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Biathlon-Erfolgstrainer Gösweiner: "Ich kann auch sehr stur sein"

Der 53-Jährige steht für Erfolg: Wo er werkte, da wirkte er auch. Bei LAOLA1 plaudert der Coach von Österreichs Loipenjägerinnen aus dem Nähkästchen.

Biathlon-Erfolgstrainer Gösweiner: "Ich kann auch sehr stur sein" Foto: © GEPA

Zahlreiche Trainerposten hatte Reinhard Gösweiner beim ÖSV bereits inne. Vom Nachwuchs bis zum Weltcup-Team der Männer betreute der 53-Jährige viele heute namhafte Biathlon-Asse wie Dominik Landertinger, Christoph Sumann oder Lisa Hauser.

Nach einem Zwischenstopp beim belarussischen Frauenteam (2020 bis 2022) kehrte er wieder zum ÖSV zurück, seit 2024 agiert er als Cheftrainer der Frauen, die sich seither der Spitze immer weiter annähern.

Im Interview mit LAOLA1 plaudert Gösweiner über besagte Entwicklung und gibt Einblicke in seine Erfolgsformel.

LAOLA1: Sie sind nun das zweite Jahr Cheftrainer der Frauen, wie bilanzieren Sie Ihre bisherige Amtszeit?

Reinhard Gösweiner: Lisa (Hauser, Anm.) zeigt sich heuer noch ein wenig stärker als letztes Jahr. Sie hat im Sommer alles richtig gemacht. Bei den anderen Athletinnen ist es noch ein bisschen schwankend. Es hat zu Beginn so ausgesehen, dass wir unsere Schießzeiten und die Trefferquote im Griff haben. Leider gab es jetzt ein paar Rennen, in denen es nicht so war. Auch die Laufleistungen passen. Da sind wir sicher stärker als letztes Jahr. Nun müssen wir noch die Komplexleistung zusammenbringen.

LAOLA1: Was erwarten Sie von dieser Saison und welche Schritte soll das Team in dieser Saison machen?

Gösweiner: Wir haben es hier in Hochfilzen geschafft, alle Frauen in den Verfolger zu bringen. Das sind so Ziele, die wir erreichen wollen. Wir wollen uns regelmäßig in den Punkterängen klassieren, am besten in den Top 20, auch die Top 10 sind realistisch. Das stabil zu bringen, ist mein größtes Ziel.

"Wir haben jetzt die günstige Situation, dass aus dem IBU-Cup schon die nächsten nachdrängen, wenn oben jemand auslässt. Das fordert beide Seiten und hebt unser Niveau."

Gösweiner freut sich über den internen Konkurrenzkampf

LAOLA1: Das heißt, wenn uns das gelingt, würden Sie sagen, dass diese Saison ein Erfolg war?

Gösweiner: Ja, auf alle Fälle. In der Vorsaison hatten wir das nicht, da war eigentlich nur Lisa wirklich stabil. Ansonsten waren es schwankende Leistungen, da waren wir nur ab und zu in den Punkterängen.

LAOLA1: Das Frauen-Team hat enormes Potenzial und der Konkurrenzkampf ist groß. Erinnert Sie das an das Männerteam, das Sie ja auch zu seiner besten Zeit trainiert haben?

Gösweiner: Ich denke, dass es wichtig ist, dass von unten und oben ein Druck entsteht. Das steigert die Leistungen, weil das Anforderungsprofil anders ist. Wir haben jetzt die günstige Situation, dass aus dem IBU-Cup schon die nächsten nachdrängen, wenn oben jemand auslässt. Das fordert beide Seiten und hebt unser Niveau.

LAOLA1: Wo sehen Sie das Frauen-Team in fünf Jahren? Oder wo würden Sie es gerne sehen?

Gösweiner: Es wäre schön, wenn wir es unter die besten fünf Nationen schaffen könnten. Denn dann hätten wir einen sechsten Startplatz. Das war in den Jahren zuvor schon im IBU-Cup mein Ziel und da haben wir es auch geschafft. Dafür musst du stabile Leistungen bringen. Biathlon wird immer enger, du kannst dir immer weniger leisten. Da ist sukzessive eine Entwicklung möglich, weil wir viele junge Athletinnen mit Potenzial haben.

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Gösweiner betreute einst auch das so erfolgreiche Männer-Team.
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Seit Jahren reden wir vom ersten Staffel-Stockerl. Wie nahe sind wir dem Ziel bereits, das auch aus eigener Kraft zu schaffen?

Gösweiner: Man hat in Östersund schon gesehen, dass wir es aus eigener Kraft schaffen können. Es müssen aber alle vier gut durchkommen. Mannschaftlich sind wir sehr geschlossen. So weit, aus eigener Kraft etwas auszubessern, wie es Schweden oder Frankreich können, sind wir noch nicht. Es gibt sechs bis sieben Mannschaften, die das Potenzial haben, auf das Stockerl zu laufen. Es bringt aber nichts, sich darauf zu versteifen, das muss das ein Stück weit auch passieren.

LAOLA1: Warum steht das Frauen-Team aus Ihrer Sicht deutlich besser da als das Männer-Team?

Gösweiner: Ich denke, das ist eine Generationen-Geschichte. Früher war es bei den Männern so, heute ist es bei den Frauen. Es gibt derzeit viele Athletinnen, die gut durchgekommen sind und ihren Werdegang gemacht haben. Bei den Männern hatten wir auch Kandidaten, viele davon haben es aber dann nicht geschafft und frühzeitig aufgehört. Deswegen klafft da eine größere Lücke. Man muss dem Männer-Team Zeit geben, damit wieder eine Geschlossenheit entstehen kann.

