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Das ist (noch) nicht unser Dominic Thiem

Schafft Dominic Thiem noch einmal den Sprung zurück an die Weltspitze? Kommentar:

Das ist (noch) nicht unser Dominic Thiem Foto: © getty

Nach zahlreichen Verschiebungen kam es am Dienstag beim Challenger-Turnier in Marbella nach 280 Tagen endlich zum langerwarteten Comeback von Dominic Thiem auf der ATP-Tour.

Mit der 3:6, 4:6-Niederlage gegen den argentinischen Nobody Pedro Cachin (ATP 228) fiel die Rückkehr recht ernüchternd aus. Hinzu kam, dass Thiem einen Tag danach noch positiv auf COVID-19 getestet worden ist. Inwiefern diese Infektion die kommenden Wochen beeinflusst, steht bislang noch nicht fest.

Doch welche Aussagekraft hat nun Thiems erste seit neun Monaten gespielte Partie unter Wettkampfbedingungen? Eines ist klar: Das ist (noch) nicht unser Dominic Thiem von früher. Aber waren nach einer derart langen Auszeit wirklich Wunderdinge vom ehemaligen Weltranglisten-Dritten zu erwarten?

Schließlich konnte Thiem erst Mitte Februar langsam wieder mit Sparring-Sessions beginnen. Und diese fehlende Matchpraxis war auch in Marbella gegen Cachin deutlich sichtbar. Vor allem zu Beginn der Partie, in der er schnell mit 0:5 in Rückstand geriet, hatte der Niederösterreicher viel zu wenig Konstanz in seinen Grundschlägen.

"Eingerosteter" Thiem

Oft war Thiem bei seinen Schlägen schlichtweg zu spät, die Leichtfüßigkeit mit der er sich früher über den Platz bewegte, ging ebenso wie viele andere einstudierte Automatismen während der langen Pause verloren.

"Es sind natürlich sehr viele Sachen eingerostet. In so einer langen Zeit gehen auch viele Sachen verloren, die nur mit der Matchpraxis zurückkommen werden", sagte Thiem im ORF-Interview nach der Partie.

Genauso gut konnte man aber auch sehen, dass der US-Open-Sieger von 2020 mit Fortdauer der Partie immer besser ins Spiel fand und seine Fehler-Quote teilweise doch deutlich reduzieren konnte.

Zudem ließ Thiem immer wieder seine alten Paradeschläge aufblitzen. Die entlang der Linie geschlagene einhändige Rückhand erinnerte genauso an alte Zeiten, wie die mit starkem Topspin getriebenen Vorhandbälle mit der er seinen Kontrahenten unter Druck setzte. Freilich geschah dies zu selten und auch mit "zu wenig Schaden", wie der 28-Jährige selbst nach der Partie anmerkte.

Wobei der Südamerikaner auch recht klug agierte: Im Wissen der fehlenden Spielpraxis von Thiem versuchte Cachin seinen Gegner nie in einen Rhythmus kommen zu lassen, was ihm vor allem mit seinen oftmals eingestreuten Stopp-Bällen und Tempo-Wechsel gut gelang.

Thiems Reaktion stimmt zuversichtlich

So verständlich die Niederlage auch war, so wenig überraschend war die bei Thiem vorherrschende Enttäuschung nach der Partie.

"Es war ein Tag mit gemischten Gefühlen", gab er zu. "Ich bin sehr glücklich, nach den vergangenen Monaten wieder spielen zu können und das Adrenalin des Wettkampfes spüren zu dürfen. Ich habe mich endlich wieder wie ein Tennis-Spieler gefühlt! Auf der anderen Seite wollte ich natürlich gewinnen und muss diese Niederlage jetzt akzeptieren."

Diese Reaktion ist verständlich und stimmt auch zuversichtlich. Denn Thiem war und ist ein Wettkampf-Typ. Diese Charakter-Eigenschaft und sein großer Ehrgeiz haben ihn an die Weltspitze geführt und dank dieser beiden Zutaten wird er sich nun auch wieder zurückarbeiten.

Erfolgshunger ist wieder da

"Ich sehe keinen Grund, warum Dominic nicht wieder in die Top Ten kommen sollte", erklärte erst vor wenigen Wochen sein langjähriger Betreuer Günter Bresnik, der ihn in Kindheitstagen übernahm und bis zum Bruch im Jahr 2019 begleitete.

Durch die lange Zwangspause sollte Thiem auch jene Eigenschaft zurückbekommen haben, die ihn vor einem Jahr von einigen Personen etwas abgesprochen worden ist: Der Erfolgshunger!

Nach seinem US-Open-Sieg im Jahr 2020 – dem langersehnten ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere – kam etwas Sand ins Getriebe. Nach vielen Jahren des anhaltenden Aufstiegs erlebte die Form- und Motivationskurve des Dominic Thiem einen leichten Knick, der schließlich in der folgenschweren Handgelenksverletzung auf Mallorca mündete.

Dieser Hunger sollte jetzt auf jeden Fall wieder da sein und auch der unbedingte Wunsch, regelmäßig diese Adrenalinschübe zu bekommen, die es nur in einem echten Wettkampf zu holen gibt.

Thiem wird noch Zeit brauchen

Klar ist natürlich auch, dass Thiem trotz dieser Umstände noch Zeit brauchen wird. Der des Öfteren von schweren Verletzungen geplagte Thomas Muster ist der Meinung, dass man die doppelte Zeit seiner Verletzungspause benötigt, um wieder sein altes Level erreichen zu können.

Das wären bei Thiem 560 Tage und der Weg zurück würde somit bis zum 10. Oktober 2023 dauern. Nimmt man als Bezugspunkt den Tag, an dem Thiem im Oktober wieder mit Softbällen zu trainieren begonnen hat, könnte er bereits wieder Ende Mai 2022 – pünktlich zu den French Open - an seine alte Form anknüpfen.

Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Der eine oder andere Ausreißer nach oben ist wahrscheinlich schon in wenigen Wochen – und hoffentlich auch in Paris - wieder drin. Die Konstanz, sich über Monate hinweg regelmäßig mit der absoluten Weltspitze messen zu können, wird Thiem wohl wirklich erst im kommenden Jahr wieder bekommen.

Auch andere Experten und ehemalige Tennis-Größen wie Jürgen Melzer, Stefan Koubek oder Alex Antonitsch, stimmen überein, dass Thiem vor allem eines noch brauchen wird: Zeit.

"Der Beginn einer langen Reise"

Wichtig ist, dass er wieder da ist, die Verletzung keine Schmerzen und Probleme mehr bereitet, er weiter an sich arbeitet und nicht den Glauben an sich verliert.

Diesen Umständen ist sich Thiem aber sowieso selbst bewusst, wie er noch am späten Dienstagabend selbst auf Instagram postete: "Das war erst der Beginn einer langen Reise zurück zu meinem Top-Level. Ich werde alles dafür geben, wieder dorthin zurückzukommen."

Ob der nächste Schritt nun wie geplant beim ATP-250-Turnier in Marrakesch stattfinden wird, ist durch die Corona-Erkrankung fraglich. Es wäre aber wenig überraschend, wenn wir beim nächsten Auftritt auf der Tour schon wieder einen ganz anderen Dominic Thiem sehen würden, der uns noch mehr an frühere Zeiten erinnert.

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