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Die schwierige Lage am Eishockey-Spielermarkt

Corona hat viel durcheinandergewirbelt - LAOLA1-Scout Freimüller mit Erklärungen:

Die schwierige Lage am Eishockey-Spielermarkt Foto: © GEPA

Der Spielermarkt ist so leergefegt wie noch nie – Dutzende von Teams suchen, das Angebot an Spielern mit entsprechender Qualität ist aber verschwindend.

Der Versuch einer Erklärung von LAOLA1-Scout Bernd Freimüller:

Die Anzahl an landesinternen Cracks ist auch in Corona-Zeiten ziemlich gleichgeblieben, Ausstiege von Nachwuchscracks werden sich erst in einigen Jahren auswirken. Doch die Importsuche, an der sich fast alle Ligen beteiligen (nur die KHL hat ihre Transferpforten schon geschlossen), gestaltet sich heuer so schwer wie noch nie, vor allem wenn es um die in Europa so begehrten Nordamerikaner geht.

Das begann schon im Frühjahr und Sommer, innerhalb eines Jahres hat sich die Sachlage völlig gewandelt. Zu Beginn der Saison 2020/21 konnten die Teams noch in einem Buyer's Markt auswählen – die NHL und die AHL starteten verspätet, die ECHL überhaupt nur mit stark reduziertem Teilnehmerfeld.

Die europäischen Teams konnten fast wie in einer Lockout-Saison sondieren - große Qualität war zu sehr kleinen Preisen zu haben, auch angesichts der Covid-Klauseln spielten viele ungefähr um die Hälfte ihres sonstigen Marktwerts, wenn nicht sogar darunter.

Die Lage drehte sich - ein Seller's Market kündigte sich an

Zwölf Monate später war alles anders, schon im Sommer kündigte sich ein Seller's Market an und das wurde auch nicht besser. So waren etwa – im Gegensatz zu fast allen Jahren, in denen ich in diesem Business bin – fast keine Qualitäts-Torhüter am Markt.

Die DEL-Teams Straubing und Ingolstadt etwa mussten auf teure (Karhunen) bzw. überalterte (Rämö) europäische Lösungen im Tor zurückgreifen. Bozen fand mit Kevin Boyle einen AHL-Veteranen, wurde mit ihm aber alles andere als glücklich.

Vom schwachen Goalie-Markt abgesehen: Wo sonst über einen Mangel an spielmachenden Defendern und Offensivcentern gestöhnt wurde, zog sich dieses Wehklagen über fast alle Positionen.

Natürlich gibt es einige Vereinsmanager, die den Markt immer leer sehen – Qualität für kleines Geld findet sich halt selten. Umgekehrt gibt es natürlich auch Kollegen, die das Glas immer halbvoll sehen – "Wir werden schon jemanden finden."

Der Grundtenor ist aber seit Monaten der gleiche, bezeichnend dafür einige Aussagen von Sportmanagern: "Normalerweise kommen immer Angebote rein – aber heuer ist tote Hose."

"Außer irgendwelchen Dreibeinern ist da gar nichts." Dazu passend auch ein Sager eines langjährigen Spieleragenten: "Jeder sucht! Ich könnte das Geschäft meines Lebens machen, kann aber auch nichts anbieten." Noch krasser drückt es ein Kollege aus: "Der Markt ist tot."

Die ICE hat nicht die nötige Reputation

Für die ICE-Vereine kommt noch dazu: Sowohl finanziell als auch von der Reputation sind Ligen wie die Schweizer NL (sucht vor allem Ersatz-Ausländer für die Playoffs), SHL und die DEL, teilweise auch die Liiga, weit höher angesiedelt. Wenn sich sogar Red Bull Salzburg oder der KAC – die beide nicht im Niedrigstpreis-Sektor suchen müssen – seit Monaten schwertun, stehen die restlichen Teams natürlich noch mehr an.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Bei Nachverpflichtungen während der Saison muss man heuer alle Augen zudrücken: Greg Carey (ein einstiger AHL-Goalgetter, aber ein Jahr inaktiv) kam mit geschätzten 10 Kilo Übergewicht in Bruneck an, Fehervar verpflichtete gerade mit Jesper Dahlroth einen Mann, der im Sommer auch mit einem ähnlichen Ranzen beim Trainingsauftakt erschien.

