pustertal und Asiago verstärkten sich zuletzt mit einigen neuen Legionären. Umgekehrt mussten dafür auch einige Spieler wieder gehen.

Aber was passiert eigentlich mit diesen Cracks, die nicht mehr erwünscht sind?

Ein Blick hinter die Kulissen von LAOLA1-Experte Bernd Freimüller:

Gerade in Fankreisen hört man es immer wieder: "Spieler X ist schlecht. Weg mit ihm!". Nur: Selbst wenn die Teams genau wie die Fans denken - Verträge lösen sich nicht in Luft auf und sind (für beide Seiten) auch nicht nach Belieben kündbar.

Die einzige europäische Liga, die für Teams einseitige Ausstiegsklauseln vorgesehen hat, ist die KHL. Bei einer Trennung vor Saisonbeginn muss das Team ein Drittel der Vertragssumme auszahlen, bei einer Vertragsauflösung bis Dezember zwei Drittel. Der Spieler hat dann keine weiteren Ansprüche mehr, kann bei jedem anderen Team unterschreiben.

Diese Ausstiegsklausel gilt aber nur von Klubseite, Spieler können ihren Vertrag nicht einseitig auflösen, auch wenn das zu Saisonbeginn inmitten der Kriegswirren mancherorten behauptet wurde.

Doch wie sieht es in der Schweiz, Deutschland oder in der internationalen ICE aus? Grundsätzlich gleich, aber auch mit einem großen Unterschied: Die NL (zehn) bzw. die DEL (neun) hat eine Obergrenze an Legionärslizenzen. Sobald ein Spieler registriert wurde, ist eine Lizenz weg. Daher kommt es seltener als in der ICE vor, dass Teams sich von Spielern aus Leistungsgründen denken, schon gar nicht, wenn sie sie weiter entlohnen müssen.

ICE: Verträge bleiben bei Freistellung aufrecht, Rechte und Pflichten auch

In der ICE gibt es seit heuer zwar auch eine Obergrenze, aber an die wird eher keiner herankommen. Teams können 26 Spieler anmelden, die entweder Legionäre ("Non-Domestic-Players") jeden Alters oder Einheimische über 24 Jahren alt sind. Da musst du schon verdammt viele Spieler tauschen, um diese Grenze zu erreichen. Vertragsauflösungen von einheimischen Spielern sind in allen Ligen eine noch größere Seltenheit - wie sollen diese während der Saison denn ersetzt werden?

Aber zurück zur ICE: Was sind die Rechtsgrundlagen für Spieler wie Ben Newhouse, Petr Kolouch oder Morten Jensen, die bei ihren Teams nicht mehr erwünscht waren oder sind? Ganz einfach: Sie werden dienstfreigestellt, aber ihre Verträge sind weiter aufrecht.

UNION-Spielergewerkschafter Sascha Tomanek zur Sachlage in Österreich: "Die meisten Verträge sind auf acht oder neun Monate befristet. Im Gegensatz zu normalen Dienstverhältnissen mit Open-End entfallen damit Kündigungen von beiden Seiten." Sollte ein Team aber einen Spieler vom Dienst freistellen, müssen sie ihn weiterbezahlen, auch seine Dienstwohnung und -auto stehen ihm weiter zu.

Beide Seiten müssen bei der Formulierung dieser Freistellung (gilt natürlich auch bei Trainerverträgen) aufpassen: Bei einer widerruflichen Freistellung (im Gegensatz zur unwiderruflichen) sollte der Spieler tunlichst in der Stadt oder zumindest im Umland bleiben.

Einfach alle Zelte abzubrechen und zur Familie nach Kanada abzureisen, könnte zu Problemen führen, wenn diese Freistellung wieder aufgehoben wird. Ben Gratton, der vor Jahren in Wien sein letztes Vertragsjahr spielunfähig absaß, musste erst auf die Freigabe von Caps-GM Franz Kalla warten, bis er zu Weihnachten seine Familie besuchen konnte.

Meistens wird eine Lösung angestrebt

Geld kassieren und nicht vor Ort sein ist eher eine Ausnahme, aber nochmals: Ein Vertrag löst sich nicht in Luft auf. Und Versuche wie jetzt, einen Spieler noch im November mangelnde Fitness nachzusagen, um so aus dem Vertrag aussteigen zu können, geht nicht einmal als netter Versuch durch. Wer vom Team freigestellt wurde, kann also bis Ende April (da laufen die meisten ICE-Verträge aus) in seiner Wohnung bleiben, mit seinem Auto durch die Gegend kurven und seine monatlichen Teilbeträge kassieren.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Soweit die Theorie, die aber selten so eintritt. Der österreichische Spielermanager Martin Krainz: "So etwas hat es ab und zu bei Spielern am Ende ihre Karriere gegeben, die mit ihrer Familie nicht mehr umziehen wollten. Sie haben etwa in Schweden ihren Vertrag erfüllt, die Teams sind damit auch professionell umgegangen."

Sein deutscher Kollege Klaus Hille hält dagegen fest: "Alle Seiten versuchen, zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Selbst wenn die Fronten verhärtet sind, löst sich das nach einiger Zeit wieder auf und das ist ja auch meine Aufgabe."

