Tennis-Österreich wird in diesen Tagen erstmals von einer kleinen Lilli-Tagger-Euphorie erfasst.
Vor wenigen Monaten kürte sich die 17-jährige Lienzerin bei den Junioren zur French-Open-Gewinnerin.
Nun gastiert sie erstmals seit dem bislang größten Triumph ihrer noch jungen Karriere in heimischen Gefilden. Tagger spielt dank einer vom ÖTV vergebenen Wild Card beim W75-Turnier in Amstetten.
Am Dienstag bekommt sie es mit einer Qualifikantin zu tun.
"Ein Heimturnier ist jedes Mal etwas Besonderes"
"Für uns Spielerinnen ist es wahnsinnig cool und wichtig, dass wir ein Heimturnier vor eigenem Publikum spielen können. Das ist jedes Mal etwas Besonderes“, fiebert Tagger am Montag bei einer Pressekonferenz in Amstetten ihrem ersten Einsatz entgegen.
"Die Vorfreude auf das Turnier ist sehr groß. Ein großes Dankeschön an den Verband, der mir die Möglichkeit gegeben hat, hier im Hauptbewerb zu spielen. Ich freue mich schon riesig auf mein erstes Match“, sagte die Osttirolerin, die sich im Training mit der ein Jahr älteren Slowakin Renata Jamrichova einschlug.
Jamrichova gilt als ebenso großes Talent wie Tagger, gewann ein Jahr vor der Österreicherin die French Open bei den Junioren sowie schon im zarten Alter von 16 die Australian Open.
"Ich habe sie vorher leider nicht so gut gekannt, weil sie gerade zu den Erwachsenen wechselte, als ich bei den Junioren nach vorne gekommen bin. Man kann sich sehr viel von ihr abschauen. Sie ist eine von den wenigen Turnierspielerinnen, die wirklich darüber nachdenkt, was sie macht und gesagt bekommt“, hält auch Tagger hohe Stücke von der talentierten Slowakin.
Vermehrte Aufmerksamkeit für Paris-Siegerin
Doch auch Tagger kann mit breiter Brust in ihre Auftaktpartie in Amstetten gehen. Der Sieg in Roland Garros brachte „natürlich eine bessere Confidence. Man fühlt sich sicherer auf dem Platz.“
Freilich brachte Paris auch einige Schattenseiten des Ruhms zu Tage. "Wenn dich auf einmal alle kennen und deine besten Freunde sind, muss man schon den Unterschied erkennen, wer es wirklich ernst meint", versucht sich Tagger vor den berüchtigten "Schulterklopfern" fernzuhalten.
Steht man der jungen Dame im direkten Gespräch gegenüber, herrscht diesbezüglich aber große Zuversicht. Lilli Tagger hinterlässt trotz ihrer erst 17 Jahre einen ruhigen, geerdeten, aber auch reflektierten Eindruck. Die Antworten sind wohlüberlegt und durchdacht.
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Auch der vermehrte Auftritt in der Öffentlichkeit scheint der Lienzerin keine Probleme zu bereiten.
"Die Leute kennen dich jetzt natürlich mehr und schauen genauer, was du eigentlich machst. Natürlich spürst du ein bisschen mehr Druck, weil die Leute etwas von dir erwarten. Am wichtigsten ist aber, wie ich selbst damit umgehe und dass ich mir selbst nicht zuviel Druck mache.“
Joel Schwärzler als mahnendes Beispiel?
Wie schwer es sein kann, als gelobter Weltklasse-Junior den Sprung zu den Erwachsenen zu schaffen, musste in den vergangenen Monaten auf schmerzhafte Weise Joel Schwärzler erkennen. Der ehemaligen Junioren-Weltranglisten-Erste hatte nach seinem starken Einstieg im Vorjahr mit einem Challenger-Sieg mit seiner Form zu kämpfen und muss nun wieder vermehrt bei kleineren Future-Turnieren spielen.
"Joel ist generell ein sehr guter Spieler", hat Tagger die Entwicklung von Schwärzler mitverfolgt. "Österreich und die ganze Welt hat die Augen auf ihn gerichtet. Auch die Sponsoren machen dann vielleicht einmal Druck, dass du nach vorne kommst. Man muss sich immer das Ziel vor Augen halten und auch, wie der Weg zum Ziel ist. Was du dafür machen musst. Deshalb solltest du die Leute außerhalb auch ausblenden können."
Der Fokus liegt dementsprechend hauptsächlich auf dem Training und der stetigen Weiterentwicklung. Darauf legt besonders ihr Coach Francesca Schiavone wert.
Die 45-jährige Italienerin, die 2010 bei den French Open triumphierte, ist in Amstetten ebenfalls mit dabei. "Wir schauen, dass wir aus jedem Training das beste herausholen. Natürlich setzen wir uns Ziele. Wir haben die letzten zwei Jahre viele gute Schritte gemacht und natürlich ist es jetzt das Ziel, bei den Erwachsenen nach vorne zu spielen."
Der Unterschied zum Junioren-Tennis
Wo der große Unterschied zu den Junioren liege? "Bei den Juniors brechen die Gegnerinnen schneller einmal weg und schenken dir ein, zwei Punkte. Bei den Erwachsenen musst du um jeden Punkt kämpfen. Irgendwann brechen sie da auch weg, aber es dauert viel länger."
Die größere Erfahrung wirke sich zudem auf die Spielintelligenz auf: "Spielerisch sind sie auch ein bisschen schlauer. Sie verstehen schneller, was du eigentlich machst und stellen sich darauf ein. Deshalb muss ich auch schneller verstehen, was sie machen und versuchen, mein Spiel gegen sie einzusetzen.“
Dass der Umstieg auf die große WTA-Tour nicht leicht ist, musste Tagger letzte Woche bei einem 75er in Italien schmerzhaft anerkennen. Dort verlor sie gegen die französische Weltranglisten-231. Carole Monnet in zwei Sätzen. Tagger selbst ist aktuell die Nummer 519 der Welt.
"Ich habe letzte Woche schon das Level gesehen. Ich glaube, dass ich in Amstetten gute Chancen habe, weiterzukommen. Das Ziel ist immer, das was wir arbeiten. Das Resultat ist eine Konsequenz daraus. Deshalb konzentrieren wir uns auf unsere Arbeit", will sich Tagger von der einen oder anderen Niederlage nicht aus der Bahn werfen lassen – die Weiterentwicklung steht im Vordergrund.
Wer sich selbst davon ein Bild machen will, kann dies zumindest am Dienstag und hoffentlich auch noch ein paar Tage danach in Amstetten tun. Neben Tagger werden am Dienstag auch Österreichs Nummer eins Julia Grabher und die Wienerin Sinja Kraus in der niederösterreichischen Bezirkshauptstadt zu sehen sein.