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Zweites Edelmetall? Die ÖSV-Chancen in der Staffel

Die Biathlon-WM verlief für Österreich lange nicht nach Wunsch. In der Staffel besteht die Chance, die zweite WM-Woche mit einer weiteren Medaille zu veredeln.

Zweites Edelmetall? Die ÖSV-Chancen in der Staffel Foto: © GEPA

Es ist neben der "Königsdisziplin" Massenstart das große Highlight bei jeder Biathlon-WM: die Staffel.

Beide finden am Samstag, dem vorletzten Wettkampftag der diesjährigen Titelkämpfe in Oberhof, statt. Die Männer starten um 11:45 Uhr, die Frauen um 15 Uhr.

Bis vor wenigen Tagen hätte man noch gesagt: Es ist auch dieser Bewerb, in dem Österreich aktuell am ehesten ein Stockerlplatz zuzutrauen ist.

Diese These haben Lisa Hauser und David Komatz mit einer sensationellen Single-Mixed-Staffel eindrucksvoll widerlegt. Die beiden aktuell besten ÖSV-Skijäger sprachen nach der Silbernen zurecht von einem "fast perfekten Rennen". 

Bei den Frauen wie auch bei den Männern ist auch in der klassischen Staffel eine Medaille durchaus möglich, aber tendenziell ebenso wenig erwartbar wie in der Single-Mixed.

Herren-Staffel stark ersatzgeschwächt

Geschlechterspezifisch betrachtet ist bei den Männern die Staffel trotz widriger Umstände wohl immer noch die realistischste Medaillenchance. Die bisherigen Saisonplatzierungen der ÖSV-Loipenjäger machen leise Hoffnung: Bisher stehen Rang vier in Kontiolahti sowie Rang sechs in Hochfilzen zu Buche.

Dazu kommen zwei elfte Ränge mit einer Art "letztem Aufgebot" in Ruhpolding (ohne Leitner, Lemmerer und Jakob) und einer ebenso geschwächte Truppe in Antholz (ohne Leitner und Lemmerer).

Außer Form: Felix Leitner verzichtete auf die WM-Teilnahme.
Foto: © GEPA

Dies zeigt aber auch: Österreich müsste eigentlich in Bestbesetzung antreten, um eine Chance zu haben. Die aktuellen Umstände erfordern es jedoch nach dem Motto "wir haben keine Chance, also wollen wir sie nutzen" zu agieren. Denn von einer Bestbesetzung ist das Männer-Team weit entfernt.

Nachdem Felix Leitner auf eine WM-Teilnahme verzichtete, musste nun auch Simon Eder seine Titelkämpfe gesundheitsbedingt vorzeitig beenden.

Trat Österreichs Top-Quartett mit Komatz, Eder, Leitner und Lemmerer an, fehlte zur Spitze bisher nicht so viel. Die aktuellen Vorzeichen stehen natürlich alles andere als gut.

Die bisher letzte Herren-Staffel-Medaille bei einer WM holte das Quartett Daniel Mesotitsch, Julian Eberhard, Simon Eder und Dominik Landertinger bei den Heim-Titelkämpfen in Hochfilzen 2017. Unvergessen der Antritt von ÖSV-Schlussläufer Landertinger gegen Deutschlands Simon Schempp, der dem "Landi-Anstieg" im Rücken des Stadions seinen heutigen Namen verlieh.

Hier gibts Landertingers Husarenstück zum Nachsehen:

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Dass man speziell in Team-Wettkämpfen über sich hinauswachsen und Edelmetall holen kann, bewiesen Hauser und Komatz sowie die Mixed-Staffel bei der letzten WM in Antholz vor zwei Jahren, als Österreich in der Besetzung David Komatz, Simon Eder, Dunja Zdouc und Lisa Hauser sensationell Silber holte.

Auch die Mixed-Staffel bei den diesjährigen Titelkämpfen, die den Auftaktbewerb in Oberhof markierte, war so ein Fall. Hier holte das ÖSV-Quartett um Zdouc, Hauser, Komatz und Eder den starken vierten Rang, verpasste Bronze nur um Sekunden.

