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Biathlon-Chef Sumann: "Ich bin gekommen, um zu bleiben"

Seit dem Frühjahr amtiert der frühere Top-Biathlet als ÖSV-Spartenchef. Bei LAOLA1 zieht er eine erste Bilanz und bezieht Stellung zu mehreren heiß diskutierten Personalien.

Biathlon-Chef Sumann: "Ich bin gekommen, um zu bleiben" Foto: © GEPA

Im Mai trat Christoph Sumann sein Amt als neuer Sportlicher Leiter im Biathlon bei Ski Austria an und beerbte damit Franz Berger.

Auch wenn, wie er im Interview mit LAOLA1 betont, so kurz vor Olympia keine großen Sprünge möglich sind, so hat er doch bereits an einige Stellschrauben gedreht.

Eines der wichtigsten Themen, die er über den Sommer anging, ist das Material. Auch was die diesbezügliche Kommunikation betrifft.

Außerdem spricht Sumann über die Hintergründe der Bestellung von Ludwig Gredler zum Männer-Cheftrainer und erklärt, warum Lisa Hauser nach wie vor extern trainiert.

LAOLA1: Du bist seit dem Frühjahr neuer Spartenchef im Biathlon. Welche Bilanz ziehst du nach den ersten Monaten?

Christoph Sumann: Mir war klar, dass es nicht einfach ist, so ein Amt kurz vor Olympia zu übernehmen. Da kann man keine Wunderdinge vollbringen. Ich weiß aber, was ich habe: Eine funktionierende Frauen-Mannschaft, die viel Potenzial hat und mit Lisa Hauser eine Weltmeisterin. Drumherum gibt es viele Athletinnen, die schon auf hohem Niveau agieren. Das muss man forcieren und das Beste herausholen. Das ist mit dem Auftakt (in Östersund, Anm.) schon gelungen.

LAOLA1: Ist damit die Saison auch ein Stück weit schon gerettet?

Sumann: Ich war mit dem vierten Rang von Lisa Hauser (im Sprint, Anm.) schon hochzufrieden, der Sieg in der Verfolgung war die Kirsche auf der Torte. Mir ist wichtig, dass die Jungen sehen: Ich bin im Training dabei, habe bei den Leistungskontrollen ähnliche Parameter wie Lisa. Das kann dir großen Auftrieb geben und eine Initialzündung sein, wenn du erkennst, dass du eigentlich nicht weit weg bist. Außerdem ist mir wichtig, dass es auch in den Ebenen darunter (IBU-Cup, Junior-Cup, etc.; Anm.) Erfolge gibt, denn diese sind genauso wichtig.

"Wir sind eine kleine Sparte und da ist es absolut kontraproduktiv, wenn nicht alle in die gleiche Richtung arbeiten."

Christoph Sumann

LAOLA1: Wie würdest du das Standing des Biathlon innerhalb des ÖSV beschreiben?

Sumann: Als sehr, sehr positiv. Das war auch zu meiner aktiven Zeit nicht anders. Wir wissen, dass Ski Alpin und Skispringen die Steckenpferde sind. Davon leben wir natürlich zum Teil auch. Aber jeder hat seine Daseinsberechtigung und bekommt seine hundertprozentige Unterstützung. Die interne Kommunikation und der Austausch zwischen den einzelnen Sparten laufen ausgezeichnet. Das macht Mario Stecher sehr gut.

LAOLA1: War dieser Austausch, speziell hinsichtlich Technologie-Transfer, maßgeblich dafür, dass man über den Sommer beim Material einen Schritt weitergekommen ist?

Sumann: Natürlich war auch das Service ein großes Thema für mich. Da hat speziell hier in Hochfilzen im Vorjahr das Krisenmanagement nicht funktioniert. Es kann nicht sein, dass der einzige, der vor die Kamera tritt und sagt, dass der Ski schlecht ist, ein Athlet ist. Das muss man zuerst intern behandeln. Deswegen habe ich ein Augenmerk darauf gelegt, dass solche Dinge nicht mehr passieren. Es passiert jedem einmal, dass der Ski in die Hose geht. Aber die Tage, an denen es nicht funktioniert, muss man minimieren. Wir haben an den Strukturen etwas verändert und versucht, den Material-Pool übersichtlicher zu gestalten und zu systematisieren. Außerdem hat man sich speziell im letzten Jahr ein wenig voneinander entfernt.

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Das Material war im Vorjahr ein Dauerthema
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Es hat ja eine Art Gruppenbildung gegeben.

