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Woran krankt das Damen-Tennis?

Die WTA-Tour steckt in der Krise. Nicht ohne Grund:

Woran krankt das Damen-Tennis? Foto: © getty

Herzlichen Glückwunsch! Du gehörst einer Minderheit an. Mit deinem Klick auf diesen Artikel hast du soeben Interesse für das Damen-Tennis bewiesen.

Zugegebenermaßen ist dieser Einstieg natürlich etwas böse formuliert. Ein Kernchen Wahrheit steckt allerdings leider trotzdem dahinter.

Bereits seit mehreren Jahren befindet sich die WTA-Tour in einer veritablen Aufmerksamkeits-Krise.

Während über die Herren der Schöpfung jedes Fitzelchen an News-Gehalt in einer eigenen Geschichte verarbeitet wird, da das Interesse an Roger Federer & Kollegen nicht endend wollend zu sein scheint, hält sich die Nachfrage an Storys aus dem Damen-Tennis in überschaubaren Grenzen.

Auch bei den TV-Einschaltquoten hinken die Ladies den Herren immer mehr hinterher. Abseits der Hardcore-Tennis-Freaks hat die breite Masse nur mehr selten etwas für das Damen-Tennis übrig.

Doch wo liegt die Hündin begraben? Warum elektrisiert die WTA-Tour die Fans nicht mehr so sehr, wie sie es noch vor zehn oder zwanzig Jahren gemacht hat, als Namen wie Martina Navratilova, Steffi Graf oder Martina Hingis für Furore sorgten? 

LAOLA1 hat fünf Gründe für die aktuelle Krise des Damen-Tennis herausgearbeitet:

1. Fehlende Stars

Die Namen mit dem aktuell größten Star-Faktor auf der WTA-Tour sind immer noch Serena Williams und Maria Sharapova. Die mittlerweile bald 38-jährige US-Amerikanerin will nach ihrer Baby-Pause unbedingt noch ihren 24. Grand-Slam-Titel holen, um damit mit Rekordsiegerin Margaret Court gleichziehen zu können. Sharapova macht nach ihrer im Jahr 2017 abgelaufenen Doping-Sperre nicht den Eindruck, als ob sie es noch einmal ganz nach vorne schaffen könnte. Den übrigen Spielerinnen fehlen entweder die großen Erfolge, Charisma oder der Glamour-Faktor. Es spricht Bände, wenn eine Spielerin wie Eugenie Bouchard immer noch eine der populärsten Figuren auf der WTA-Tour ist. Sportlich läuft sie zwar meist unter ferner liefen, dafür hat sie dank ihrer freizügigen Instagram-Fotos Millionen von Fans auf ihre Social-Media-Accounts gelockt.

2. Schwache Produktkategorisierung

Die ATP hat bei den Herren vor vielen Jahren mit der Einführung der Turnierkategorien 1000, 500 und 250 ein einheitliches und leicht zu verstehendes Gesamtbild des Turnierkalenders geschaffen. Mit einem Blick weiß jeder Fan, was er sich in etwa von einem 1000er oder 500er erwarten kann. Zudem sind viele traditionsreiche Turniere im Bewusstsein fix mit der jeweiligen Kategorie verankert. Während es bei den Herren vereinfacht wurde, wurde das Turnierbild bei den Damen unnötig verkompliziert. Gab es früher die Tier I-III-Events, die quasi selbsterklärend waren, rätseln Unbedarfte über die Unterschiede von „Premier Mandatory“, „Premier 5“, „Premier“ und „International“.

3. Konkurrenz der Herren

Die Aufnahmefähigkeit des Menschen ist begrenzt. Das ist auch bei Tennis-Interessierten nicht anders. Durch die große Popularität der ATP-Tour leidet natürlich auch die WTA-Tour ein wenig. Der Tag hat eben nur 24 Stunden und so ist es dann eben schwierig nach einigen Stunden Thiem, Nadal oder Kyrgios noch ein paar Minuten für das Damen-Tennis herauszuschlagen. Hinzu kommt die mittlerweile allgemein große Medien-Konkurrenz. Ohne wichtigem Alleinstellungsmerkmal hat es eine einzelne Sportart heutzutage sehr schwer, im extrem vielfältigen Angebot der Online-Portale zu bestehen.

4. Fehlende Konstanz der Spitzenspielerinnen

Erinnert sich noch jemand an Jelena Ostapenko? Die damals 20-jährige Lettin triumphierte 2017 überraschend bei den French Open und wurde als kommender Superstar abgefeiert. Doch wie so oft, erwiesen sich Prophezeiungen, die sich auf die Zukunft beziehen, als extrem schwierig. Die nachfolgenden Erfolge Ostapenkos lassen sich komfortabel auf einer Briefmarke zusammenfassen – und selbst dann bleibt noch Platz für eine historische Abhandlung der lettischen Tennis-Geschichte. Ostapenko ist aber nur die Spitze des Eisberges: Kaum eine Spielerin konnte sich in den letzten Jahren konstant in der Weltklasse etablieren. Mit Naomi Osaka holte nur eine Spielerin in den letzten fünf Jahren zwei Major-Titel in Folge. Nach großen Erfolgen folgen oft monatelange Durststrecken. Als Parade-Beispiel gilt Sloane Stephens, die nach ihrem Triumph bei den US Open 2017 acht Niederlagen hintereinander kassierte und unglaubliche fünf Monate keinen einzigen Sieg auf der WTA-Tour feiern konnte. Der Verlauf der US Open 2019 unterstreicht die Problematik der aktuellen Saison: Sechs der Top-7-Damen schieden bereits vor dem Achtelfinale aus. Mit der Kanadierin Bianca Andreescu gab es erneut eine Premieren-Siegerin und Barty übernahm mit einem Achtelfinal-Einzug in Flushing Meadows die Führung in der Weltrangliste.

5. Keine österreichischen Spitzenspielerinnen

Vor genau 20 Jahren standen mit Barbara Schwartz und Sylvia Plischke zwei ÖTV-Damen im Viertelfinale der French Open. Mit Barbara Paulus, Judith Wiesner, Barbara Schett, Sybille Bammer und vielen mehr gab es in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche heimische Spitzenspielerinnen auf der WTA-Tour. Davon ist heutzutage nur mehr wenig zu sehen. Mit den beiden 23-jährigen Hoffnungen Babsi Haas (WTA 143) und Julia Grabher (WTA 239) kämpfen zwei ÖTV-Spielerinnen seit einigen Jahren verbissen, bislang aber leider erfolglos, um den heißersehnten Sprung in die Top 100. Zuletzt ließ Haas mit ihrem Turniersieg bei einem 60.000-Dollar-Turnier in Deutschland wieder etwas Hoffnung aufkeimen. Im WTA-Ranking sind mittlerweile überhaupt nur mehr acht Österreicherinnen zu finden. Kein Wunder, dass sich das Interesse der heimischen Fans dementsprechend in Grenzen hält.

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