Sich mit Rafael Nadal zu messen, gehört für einen Tennis-Profi wohl zu den eher unvergesslichen Erlebnissen seiner Karriere.
Dominic Thiem darf sich mit dem unumstrittenen König der roten Asche am Freitag im Viertelfinale der US Open (ab zirka 2:15 Uhr im LIVE-Ticker) erstmals in seiner Karriere auf Hartplatz duellieren.
"Wir haben jetzt schon zehn Mal gegeneinander gespielt, aber es war immer auf Sand. Es wird das erste Mal auf Hartplatz, eine völlig neue Erfahrung", weiß der Lichtenwörther.
Insgesamt ist es schon das elfte Aufeinandertreffen der beiden Ausnahmekönner. Die Bilanz im Head-to-Head: Nadal ging sieben Mal, Thiem drei Mal als Sieger hervor.
Wie wichtig diese Duelle gegen die absoluten Superstars sind, sieht man auch an der persönlichen Entwicklung Thiems in den bisherigen Matches gegen Nadal. Von Spiel zu Spiel näherte er sich dem absoluten Top-Level, wie ein Blick auf die bisherigen Aufeinandertreffen deutlich machen.
29. Mai 2014: French Open, 2. Runde – 2:6, 2:6, 3:6
Das erste Duell mit Nadal auf dem Court Chatrier in Roland Garros erwies sich vor drei Jahren wie erwartet als Lehrstunde für den damals 20-Jährigen. Doch Thiem zeigte schon damals, dass er das Potenzial für höhere Weihen hat. 27 Winner sprechen eine deutliche Sprache. Auch mit dem Tempo von der Grundlinie hatte der Österreicher keine Probleme. "Er ist ein zukünftiger Star der Szene und hat gezeigt, dass er ein Champion werden kann" , hatte auch Nadal nach diesem Premieren-Duell viel Lob für seinen Kontrahenten über.
13. Februar 2016: Buenos Aires, Halbfinale – 6:4, 4:6, 7:6 (4)
Beinahe zwei Jahre sollte es bis zum nächsten Aufeinandertreffen dauern – und dieses endete mit einer Riesen-Sensation! Nach Abwehr eines Matchballs zwang die damalige Nummer 19 die damalige Nummer 5 der Welt in die Knie. "Gegen so einen Großen zu gewinnen, ist der komplette Wahnsinn, solche Momente vergisst man nicht so schnell", konnte Thiem diesen Erfolg zunächst kaum fassen. Obwohl Nadal, der sich im Jahr 2015 noch mit zahlreichen gesundheitlichen Problemen herumschlug, damals sicher nicht in Topform agierte, war es für den Niederösterreicher ein extrem wichtiger Schritt nach vorne.
14. April 2016: Monte Carlo, Achtelfinale – 5:7, 3:6
Zwei Monate später revanchierte sich Nadal in Monte Carlo für die überraschende Niederlage in Südamerika. Thiem ging zwar schnell mit 2:0 in Führung, danach wurde ihm aber die Chancen-Verwertung zum Verhängnis. Von 16 Breakbällen im ersten Satz konnte Thiem nur einen einzigen nützen. Eine Schwächephase beim Aufschlag beim Stand von 5:6 nützte Nadal zum Gewinn des ersten Satzes. Danach gelang Thiem zwar auch in Satz zwei ein frühes Break, Nadal schlug aber postwendend zurück und nahm dem Österreicher den Aufschlag zum 5:3 ab."„Das Niveau war von uns beiden sehr hoch", meinte Thiem, der am Ende den vergebenen Möglichkeiten nachtrauerte. "Der erste Satz war schon eine Enttäuschung."
