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Vienna Capitals: Die ersten Erkenntnisse

Wo sich die Wiener verbessert haben, woran es noch fehlt und was gut funktioniert:

Vienna Capitals: Die ersten Erkenntnisse Foto: © GEPA

Die Vienna Capitals befinden sich seit knapp zwei Wochen in der Vorbereitung auf die neue Saison der win2day ICE Hockey League.

Zwei Testspiele wurden bereits absolviert, gegen den slowakischen Extraliga-Klub HC Banska Bystrica gab es erst eine knapp 1:2-Niederlage, darauf folgte am Sonntag ein 3:1-Sieg beim tschechischen Zweitligisten SC Kolin.

Schon am Dienstag wartet das Vorbereitungs-Duell mit dem Sieger des diesjährigen Red Bulls Salute, Mountfield HK. Gegen den tschechischen Grunddurchgangssieger der Vorsaison testeten die Wiener bereits 2021, damals verlor man 2:4 und 0:8.

Die Vorbereitung stand im letzten Jahr unter gänzlich anderen Zeichen, regierte in der Donaustadt damals doch das Chaos. Viele Schlüsselspieler wechselten innerhalb der Liga, zudem verließ Head Coach Dave Cameron den Klub kurzfristig, um Trainer der kanadischen U20-Auswahl zu werden. Mit der gewann er nun den WM-Titel in Edmonton.

Ihm folgte Dave Barr, der von der ersten Minute an eine gewisse Ruhe an den Tag legte und die Caps schließlich bis ins Halbfinale führte. Heuer steht der 61-jährige Kanadier wieder an der Bande der Schwarz-Gelben und geht mit einer neuen, verbesserten Ausgangssituation als noch im Vorjahr in die neue Spielzeit.

Anhand der ersten Trainings und Testspiele ergeben sich schon früh erste Erkenntnisse, die LAOLA1 aufzeigt:

1.) Der Österreicher-Stamm wurde verstärkt

In puncto Qualität können die Capitals zwar nicht ganz mit Red Bull Salzburg und dem KAC mithalten - beide Klubs sind auch zahlkräftiger -, aber trotzdem stellt sich der Stamm an österreichischen Spielern stärker als letzte Saison dar.

Mit Urgestein Phil Lakos (Karriereende) und Torhüter David Kickert (ging nach Salzburg) haben die Donaustädter zwei Cracks verloren, die ohne Zweifel zu den besseren in den heimischen Gefilden gehören. Dafür sind die Abgänge von Fabio Artner (Zell am See) und Simeon Schwinger, der ohnehin nur in den Playoffs in Wien spielte, leicht zu kompensieren gewesen.

Und das ist auch gelungen. Lukas Kainz, ein 26-jähriger Stürmer, spielte letztes Jahr seine beste Saison in der ICE und stellte seine Scorer-Qualitäten mit 25 Punkten aus 42 Spielen unter Beweis. Der 24-jährige Yannic Pilloni ist flexibel, hat in seiner Karriere schon am vorderen und hinteren Ende des Eises agiert.

Mit Nico Brunner (29), der ebenfalls als Defender und Angreifer agieren kann, übersiedelte auch Pillonis VSV-Teamkollege nach Wien, verließ seine Heimatstadt damit zum allerersten Mal für eine neue Herausforderung. 465 Spiele in der EBEL/ICE sowie 42 Partien für den ÖEHV sprechen für sich.

Niklas Würschl (22) heuerte vom Wörthersee in der Bundeshauptstadt an. Beim KAC lief er vorwiegend in der Offensive auf, in Wien ist er als spielstarker Verteidiger eingeplant, der zudem Rechtsschütze ist. Layne Viveiros' (27) Comebackversuch nach seiner schlimmen Knieverletzung endete noch vor den Leistungstests.

Und dann wäre natürlich noch Heimkehrer Rafael Rotter. Der 35-Jährige will seine kurze Zeit in Linz vergessen machen und bei seinen Capitals wieder zu alter Stärke zurückfinden.

