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Melzer: "Wusste, dass ich eine Chance habe"

Nach Sensations-Sieg lässt sich Jürgen Melzer ein Hintertürchen offen.

Unverhofft kommt oft. Für viele heimische Tennis-Fans stand nach der Auslosung bei den Erste Bank Open wohl fest, dass Jürgen Melzer in der ersten Runde gegen Milos Raonic (ATP 22) seine Abschiedsvorstellung von ATP-Tour im Einzel geben würde.

Doch der 37-jährige Niederösterreicher überraschte die Skeptiker und wird zumindest noch einmal am Mittwoch gegen Top-Star Kevin Anderson auf den Center Court kommen.

Mit 7:6(6), 7:5 eliminierte Melzer am Montagabend den ehemaligen Weltranglisten-Dritten aus Kanada dank einer starken und konzentrierten Vorstellung.

"Ich habe schon gewusst, dass ich eine Chance habe", kam für den Deutsch-Wagramer der Sieg selbst nicht so überraschend wie vielleicht für manch anderen. "Ich habe im Training sehr gut gespielt und mir taugen die Bedingungen in der Stadthalle."



"Außerdem habe ich gewusst, dass Raonic ein Spieler ist, der einen Tag haben kann, an dem er von hinten wenig reinspielt – und dann muss man eigentlich nur zwei Tiebreaks gewinnen, um das Match für sich zu entscheiden. Darauf habe ich mein Spiel ausgelegt", erklärte Melzer nach dem zweiten Sieg im dritten Duell mit dem 27-Jährigen seine Taktik.

"Habe recht schlau serviert"

"Ich habe gewusst, dass es ganz schwer werden wird, ihn zu breaken", so Melzer, der in den ersten fünf Service-Games des Kanadiers keinen einzigen Punkt gegen den Aufschlag-Kanonier machte. "Man muss gegen ihn viel raten, oft erwischt er dich am falschen Fuß, du kriegst viele Asse – gegen ihn hat man es als Return-Spieler nicht leicht."

Dementsprechend galt es, selbst keine Breaks zuzulassen. "Das ist mir die meiste Zeit ganz gut gelungen, weil ich recht schlau serviert habe."

Extrem wichtig ist es gegen starke Aufschläger auch, seine wenigen sich bietenden Chancen zu nutzen. Gerade dies gelang Melzer aber nicht auf Anhieb. Bei 5:5 im ersten Satz konnte er zwei Breakbälle nicht nützen, zudem gab er im Tiebreak zwei Mal ein Mini-Break aus der Hand.

Diese verpassten Chancen waren mental nicht leicht zu verkraften. "Das war schon sehr schwer, weil ich heuer viele enge Matches und vor allem sehr viele Tiebreaks verloren habe. Ich habe versucht, das auszublenden und habe zum Glück einen unglaublichen Passierball bei 6:6 im Tiebreak gespielt und danach ausserviert", atmete Melzer nach der Partie auf. "Hätte ich verloren, hätte ich mir danach sicherlich in den Hintern gebissen."

Melzer konnte befreit aufspielen

Hilfreich war für Melzer in jedem Fall auch, dass er locker drauflos spielen konnte. "Im Endeffekt hat es geholfen, dass es das letzte Match sein hätte können. Ich habe nicht an Punkte gedacht, sondern einfach nur einen Punkt nach dem anderen gespielt."

Von den Emotionen ließ sich Melzer, der vor Ort von vielen Freunden und der Familie unterstützt wurde, nicht aus der Ruhe bringen.

"Ich habe es geschafft, dass ich das Drumherum relativ schnell ausblenden konnte. Diesbezüglich hat es mir geholfen, dass ich voll in der Partie dabei bin und der mich jetzt nicht abschießt. Dann hat man nur das Ziel vor Augen, zu gewinnen, damit man noch ein Spiel bekommt."

Melzer lässt sich kleines Hintertürchen offen

"Außerdem habe ich es sicherlich auch genossen, dass die Leute aufgrund der Konstellation noch lauter waren als sonst. Auch wenn es deppert klingt, habe ich irgendwie gewusst, dass ich heute der bessere Spieler bin", so Melzer, der seine Rücktrittspläne aber trotz des überraschenden Erfolgs nicht wieder neu überdenken will.

"Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Ich habe okay gespielt – er hat von hinten aber auch viele Fehler gemacht und nicht gut gespielt. Am Mittwoch wird es aber wohl ein bisschen anders ausschauen", bleibt Melzer mit Blick auf sein bevorstehendes Achtelfinal-Match gegen die Nummer acht der Welt am Boden.

Wobei sich der ehemalige French-Open-Halbfinalist und zweifache Wien-Sieger dann aber doch noch ein kleines Hintertürchen offen lässt: "Ich verspreche euch, wenn ich den Titel hole, spiele ich weiter", scherzte Melzer, der auch schon einen Lieblings-Finalgegner hätte. "Dominic Thiem!"

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