Dass es am Ende nur Sekunden waren, lag auch am kuriosen Missgeschick von Frankreichs Quentin Fillon Maillet, der sich auf der Zielgeraden "verlief" (Rennbericht >>>). Dennoch war Rang vier nicht zu erwarten und schürte bei den Fans die Hoffnungen auf erfolgreiche Titelkämpfe, die durch einen starken 13. Rang von David Komatz im Sprint weiter bestärkt wurden.

Material als Stolperstein

Die Ernüchterung folgte schließlich in der Verfolgung, wo Komatz als bester Österreicher trotz nur eines Fehlschusses lediglich 27. wurde. Ein Blick auf die Laufzeiten offenbarte rasch, dass der Grund nicht nur bei den Athleten gelegen haben kann. Hier lagen die vier ÖSV-Starter unter den letzten Sechs des gesamten Feldes.

Schon die ganze Saison über kämpft man beim ÖSV offenbar mit einem Material-Problem. Phasenweise klappt es zwar ganz gut, doch viel zu oft vergreift man sich in der Wahl des Set-Ups, was auch Komatz nach der Verfolgung zwischen den Zeilen zugab.

Zwar sei er körperlich wieder in guter Form gewesen, doch auf der Loipe war ein Mithalten mit der Konkurrenz nicht möglich. "Ich habe heute leider keine Chance gehabt, dass ich mit den Leuten, die mich auf der Runde überholt haben, auch nur annähernd mitkomme", so der 31-Jährige im "ORF". Auch Felix Leitner beklagte bereits vor der WM Komplikationen auf dem Material-Sektor.

"Eine Medaille holt man nie alleine, sondern nur mit einem super Team", weiß auch Ex-Biathlet Julian Eberhard im Gespräch mit der "Krone". "Bei uns gab es Abstimmungsprobleme, die nicht an den Skiausrüstern lagen, soweit ich das vernommen habe. Bei einer WM ist nicht gutes, sondern sehr gutes Material gefragt", so der zweifache WM-Medaillen-Gewinner.

Erstarkter Komatz nun noch mehr in der Verantwortung

Nichtsdestotrotz sollte man sich davon nicht täuschen lassen, denn einerseits bewies das Service-Team mit der Single-Mixed-Staffel, dass man mittlerweile mit den Bedingungen in Oberhof vertraut ist. Andererseits bringt Österreich für die Staffel mehrere wichtige Stärken mit.

Zunächst verfügt man mit David Komatz über einen "Luxus-Startläufer", der schon in der Vergangenheit auf dieser Position eine enorme Konstanz zeigte und in seiner aktuellen Verfassung eine noch größere Stütze für das Team ist.

Angesichts seiner aufsteigenden Form und der Ausfälle von Felix Leitner und Simon Eder stellten Cheftrainer Vegard Bitnes und sein "Co" Ludwig Gredler auch die Überlegung an, Komatz auf einer anderen Position als jener des Startläufers einzusetzen.

"Wir haben das diskutiert", so Bitnes gegenüber LAOLA1. "Aber die Staffel hat eigene Gesetze", so der Norweger weiter. "Der Wettkampf gestern (Single-Mixed-Staffel, Anm.) hat bestätigt, dass du von Anfang an vorne dabei sein musst", fährt er fort. Deswegen habe man sich entschieden, Komatz wegen dessen Erfahrung als Startläufer auch diesmal als solchen einzusetzen.

Geht auch diesmal als Startläufer ins Rennen: David Komatz.
Foto: © GEPA

Teil der Staffel wird auch der junge Dominic Unterweger, der erst heuer sein Weltcup-Debüt gab und schon zweimal in den Punkten landen konnte. Läuferisch zeigt er sich bisher solide, im Schießen hat er noch Potenzial, aber an guten Tagen ist auch bei ihm jedenfalls die Null drinnen.

Zu guter Letzt ist hier Harald Lemmerer zu nennen, der wieder den Schlussläufer geben wird. In seinen Einzelwettkämpfen wusste er bis dato zwar nur selten zu überzeugen, dafür aber umso mehr in der Staffel. Hier heben sich seine Leistungen deutlich von jenen in den Solo-Bewerben ab.

Denn er bringt ein für die Staffel enorm wichtiges Talent mit: Lemmerer kann auf der Schlussrunde übers Limit gehen, wie er bereits bewies - ein entscheidender Faktor in der Staffel, wie wir nicht erst seit Landertinger 2017 wissen.