Natürlich muss Dave Barr die Österreicher erst einmal genauer kennenlernen, wie er selbst zugibt, aber: "Wir haben unseren österreichischen Kern ziemlich verbessert. Wir haben viel mehr Tiefe, haben einige gute und junge österreichische Spieler. Und wir haben Spieler geholt, die in der Liga etabliert sind. Raffi ist sehr etabliert in der Liga, Kainz und Pilloni auch." 

2.) Tiefe Offensive, die auch scoren kann

Der Caps-Coach hat im Angriff die Qual der Wahl.

15 Spieler - der verletzte Marcus Power findet sich dabei nicht wieder - stehen für 12 Plätze in den vier Offensiv-Reihen zur Verfügung. Hinzu kommen allerdings noch einige Akteure des Silver-Capitals-Teams, welches nach der letzten Saison in der Alps Hockey League aufgelöst wurde.

Leistungsträger wie die in der Vorsaison nachverpflichteten James Sheppard (34) und Matt Bradley (25) konnten gehalten werden und finden sich auch heuer wieder in der Top-Linie wieder. Der dritte im kongenialen Bunde, Nicolai Meyer, hat Wien erwartungsgemäß verlassen und versucht sein Glück in Tschechien beim HC Plzen.

Der Däne brachte eine ungeheure Offensivpower ins Line-up der Wiener, hinterließ in der Defensive aber genauso viele Lücken. Trotzdem konnte er Spiele im Alleingang entscheiden und muss daher auch erst einmal ersetzt werden. Neben ihm hat sich auch Joel Lowry (EC Kassel Huskies) eine neue Herausforderung gesucht, Matt Neal hat seine Karriere dagegen beendet.

Aber: Man wirkt in der Breite besser aufgestellt. Sheppard und Bradley haben ihren Scoring-Touch schon letztes Jahr gezeigt, von den Neuzugängen sind insbesondere Radek Prokes (27) und Max Zimmer (24) hervorzuheben. Während letzterer zuletzt in der ECHL aufspielte und in Europa Neuland betritt, war Prokes der zweitbeste Scorer im ICE-Grunddurchgang.

Hinzu kommt Jeremy Gregoire (26), der auf dem Eis gerne einmal die Fäuste sprechen lässt und die Gegner einschüchtern soll - neben dem Eis ist der Kanadier aber handzahm und äußerst kulturinteressiert.

Und wäre dem allen nicht genug, entdeckte Niki Hartl (30) in den letzten zwei Jahren seine Torjäger-Qualitäten. In der Vorbereitung knipst der Stürmer weiter, erzielte bereits zwei Tore. Von Youngster Patrick Antal (21) ist ebenfalls jederzeit der Durchbruch zu erwarten.

3.) Dünne Personaldecke in der Defensive

Auf dünnem Eis bewegen sich die Wiener hingegen in der Verteidigung, dem Prunkstück der letzten Saison.

Mit Nico Brunner, Mario Fischer, Dominic Hackl, Alex Wall und Lukas Piff können nur fünf Akteure mehr als 100 Einsätzein der ICE aufweisen - Niklas Würschl fehlt auf diese Marke noch ein ganzes Stück, 42 Partien um genau zu sein.

Layne Viveiros sollte eine Menge Erfahrung in den Kader bringen, das Thema hat sich aber schnell wieder erledigt. Der 27-Jährige kämpft nach seinem Kniescheibenbruch samt schwerer Komplikationen gegen das jähe Karriereende an.

Defender wie Charlie Dodero oder Matt Prapavessis kehrten den Wienern den Rücken wieder zu, dadurch stehen Barr etatmäßig nur sechs Verteidiger zur Verfügung. Somit stehen die jungen Cracks Timo Pallierer und Bernhard Posch, die hier und da schon Einsatzminuten sammeln durften, in der Pflicht, den nächsten Schritt zu machen.

Gleichzeitig muss der Verteidiger-Markt, der zu dieser Zeit ohnehin ein sehr kleiner ist, genauestens nach Verstärkungen sondiert werden. Denn Verletzungen ihrer Schlüsselkräfte könnten sich die Caps aktuell überhaupt nicht leisten.