"Ich bin ein eher ruhiger Typ. Wenn es um gewisse Dinge wie Trainingsinhalte geht, bin ich aber schon sehr streng."

Reinhard Gösweiner

LAOLA1: Kommen wir zu Ihnen: Sie sind für Ihre Akribie bekannt. Wie würden Sie sich selbst als Trainer beschreiben? Was ist Ihnen wichtig?

Gösweiner: Ich bin ein eher ruhiger Typ. Wenn es um gewisse Dinge wie Trainingsinhalte geht, bin ich aber schon sehr streng. Es gibt Dinge, die man erfüllen muss, sonst kommt man nicht ans Ziel. Und das versuche ich immer mit einer gewissen Ruhe zu machen. Da zu sehr Druck auszuüben bringt aber nichts, das ist nicht mein Zugang. Ich versuche, den einzelnen Personen immer klar zu machen, wo wir Schwächen haben und woran wir arbeiten müssen. Ich denke, das ist eine meiner größten Stärken: Den Leuten ein gewisses Selbstvertrauen zu geben, damit aus einem Tief bald wieder ein Hoch werden kann.

LAOLA1: Egal, wo Sie gearbeitet haben: Sie hatten überall Erfolg. Kann man das, was Sie gerade geschildert haben, auch als Ihre Erfolgsformel bezeichnen?

Gösweiner: Ja, das kann man schon so sagen. Ich versuche, die Leute gut zu analysieren und kann rasch erkennen, an welchen Schrauben man drehen muss. Ich versuche, mich in die Person, ihre Situation und ihr Potenzial hineinzuversetzen. So erkenne ich, wie man am schnellsten seine Steigerungen schaffen kann. Darauf konzentriere ich mich.

"Auch wenn ich sehr ruhig bin, kann ich auch sehr stur sein. Ich ziehe meine Linie durch und meistens ist das auch von Erfolg gekrönt."

Reinhard Gösweiner

LAOLA1: So ist es Ihnen gelungen, jedes Team, mit dem Sie gearbeitet haben, besser zu machen.

Gösweiner: Ja, aber dazu braucht es auch die Leute mit einem gewissen Potenzial. Wenn das erkennbar ist, ist das möglich. Ich lasse mich da auch nicht von meinem Weg abbringen. Auch wenn ich sehr ruhig bin, kann ich auch sehr stur sein. Ich ziehe meine Linie durch und meistens ist das auch von Erfolg gekrönt.

LAOLA1: Biathlon ist im Prinzip simpel: Schnell laufen, möglichst viel treffen. Gibt es darüber hinaus aus Ihrer Sicht ein Geheimnis für Erfolg in diesem Sport?

Gösweiner: Schnelles Laufen ist die Grundvoraussetzung. Und dann musst du mittlerweile quasi alles treffen. Es geht nicht mehr anders. Im Einzel kannst du Laufschwächen vielleicht noch ein wenig kaschieren, wenn du ein super Schießergebnis hast. Dann kannst du vielleicht noch weiter vorne landen. In Sprint oder Verfolgung wird es mit Spitzenplätzen trotz eines Nullers schwer, wenn du nicht schnell laufen kannst. Bei den Männern ist die Dichte im Laufen schon länger enorm, bei den Frauen aber mittlerweile auch. Mit einer Leistung, mit der du vor drei, vier Jahren noch Zehnte geworden wärst, wirst du heute nur noch 30.

LAOLA1: Seit Sie Trainer sind, hat sich der Biathlon stark verändert. Würden Sie sagen, dass diese Verlagerung hin zum Laufen die größte Veränderung ist?

Gösweiner: Es sind auch die Schießzeit und die Trefferquote ein riesiges Thema geworden. Früher gab es nur einige wenige, die gut durchgekommen sind, heute sind es in einem Sprint 20 Leute oder mehr. Es gibt so viele Nationen, die ein oder zwei starke Athletinnen und Athleten haben. Wenn 25 Nationen am Start sind und jede davon hat einen oder eine, dann wird es schon schwer.

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Gösweiner sieht Lisa Hauser als mögliche Kandidatin auf den Gesamtweltcup.
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Macht das für Sie als Trainer dann auch den Reiz aus, da immer noch etwas rauszuholen?

Gösweiner: Ja, durchaus. Gleichzeitig macht es das auch schwierig, denn man kann sich da auch zu weit aus dem Fenster lehnen und es funktioniert dann nicht. Aber man muss sehr ans Limit gehen, um mitreden zu können.

LAOLA1: Wohin wird sich der Sport Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren entwickeln?

Gösweiner: Wenn es bei dieser Dichte bleibt, dann wäre das schon enorm. Das macht es im Biathlon schon sehr schwer, vorne dabei zu sein. Es kann dir passieren, dass du mit einer Leistung, mit der du heute Fünfte wirst, morgen nur 25. wirst.

LAOLA1: Abschließend noch ein Tipp: Wer wird heuer Gesamtweltcupsiegerin? Oder soll ich besser fragen: Wer wird Zweite hinter Lisa Hauser?

Gösweiner: Das wäre mir natürlich am liebsten (lacht). Ich traue mich da gar nicht, mich festzulegen. Es hat viele gegeben, die zuletzt vorne dabei waren. Ich würde sagen, es gibt sieben bis acht Athletinnen, die in Frage kommen. Da gehört auch Lisa Hauser dazu.

LAOLA1: Danke für das Gespräch!

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