Im Gegensatz zur NHL, wo die Agenten nur von den Spielern bezahlt werden (und daher bedingungslose Hingabe einfordern können), kommen in Europa die Agent‘s Fees vor allem von den Teams, wie ja auch aus dem Fußball-Business (da allerdings in ganz anderen Sphären) bekannt.

Es kann auch zum "Mexican Standoff" werden

Bei Freistellungen gilt meistens: "Wer gibt als Erster nach?". Ist der Spieler so angepisst, dass er nur einfach weg will und das erstbeste Angebot annimmt? Oder wird der Arbeitgeber in manchen Fragen unangenehm? Besteht er darauf, dass das Auto gegen ein kleineres Modell umgetauscht werden muss? Muss der (nicht freigestellte) Spieler zu Extra-Fitnesstrainings um 6 Uhr morgens antanzen? Wird der Spieler abgemahnt, weil er zu einem Sponsorentermin um fünf Minuten zu spät kam?

Da gibt es einige Varianten, die aber natürlich auch nicht zur reinen Schikane ausarten dürfen. Es gibt, so Tomanek, aus dem Fußballbereich Präzedenzfälle, dass der Spieler das Recht hat, am Training der ersten Mannschaft teilzunehmen, also nicht etwa zur U20 runtergeschickt werden kann.

Die Gespräche zwischen Agenten (nie Spielern) und den Teammanager resultieren meist in Abfindungsangeboten und die können verschieden ausfallen. Entweder nur ein Angebot bis Ende des Monats, ein oder zwei Monatsgehälter obendrauf oder nach dem amerikanischen Terminus: "X Cents on the Dollar". Also zum Beispiel dreißig Prozent für den Rest des Gehalts.

Wenn der Agent schon ein weiteres Angebot für seinen Klienten auf dem Tisch hat (Vertragsauflösungen kündigen sich oft schon mit Vorlauf an), wird das Ganze endgültig zu einem Pokerspiel. Holt er eine Abfindung für den Spieler heraus, die mit dem Gehalt des neuen Vereins zusammen sogar mehr als zuvor ergibt? Oder kommt es zu einer Einigung, dass die Summe zwischen beiden Verträgen dem ursprünglichen entspricht?

Allerdings: Wenn ein Team auf den Namen des neuen Arbeitgebers besteht und dieser etwa als ligainterne Konkurrenz gesehen wird, kann der Tanz wieder von neuem beginnen. Oft ein Knackpunkt: Die Teams brauchen meist schon die Wohnung für den neuen Legionär, dieser Vorteil liegt daher beim Spieler bzw. Agenten.

Wie bei Morten Jensen und James Livingston, die nach ihren Abgängen in Bruneck bzw. Graz schnell wieder unterkamen, finden die meisten Vertragsauflösungen ein mehr oder minder schnelles und gutes Ende - das gilt aber eher in Mitteleuropa.

Auch in der ICE gab es schon Probleme

Agent Bernd Brückler weist auf die Unterschiede zu anderen Ländern hin: "In der Slowakei oder Polen etwa kann das mühsam sein, Teams glauben, dass Verträge von einem auf dem anderen Tag nicht mehr gelten." Doch auch in der ICE gab es da so manche schräge Teams - ein Agent etwa schwor nach einer mühseligen Vertragsauflösung, nie mehr einen seiner Klienten nach Znojmo zu schicken.

Selbst in der KHL mit der oben erwähnen Ausstiegsprozedur kommt es öfters zu (allerdings vertragsgemäßen) Abschiebungen ins Farmteam, sodass die Spieler selbst Reißaus nehmen. In der NL, DEL oder bei den ICE-Spitzenteams sind Psychospiele und große Streitereien dagegen nicht bekannt.

Die heurige Situation - ein Player's Market wie noch nie - hilft den Spielern aber sicher: Viele Teams suchen auf einem leergefegten Markt, kaum taucht ein vertragsloser Crack auf, ist er schon wieder weg. Ein Agent meinte etwa zu einem Teammanager der britischen Liga: "Ihr sucht Spieler? Viel Glück! Wenn ihr umgekehrt einen Spieler freisetzen würdet, hätte ich sofort gute Angebote aus besseren Ligen für ihn."

Bei Coaches geht es anders zu

Bei Coaches ist die Situation natürlich auch heuer eine andere: Jedes Team braucht etwa 25 Spieler, aber nur einen Trainer. Ein direkter Übergang in derselben Spielzeit ist daher die absolute Ausnahme - entweder man einigt sich früh auf eine Abfindung oder der geschasste Coach bleibt zumindest bis zum Ende der Saison auf der Gehaltsliste.

In der ICE wird es auch in Zukunft weiter zu Situationen kommen, dass Spieler nicht mehr erwünscht sind. Das ist Teil des Geschäfts. Nur: Lächerliche Gründe herbeireden zu wollen, mit Klagen zu drohen oder vergrätzt zu sein - das können sich beide Seiten sparen. Zu klein ist der Markt hier und man hat dauernd miteinander zu tun.

Das Team muss einsehen, dass das Vertragsrecht eher nicht auf seiner Seite ist, der Spieler und sein Agent wiederum, dass eine einvernehmliche Lösung in ihrem Interesse liegt. Fast immer ist das ohnehin der Fall - Leute, die das partout nicht einsehen oder Regelungen aus dem normalen Berufsleben 1:1 auf den Profisport umlegen wollen, haben meist kein langes Leben...

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