Was ist aber der Grund, dass sich der Markt innerhalb von nur einem Jahr so umgedreht hat? Ich habe viele Thesen gehört – keine davon natürlich allumfassend, in ihrer Gesamtheit aber doch einleuchtend.

Corona beendete Karrieren und vergällte die Lust auf Europa

Die Ungewissheit zu Beginn der Saison 2020/21, die dem Abbruch aller Ligen in der Vorsaison folgte, hat ganz einfach das Karriere-Aus einiger Spieler bedeutet. Einige Cracks fanden Jobs innerhalb (Coaches, Hallen-Manager, Betreiber von Camps) oder außerhalb des Eishockeys.

Aber auch Spieler, die in der Vorsaison in Europa tätig waren, hatten von der ganzen Corona-Chose genug. Eine Spielzeit voller Tests, Masken und Lockdowns, die nicht einmal Restaurantbesuche ermöglichten, war für viele Cracks genau eine zu viel. Da muss es sich gar nicht um Impfverweigerer handeln, es reichen schon die vielen, sich stetig ändernden Maßnahmen.

Eine Neuauflage davon oder als Alternative ein guter Job in Florida ohne jegliche Restriktionen und mit dem üblichen warmen Wetter – da brauchten einige nicht lange nachzudenken.

Mehr Teams in Nordamerika und neue Regeln

32 NHL-Teams (statt 31 die Saison zuvor). 31 AHL-Teams (statt 28). 27 ECHL-Teams (statt 14). Schon das sollte erklären, warum viele Cracks nicht den Weg über den Atlantik fanden.

Dazu kamen noch neue Regeln, die bis in die untersten Ligen Konsequenzen hatten. Die Wiedereinführung der Taxi Squads in der NHL zog AHL-Spieler nach oben. Diese Löcher mussten wiederum aus der ECHL aufgefüllt werden. Bezeichnend: Ein DEL2-Team hatte vor kurzem einen AHL-Spieler bereits an der Angel, aufgrund mangelnder Scorerzahlen hätte er in jedem anderen Jahr auch die Freigabe erhalten. Die Taxi Squads machten das zunichte.

Die ECHL hatte schon zuvor mit einem anderen Problem zu kämpfen: Durch die Corona-Probleme der Vorsaison ließen Colleges ein zusätzliches (fünftes) Jahr für ihre Studenten-Spieler zu, dadurch war dieser wichtige Markt für die ECHL im letzten Sommer eingeschränkt. Kein Wunder also, dass einige Teams in den letzten Wochen auf Cracks wie Derek Whitmore, Greg Mauldin, Bobby Butler oder Steve Oleksy zurückgreifen mussten, die sich eigentlich schon mehr oder minder im Ruhestand befanden.

Den Vogel dabei schoss wohl Marvin Degon ab – er spielte zuletzt 2014/15 für Ljubljana, ehe ihn die Florida Everblades (ein eigentlich gutbetuchtes Team) mit 38 Jahren wieder aus dem Ruhestand holten.

Unter der ECHL ist noch die SPHL angesiedelt – kein Markt für Europa, aber auch sie verlor natürlich Cracks nach oben, sodass bei einer eventuellen Kaderstärke von nur mehr 12 Mann sogar 4-4-Spiele erlaubt wären. Hört sich an wie eine überdrehte Version von "Slapshot", ist aber Realität.

Mehr Teams in Europa

Eine interessante These eines Schweizer NL-Vereinsmanagers, der eigentlich nicht über knappe Mittel klagen müsste: "Auch in Europa werden es immer mehr Teams in den obersten Spielklassen und auch die brauchen Imports."