4.) Starke Special Teams

Die Capitals waren in den letzten Jahren in Bezug auf ihre Special Teams ligaweit immer eines der besseren Teams.

Doch nach dem Wechsel von Dave Cameron zu Dave Barr schraubten die Kagraner ihre Erfolgsquote nochmal in die Höhe. Erzielte man in der Saison 2020/21 in 202 Powerplays 42 Tore (Erfolgsquote von 20,8 Prozent), so benötigte man letztes Jahr 17 Überzahlspiele weniger für dieselbe Anzahl an Treffern (22,7 Prozent).

Selbiges gilt für das Penaltykilling. Dort erhielt man statt 45 nur 31 Gegentreffer, gleichzeitig befanden sich die Mannen von Barr 50-mal (!) weniger mit einem bzw. zwei Mann weniger auf dem Eis als noch unter Cameron. Der Unterschied in der Erfolgsquote: 83,2 (21/22) zu 80,8 (20/21) Prozent.

(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)

 

In der Vorbereitung scheinen die Wiener den nächsten Schritt zu gegangen zu sein, wie Barr nach dem 3:1 gegen Kolin anmerkte: "Wir haben viele Torchancen kreiert und unser Powerplay war sehr gefährlich, auch wenn wir da kein Tor geschossen haben."

Das bereitet dem Kanadier jedoch keine Bauchschmerzen und sollte es auch den Fans nicht. Denn ein druckvolles Überzahlspiel laugt den Gegner genauso nachhaltig aus, der in Folge immer wieder einen Schritt zu spät kommt und dadurch Strafen ziehen muss - die zu weiteren Powerplays und irgendwann im Normalfall auch zu Toren führen.

Das Unterzahlspiel scheint ebenfalls schon gut zu funktionieren, wenngleich Mountfield HK der erste richtige Gradmesser sein wird - in beiden Richtungen.

5.) Ruhige Vorbereitung

Wie eingangs schon einmal angemerkt, war der Sommer 2021 ein chaotischer, den die Caps so schnell nicht wieder erleben wollten.

Nachdem Eigenbau-Spieler wie Ali Wukovits oder Benjamin Nissner in Richtung Red Bull Salzburg abwanderten, dazu sich auch der VSV kräftig bei den Schwarz-Gelben bediente, holte General Manager Franz Kalla zum Rundumschlag gegen die Konkurrenten aus.

Dann ging kurz vor Vorbereitungsstart auch noch der Head Coach verloren, was die allgemeine Situation nicht unbedingt verbesserte. Letzten Endes haben sich die Caps, grauenhaften Testspiel-Ergebnissen und einem schwierigen Saisonstart zum Trotz, beachtlich aus der Affäre gezogen und erreichten zum vierten Mal in Folge das Playoff-Halbfinale.

Dort war erwartungsgemäß ausgerechnet gegen den späteren Meister Salzburg Endstation, trotzdem war man zurecht stolz auf das Erreichte - und startete früh, die richtigen Weichen zu stellen. Zahlreiche Spieler, die nicht die gewünschte Leistung erbrachten, wurden gegangen, junge und liga-etablierte Cracks geholt.

Dazu wurde mit Dave Barr der wohl wichtigste Mann von einem Verbleib überzeugt. Der Kanadier selbst freute sich, in seine zweite Saison in Wien zu gehen: "Ich war sehr glücklich, wieder zurückzukommen. Ich liebe unsere Jungs. Es ist eine große Befriedigung, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Wir haben sehr viel Spaß gemeinsam."

Beim ersten offiziellen Mannschaftstraining dürfte seinen Cracks aber kurz der Spaß vergangen sein: "Ich habe sie nach der ersten Übung angeschrien - vermutlich lieben sie es jetzt nicht mehr", lachte der sympathische Coach.

Im 22. Wiener Gemeindebezirk herrscht augenscheinlich eine fantastische Stimmung. In den kommenden Wochen gilt es, diese zu beizubehalten und auf das Eis zu übertragen - dann könnte in dieser Saison viel möglich sein.


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