29. April 2017: Barcelona, Finale – 4:6, 1:6
Mental schwierig waren die Voraussetzungen im ersten Duell diesen Jahres im Endspiel des ATP-500-Turniers von Barcelona. Nachdem Thiem am Vortag mit Andy Murray erstmals eine amtierende Nummer eins der Welt schlug, war im Finale gegen Nadal etwas die Luft raus. Bis zum 4:5 hielt der Niederösterreicher die Partie trotz einiger unerzwungener Fehler offen, dann gab er aber zugleich Aufschlag und den ersten Satz ab. Mit dem Break zum 3:1 gelang Nadal im zweiten Satz die Vorentscheidung. "Daran bin ich noch nicht gewöhnt, gegen zwei der Größten in zwei Tagen zu spielen, das war eine tolle Erfahrung", meinte Thiem nach dem Endspiel.
14. Mai 2017: Madrid, Finale – 6:7 (8), 4:6
Nur zwei Wochen später standen sich Thiem und Nadal erneut in einem Finale gegenüber – diesmal auf ATP-1000-Ebene in Madrid. Und der Lichtenwörther zeigte, dass er aus der letzten Begegnung wieder einiges dazu gelernt hatte. Bei 4:5 und 0:40 wehrte Thiem bei eigenem Aufschlag drei Satzbälle in Folge ab und vermied damit einen ähnlichen Spielverlauf wie in Barcelona. In Folge hatte der Österreicher im Tiebreak selbst zwei Satzbälle auf dem Schläger, ehe Nadal gerade noch den Kopf aus der Schlinge zog. Auch den zweiten Durchgang hielt Thiem lange Zeit offen, eher er sich mit dem dritten Matchball geschlagen geben musste. "Ich war viel besser und näher dran als in Barcelona", schöpfte Thiem aus dem Auftritt Mut. Und auch Nadal bestätigte wieder einmal das große Potenzial des jungen Österreichers: "Die Wahrheit ist, dass ich gegen einen Gegner gespielt habe, der in den nächsten fünf bis zehn Jahren um die wichtigsten Titel im Tennis kämpfen wird."
19. Mai 2017: Rom, Viertelfinale – 6:4, 6:3
Schon im Viertelfinale trafen die beiden fünf Tage später in Rom aufeinander – und es sollte der bislang stärkste Auftritt von Thiem gegen Nadal werden. Dank einer extrem konzentrierten Vorstellung fuhr der Lichtenwörther einen glatten Zwei-Satz-Sieg ein. "Das war sicher einer meiner größten Siege und auch vom Spielerischen her eine meiner besten Leistungen", strahlte Thiem. "Ich habe viel mehr riskiert und mir ist auch sehr viel aufgegangen." Den Erfolg in Rom wertete er auch eindeutig höher ein, als den Premieren-Sieg in Buenos Aires. "Der Sieg gegen einen Nadal, der so gut spielt wie in seinen besten Zeiten, ist wohl noch mehr wert."
9. Juni 2017: French Open, Halbfinale – 3:6, 4:6, 0:6
Der zweite Karriere-Sieg gegen Nadal beflügelte - doch schon drei Wochen später folgte die Ernüchterung. Eine glatte Dreisatz-Niederlage im Halbfinale der French Open, der Lichtenwörther machte nur sieben Games, verlor den dritten Satz zu Null. Eine herbe Niederlage, die Thiem zu denken gab. Vor allem, weil er vor der Partie schon eine Vorahnung hatte: "Bisher habe ich im Match nach einem Sieg über einen Topspieler immer viel schlechter gespielt. Also ich hoffe, dass ich das verbessern kann." Dem war nicht so, der Spanier war für Österreichs Nummer 1 an diesem Tag unbezwingbar, nachdem er zwei Tage zuvor noch sensationell Novak Djokovic ausgeschaltet hatte. Nadal, späterer Champion durch den Final-Sieg gegen Stan Wawrinka, nahm den Österreicher danach in Schutz: "Dominic hat fehlerhafter als normal gespielt. Er hat auch noch nicht so oft auf dem Centercourt gespielt, das hat ihm wahrscheinlich nicht geholfen."