Sumann: Ja, es gab den Athletenpart, den Betreuerpart und das Service. Drei Parteien, die nicht ineinandergegriffen haben. Es ist wichtig, dass man sich gegenseitig Vertrauen schenkt, auch wenn es einmal nicht läuft. Ich habe da eine klare Devise ausgegeben: Man muss intern darüber reden, bevor etwas nach außen dringt.

LAOLA1: Warum hat Österreich da in den letzten Jahren beim Material an Boden verloren? Hast du eine Erklärung dafür? Das kann ja nicht nur um Fluorverbot liegen.

Sumann: Natürlich war das Fluorverbot ein grober Einschnitt. Aber die Frage ist: Sind wir überhaupt so weit zurückgefallen? Es ist ein wenig in Mode gekommen, sich auf den Ski auszureden und das hat sich bis unten fortgesetzt - ohne zuerst die eigene Leistung zu bewerten. War ich heute überhaupt gut? Lag es wirklich am Ski oder an mir? Man muss sich zuerst selber bewerten und dann schauen, welche Parameter abseits davon nicht funktioniert haben.

"Sie ist erfahren und erfolgreich genug, um zu wissen, was gut für sie ist. Sie hat ihre Vertrauenspersonen und das ist für mich in Ordnung."

Sumann über Lisa Hauser und ihre Vorbereitung abseits des ÖSV

LAOLA1: Warum ist es nicht gelungen, Lisa Hauser wieder komplett in den ÖSV-Verbund zu integrieren? Das war ja ein großes Ziel von dir, die externen Trainierer wieder heimzuholen.

Sumann: Ich hatte ein sehr langes Gespräch mit Lisa und wollte sie unbedingt wieder heimholen. Ihre Entscheidung respektiere ich absolut. Ich bin teilweise auch meine eigenen Wege gegangen. Sie ist erfahren und erfolgreich genug, um zu wissen, was gut für sie ist. Sie hat ihre Vertrauenspersonen und das ist für mich in Ordnung, denn sobald es losgeht, ist sie wieder voll Teil der Mannschaft. Ich werde wieder versuchen, sie einzugliedern. Es wird sich zeigen, ob das gelingt. Fakt ist, dass wir sie brauchen.

LAOLA1: Und das aktuelle System funktioniert ja.

Sumann: Richtig. Viele Wege führen nach Rom. Aber sie wieder heimzuholen, steht auch für die Zukunft ganz oben auf meiner Agenda. Ich kann gut mit Lisa und wir werden diesbezüglich wieder ein ausführliches Gespräch haben. Aber lassen wir die Saison einmal vergehen und dann sehen wir weiter.

LAOLA1: Ihr habt Luggi Gredler zum Cheftrainer der Männer befördert. Warum ist die Wahl letztlich auf ihn gefallen? War er schlichtweg die naheliegendste Lösung?

Sumann: Er war für mich der Wunschkandidat.

LAOLA1: Warum?

Sumann: Weil ich ihn sehr schätze. Ich habe ihn noch als Teamkollege kennengelernt und konnte viel von ihm lernen. Er ist ein Arbeitstier. Und was am wichtigsten ist: Er genießt das Vertrauen der Athleten.

LAOLA1: Mit wie vielen anderen Kandidaten habt ihr euch beschäftigt?

Sumann: Ich mit keinem.

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Reinhard Gösweiner kann mittlerweile auf ein breit aufgestelltes Frauen-Team zurückgreifen
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Das Frauen-Team ist qualitativ so gut aufgestellt wie noch nie. Ist das eine Art goldene Generation?

Sumann: Das ist schon möglich. Wir hatten noch nie ein so kompaktes Frauen-Team. Früher hatten wir gar keines, da gab es nur einzelne Athletinnen, die uns halt "passiert" sind. Das aktuelle Team arbeitet auf sehr hohem Niveau, je besser die Individualisten sind, desto mehr Energie passiert auch in der Mannschaft. Das schaukelt sich im Training hoch. Wenn ich weiß, ich bin Training voll dabei, dann wird es auch im Weltcup passen.

LAOLA1: Wie hoch ist der Anteil von Cheftrainer Reinhard Gösweiner daran?

Sumann: Der ist sehr groß. Er war auch mein Trainer und bei ihm weiß ich, was ich bekomme. Er ist ein akribischer Arbeiter. Und er war eigentlich überall erfolgreich.

LAOLA1: Felix Leitner hat vor der Saison überraschend seine Karriere beendet. Wie sehr hat dich sein Karriereende überrascht? Oder hat es sich aus deiner Sicht schon angekündigt?