Unter dem Strich darf man sich eine Medaille nicht erwarten, doch als Profiteur günstiger Umstände ist eine Überraschung möglich. Dazu bedarf es Patzern der Konkurrenz, ein wenig mehr Treffsicherheit in der Material-Wahl und einer Prise Glück. Realistisch ist ein Rang zwischen sechs und acht, es darf aber freilich gerne "ein bisserl mehr sein".

Aufstellung: Komatz-Unterweger-Jakob-Lemmerer

Stockerl-Premiere bei der WM?

Bei den ÖSV-Frauen stehen die Sterne etwas besser. Zunächst hat man mit Lisa Hauser natürlich eine Weltklasse-Athletin in seinen Reihen, die bei den Titelkämpfen lange nicht zu ihrer Form fand, sogar von einer bislang verkorksten WM sprach.

Die Leistungen der Massenstart-Goldenen von 2021 in den Einzel-Bewerben waren fraglos ausbaufähig (13. im Sprint, 27. in der Verfolgung, 32. im Einzel), in der Single-Mixed ging der Tirolerin aber der berühmte Knopf auf und abgesehen davon ist die Frauen-Staffel längst fällig für den Sprung auf das Podest.

Kämpfte bei der WM lange um ihre Form: Lisa Hauser.
Foto: © GEPA

Dies untermauert auch die jüngste Staffel in Antholz, wo das rot-weiß-rote Quartett sogar ohne Zugpferd Hauser mit Rang fünf die beste Platzierung jemals erreichte. Die Besetzung damals: Dunja Zdouc, Anna Gandler, Anna Juppe und Julia Schwaiger. Letztere fehlt bei der WM, ihren Platz als Schlussläuferin wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Lisa Hauser einnehmen.

Wie Frauen-Chefcoach Markus Fischer bestätigt, steht das ÖSV-Quartett bereits fest, lediglich die Aufstellung werde erst nach dem Abschlusstraining festgelegt.

Dunja Zdouc wird wohl wie gewohnt die Startläuferin sein. Die Kärntnerin überzeugte vor allem im Einzel, wo sie starke 14. wurde. Die Top-Schützin verfehlte nur eine Scheibe und hätte sie auch diese getroffen, wäre sie als Sechste sogar bei der Flower-Ceremony dabei gewesen.

An Position zwei oder drei wird sich voraussichtlich "Teamküken" Anna Gandler wiederfinden. Die 21-Jährige erreichte im Sprint Rang 49, drei Fehler verhinderten ein besseres Ergebnis.

Dieses holte sie aber in der Verfolgung: Gandler konnte 20 Ränge gut machen und lief als 29. ein. Im Einzel wurde sie gute 24. und bewies aufsteigende Laufform - auch kein Nachteil in der Staffel.

Krankheitsbedingt konnte sie zwar ihre starke läuferische Verfassung aus dem Dezember nicht konservieren, nichtsdestotrotz zeigt die Tendenz bei ihr nach oben.

Juppe oder Steiner?

Der zuvor einzig vakante Posten entschied sich zwischen an Anna Juppe oder Tamara Steiner.

Steiner (l.) und Juppe (r.) kämpften um den vakanten Platz im Staffel-Quartett.
Foto: © GEPA

Steiner wusste bei ihren Einsätzen in Sprint (80. Rang/3 Fehler) und Einzel (43./2) noch nicht vollends zu überzeugen. Eben sowenig tat dies Anna Juppe mit Rang 72 (4) im Sprint sowie Rang 57 (5) im Einzel. Wobei bei beiden der Hund im Schießen und weniger im Laufen begraben lag. 

Letztlich entschied man sich für Anna Juppe, wie Fischer zu Protokoll gibt.

Die ÖSV-Equipe kommt über das Schießen und muss auf Fehler der Konkurrenz hoffen. Doch gibt man Teamleaderin Hauser, eine gute Position mit auf ihren Stint, ist die Medaille nicht unrealistisch. 

Um diese zu erreichen muss vieles, wenn nicht alles mitspielen. Doch die Podest-Premiere mit einer WM-Medaille zu garnieren, sollte Motivation genug sein.

Aufstellung: Zdouc-Gandler-Juppe-Hauser oder Zdouc-Juppe-Gandler-Hauser

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