20. April 2018: Monte Carlo, Viertelfinale – 0:6, 2:6
Im Frühjahr darauf erinnerte im Viertelfinale von Monte Carlo viel an das letzte Duell im French-Open-Halbfinale. Auch im Fürstentum bahnte sich Thiem mit einem Sieg über Novak Djokovic den Weg in die nächste Runde, wo Nadal wartete, gegen den er einmal mehr chancenlos war. Nur zwei Games ließ der Mallorquiner bei seiner Machtdemonstration zu und sorgte für Ernüchterung beim Niederösterreicher. "Es war einfach eine schlechte Leistung von Anfang an. Vor allem der Start war schlecht. Wenn ich gegen einen Spieler wie ihn nicht gleich das Zepter in die Hand nehme, dann läuft er davon", ärgerte sich der damals 24-Jährige über die bittere Pleite. "Er hat sehr gut gespielt heute muss man sagen, aber im Endeffekt war es von mir wirklich eine sehr lauwarme Leistung in allen Belangen." Dass Nadal aber von Titel zu Titel marschierte, auch in Monte Carlo, bestätigte die Dominanz.
11. Mai 2018: Madrid, Viertelfinale – 7:5, 6:3
Drei Wochen später war schon wieder alles ganz anders. Nach der glasklaren Niederlage in Monte Carlo konnte Thiem in Madrid zurückschlagen und sich mit seinem 3. Karriere-Sieg gegen Nadal den Weg ins Halbfinale bahnen. Dabei war der Spanier auf der roten Asche fast unschlagbar - dieser hatte 50 Sätze auf Sand in Folge gewonnen und einen Uralt-Rekord von John McEnroe ausgemerzt. In der Neuauflage des Vorjahresfinales von Madrid rief Thiem sein bestes Tennis ab: "Ich habe vorher gewusst, um Rafa zu schlagen, muss ich eine spezielle Leistung erbringen, und genau das habe ich heute gemacht", freute sich Thiem im Interview auf "Sky". Der Sieg hatte für ihn einen ganz besonderen Stellenwert: "Es sind ein paar Dinge, die den Sieg sehr speziell machen. Er hat zuvor 50 Sätze auf Sand gewonnen, und ich habe die aktuelle Nummer 1 der Welt besiegt. Und den mit Abstand besten Sandspieler in seinem Heimatland auf seinem Lieblingsbelag geschlagen", freute sich der damals Weltranglisten-Siebente. "Das sind die Tage, für die ich trainiere und hart arbeite."
10. Juni 2018: French Open, Finale – 4:6, 3:6, 2:6
Im bisher letzten Aufeinandertreffen kam es zum großen Showdown: Thiem gegen Nadal, und das im Endspiel der French Open. Für das österreichische Aushängeschild war es sein erstes Grand-Slam-Finale, und noch dazu gegen den damals zehnfachen und nach dem Finale 2018 elffachen Paris-Champion. Das Happy End blieb ihm versagt. Trotz ansprechender Leistung war es vom Ergebnis her eine klare Angelegenheit für den spanischen Dominator. "Die Leistung war echt in Ordnung", befand Thiem, posaunte jedoch: "Ich bin sicher, dass es nicht mein letztes Grand-Slam-Finale war." Die Erfahrung, ein Finale auf der größten Tennisbühne gespielt zu haben, kann ihm keiner mehr nehmen, deshalb analysierte er im Hinblick auf die kommenden Jahre folgendermaßen: "Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer, das ist klar. Ich bin jetzt enttäuscht und leer und zur Zeit ein bisserl zerstört, aber generell waren es zwei sehr gute Wochen. Ein Grand-Slam-Finale ist etwas sehr Besonderes, es war auch ein langer, anstrengender Weg bis dahin. Dass ich heute verloren habe, tut mir sehr weh, aber es ist auch eine große Motivation für mich, mich zu verbessern."
Bei den US Open bietet sich wieder eine Möglichkeit, in ein Grand-Slam-Finale einzuziehen.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss er jedoch erst einmal am ewigen Rivalen Nadal vorbei.
Im elften Duell ist der vierte Sieg das große Ziel. Die sportlich faire Rivalität wird jedoch über dieses Spiel hinaus bestehen bleiben und sicher nicht das letzte Head-to-Head zwischen Thiem und Nadal sein.