Sumann: Schlussendlich war es schon überraschend. Es ist leider nicht so gelaufen, wie man sich das gewünscht hat. Der Bandscheibenvorfall war dann eine Art Genickbruch.

LAOLA1: Wie schade ist das aus sportlicher Sicht? Es ist ja nicht so, dass ihn jemand klar aus der Mannschaft gedrängt hätte.

Sumann: Es ist ja nicht so, dass wir so viele Athleten haben, dass wir ihn nicht brauchen würden. Es ist sehr schade. Ich habe auch lange mit ihm telefoniert. Er hat mich vorab informiert. Leider konnte ich ihn nicht umstimmen. Er hat gesagt, dass er das Feuer nicht mehr hat und mit seiner Verletzung nicht mehr weiter weiß.

"Ich habe zu ihm gesagt: Du hast etwas, was andere nie haben werden und das ist Gold wert."

Sumann über Talent Fabian Müllauer

LAOLA1: War vielleicht die Erwartungshaltung an ihn zu groß, auch von außen? Er wurde immer als der designierte Nachfolger von Landertinger, Eberhard, Eder & Co. gesehen.

Sumann: Das ist es, was mich so gewundert hat: Er ist ja als starker Läufer in den Weltcup gekommen und hat sich das Schießen erarbeitet. In den letzten Jahren hat er sich als starker Schütze etabliert und es sind die läuferischen Qualitäten verloren gegangen. Da muss man sich fragen: Sind da andere Schuld oder muss man auch vor der eigenen Haustüre kehren? Es wird wohl ein Sammelsurium von mehreren Faktoren sein.

LAOLA1: Bei den Männern stehen in den nächsten Jahren die Karriereenden von Simon Eder und David Komatz bevor. Wie bang muss einem um die Zukunft sein?

Sumann: Wir haben, was wir haben. Mit Fabian Müllauer gibt es derzeit einen Athleten, der die Kapazitäten hat, ganz vorne mitzulaufen. Wir müssen ihn mental noch so hinbringen, dass er an sich glaubt. Damit er das, was er drauf hat, auch umsetzen kann. Er ist sehr emotional und ärgert sich schnell.

LAOLA1: Du meinst, er verliert dann leicht den Fokus?

Sumann: Ja, er ist ein Nervenbündel. Aber er hat die läuferischen Kapazitäten. Ich habe zu ihm gesagt: Du hast etwas, was andere nie haben werden und das ist Gold wert. Vielleicht braucht er nur ein Schlüsselerlebnis. Niemand erwartet sich von ihm auf Anhieb Wunderdinge. Er kann sich im Windschatten eines Simon Eder entwickeln. Aber er hat noch ein Stück Weg vor sich.

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Sumann bekam in Hochfilzen nachträglich die Massenstart-Kugel überreicht
Foto: ©GEPA

LAOLA1: Du hast nachträglich Erfolge feiern dürfen. Du bist aufgrund der Aberkennung der Leistungen von Jewgenij Ustjugow jetzt Massenstart-Weltcupsieger 2010 und wirst in Antholz nachträglich Olympia-Bronze 2010 im Massenstart sowie Staffelsilber 2014 erhalten. Kann man sich nach so langer Zeit überhaupt noch freuen?

Sumann: Die Emotion ist natürlich eine andere, als wenn das alles direkt nach erbrachter Leistung passiert. Ich freue mich natürlich darüber, die Überreichung der Massenstart-Kugel hier in Hochfilzen - das war auch ein schöner Rahmen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich mich in der Saison sehr geplagt habe (lacht). Ich wusste ja gar nicht mehr, dass ich in der Massenstart-Wertung Zweiter war. Und am Ende habe ich ja auch nur um einen Punkt gewonnen. Was mir viel wichtiger ist: Man ist hartnäckig geblieben und auch wenn es lange gedauert hat, hat die Gerechtigkeit gesiegt. Mit der Medaillen-Neuvergabe bei Olympia ist die Causa abgeschlossen und dann können wir das hinter uns lassen.

LAOLA1: Apropos Medaillen: Wie viele Medaillen holt das ÖSV-Biathlon-Team bei Olympia?

Sumann: Eine wäre super. Dann wäre ich schon zufrieden, denn ich weiß, wie schwer das ist.

LAOLA1: Wo siehst du die größten Chancen?

Sumann: Bei Lisa Hauser, egal in welchem Wettkampf. Und in der Frauen-Staffel. Das wäre natürlich das Optimum.

LAOLA1: Danke für das Gespräch!

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