Einige Ligen setzten im Vorjahr den Abstieg aus (Schweiz – nun 13 statt 12, Tschechien – 15 statt 14), andere expandierten (DEL – 15 statt 14, kommt es heuer wirklich zu einem Absteiger?) oder die ICE (14 statt 11, zumindest bis zum Ausstieg der Bratislava Capitals). Und dieses Kleinvieh macht am ohnehin schon ausgedörrten Spielermarkt natürlich auch Mist.

Die Aussichten auf späte Transfers

Die IIHF hat heuer wegen der Olympischen Spiele in Peking die Transfer-Deadline auf den 1. März nach hinten gelegt. Das heißt, die einzelnen Ligen oder Landesverbände können ihre jeweiligen Deadlines bis zu diesem Datum individuell festlegen, danach geht aber nichts mehr.

Die KHL schloss schon am 27.12. Ihre Pforten, die Extraligen in Tschechien (31. Jänner) und der Slowakei (15. Februar, analog zur SHL) sind als nächstes dran. Die Schweizer NL, Liiga und die DEL nützen das IIHF-Fenster bis zum letzten Tag aus, die ICE liegt mit dem 22. Februar irgendwo dazwischen.

Die ICE hat nach dem Transferende noch zwei Grunddurchgangs-Runden zu spielen. Teams magazinieren gerne im Februar nach, früher für die Qualifikationsrunde, heuer für die Playoffs. Liga-intern dürfen nur mehr Inländer wechseln, Dornbirn oder Linz könnten hier parat stehen, ihre Legionäre können aber nur ins Ausland gehen.

Brian Lebler – von der Qualität her natürlich interessant – könnte sich etwa einem der sieben anderen österreichischen Teams anschließen, in Bozen oder Ljubljana (alles natürlich nur theoretisch) würde er aber als Legionär gelten. Daran scheiterte etwa im Vorjahr der Transfer von Andreas Bernard, der schon damals in Villach anheuern hätte sollen.

Auch andere Ligen geben wenig her

Bieten sich da nicht Teams aus dem Ausland an, die nicht die Playoffs schaffen? In der Theorie ja, praktisch aber nicht.

Die einzigen Ligen, wo sich Tabellen-Nachzügler bald abzeichnen und es keine Absteiger gibt, sind die KHL und die Liiga, wo Saipa, Ässät und Jyp bald ihre Playoff-Hoffnungen begraben dürften. Nur: Wer das Niveau der finnischen Liiga kennt, weiß, dass vor allem bei den Tabellen-Nachzüglern Qualität nur in Spurenelementen zu finden ist und da die SHL wohl Vorrecht hat.

In der KHL sind Teams wie Vladivostok, Sochi, Kunlun oder Riga bereits jetzt ohne jede Playoff-Chance, haben aber doch einige interessante Cracks im Aufgebot. Zu glauben, dass sie jetzt in Rudeln nach Europa, insbesondere in die ICE schauen, ist natürlich hochgradig naiv. Kein Spieler wird auf seine ausstehenden Monatsgehälter – da handelt es sich sicher um hohe fünfstellige Summen – verzichten, nur damit er um 2.000 Euro pro Spiel bei einem ICE-Team anheuern kann. Die Riga-Legionäre - gerüchtehalber nur bis Ende Februar beschäftigt - könnten aber sehr wohl in der DEL oder Schweden aufschlagen, ohne dass sie dort große Wellen schlagen würden.

In anderen Ligen gibt es zwar auch vereinzelte Teams, die die Playoffs nicht schaffen, aber durch den Abstieg müssen auch einige Teams in Tschechien oder der Slowakei – ohnehin keine großen Zubringermärkte – bis zum Letzten schwitzen. Bis sich da herauskristallisiert hat, wer der 11., 13. oder 15. in der Abschlusstabelle ist, geht am Transfermarkt fast nichts mehr.

Probleme für Vereinsmanager also, wohin man schaut und erste Indikatoren (ein gewaltiger TV-Vertrag für die SHL, angeblich ansteigende Gehälter in der AHL, die noch um ein Team expandiert) deuten auch nicht auf eine Umkehr dieser Trends hin.

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